12-Punkte-Plan der FDP: Die Fassade der Ampel ist gefallen
Die Liberalen schießen wieder gegen die eigene Regierung. Damit schafft die FDP Klarheit – über ihr Profil und die Verhärtung der politischen Fronten.
O h Gott, die FDP ist neoliberal! Sie will bei den Besitzlosen kürzen und zugunsten der Reichen umverteilen. Sie will diejenigen triezen, die selbst arbeiten, und diejenigen entlasten, die ihr Geld für sich arbeiten lassen.
Aber war das nicht immer klar? Man hatte es lediglich zu Beginn dieser Legislatur, als die FDP ins rot-grüne Lager wechselte, verdrängt und sich vielleicht ein bisschen zu sehr von der Selbstbeschwörungsrhetorik der Ampel als Fortschrittskoalition einlullen lassen.
Diese Fassade einer Koalition, in der laut Selbstbeschreibung „Zusammenhalt und Fortschritt auch bei unterschiedlichen Sichtweisen gelingen können“, ist mit dem nun veröffentlichten „Wirtschaftswende-Plan“ der FDP endgültig gefallen.
Es ist erst mal gut, dass Klarheit herrscht. Wenige Wochen vor der Europawahl, die als eine Art nationale Zwischenwahl für die im nächsten Jahr anstehende Bundestagswahl gilt, treten die Konturen der demokratischen Parteien schärfer zutage. Bürger*innen haben wieder eine echte Auswahl im demokratischen Spektrum, was Populisten und Rechtsextremisten, die auf die „Systemparteien“ schimpfen und sich als Alternative anbieten, das Geschäft erschweren dürfte.
Die FDP bietet sich jedenfalls als Alternative zu Grünen und SPD an. Sie will schärfere Sanktionen für Bürgergeldempfänger*innen durchsetzen und die Rente nach 45 Beitragsjahren wieder abschaffen, sie will Spitzenverdiener*innen und Unternehmen beim Soli entlasten, möchte, dass Unternehmen auf Kinder- und Zwangsarbeit entlang ihrer Lieferketten pfeifen können und die erneuerbaren Energien dem freien Spiel des Marktes überlassen. Kurz: Sie will zurück in jenes Lager, aus dem sie kommt: das bürgerlich-marktradikale Lager.
Keine Mehrheit für niemand
Dort macht sich allerdings auch die von Friedrich Merz geführte CDU breit und sie wartet nicht gerade auf die FDP. Die CDU tickt zwar wirtschaftlich ähnlich wie die Liberalen und hat vor zwei Monaten fast gleichlautende Forderungen verabschiedet. Sie hat aber auch alles getan, um der FDP in den vergangenen Monaten die Wähler*innen abspenstig zu machen. Und zwar so erfolgreich, dass die FDP bei Landtagswahlen unterging und in bundesweiten Umfragen seit längerem in der Fünf-Prozent-Todeszone schwebt.
Es gibt derzeit keine gesellschaftliche Mehrheit für das marktradikale Lager. Jedoch kommen SPD und Grüne mit sozialen und ökologischen Themen derzeit auch nicht auf die nötige kritische Masse für eine gemeinsame Regierungskoalition. Das macht einen baldigen Koalitionsbruch eher unwahrscheinlich, zumal keine der drei Ampelparteien davon profitieren dürfte.
Die lagerübergreifende Suche nach Kompromissen wird also weitergehen. Und die wird mit den FDP-Vorschlägen nicht einfacher. Die anstehenden Haushaltsverhandlungen werden zäh, unappetitlich und für alle Seiten schmerzhaft. Einen Schönheitspreis wird die Ampel wohl nicht mehr erhalten. Allein die Wähler*innen haben es in der Hand, dieses quälende Schauspiel zu beenden, indem sie bei der nächsten Bundestagswahl für klare Mehrheitsverhältnisse sorgen. Oder auch nicht. So geht eben Demokratie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies