300 Euro Soforthilfe aus Konjunkturpaket: Warum eigentlich nicht immer?
Das Konjunkturpaket beinhaltet einen Bonus, der vor allem Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen nützt – und der Wirtschaft.
Für 300 Euro kann man dem Kind eine Sommergarderobe kaufen – sofern man in Fast-Fashion-Läden oder Second Hand einkauft. 300 Euro decken vielleicht die – oder einen Teil der – Gebühren, die man seit März an Kita oder Schule bezahlt und bisher nicht zurückbekommen hat. Für 300 Euro kann man dem Schulkind einen Laptop kaufen.
Mit 300 Euro kann eine kleine Familie einen Monat lang essen. Das ist dann beileibe kein gutes Leben, sondern eine große Belastung, und nicht viele können sich überhaupt vorstellen, mit diesem Betrag einen Monat lang eine Familie zu versorgen. Doch diejenigen, die Kopfrechnen erst beim Einkaufen perfektioniert haben, weil sie an der Kasse nicht Artikel aus Geldmangel und unter abschätzigen Blicken anderer wieder abziehen lassen wollten, die wissen, wovon ich rede.
Für 300 Euro kann man dem Kind Bastelmaterial, Spielzeug und ein gebrauchtes Fahrrad kaufen, etwas, das die strapazierte Stimmung zu Hause etwas aufhellt. Um 300 Euro kann man dem Kind eine Spielkonsole kaufen, um endlich mal ungestört arbeiten zu können – oder um einfach mal ein paar Stunden seine Ruhe zu haben.
Es ist keine Schande, auf seine psychische Gesundheit zu achten. Bildschirmzeit-Shaming ist was für Besserverdiener.
Ewig unzuverlässige Mütter
300 Euro sind für viele eine Menge Geld. Gleichzeitig ist es nicht genug. Nicht genug für drei Monate Unsicherheit, nicht genug für drei Monate Doppelbelastung rund um die Uhr.
300 Euro können nicht heilen, was diese Krise zutage befördert hat: die fehlende Gleichberechtigung in vielen Beziehungen, die Strapazen, die vor allem Frauen aufgebürdet wurden, ohne ihnen nachhaltige Besserung zu versprechen. Die Konflikte mit den Arbeitgebern, die alte „Unzuverlässigkeit“, die an Müttern haftet, wie der Hundehaufen am Schuh. Die Enttäuschung, weil Lufthansa und Fußball wichtiger zu sein scheinen als das Großziehen von Menschen.
Am Ende bleibt ein Beigeschmack, die Gewissheit, dass es dieses Geldgeschenk für einkommensschwächere Familien nur gibt, weil man weiß: Denen fehlt es vorne und hinten, die geben das direkt wieder aus. Nur – wenn man das weiß, und wenn das alles so toll ist für die Wirtschaft, wieso gibt es dann nicht generell mehr Geld für Familien im unteren Einkommensspektrum?
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt