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1.000 Kilometer am Ufer entlang

Der neue Elberadweg hat das verheerende Hochwasser erstaunlich gut überstanden. Zwischen Cuxhaven und Bad Schandau stoßen Radler auf viel Natur und Historie. Unterwegs stärken frische Fische aus der Elbe, Luther-Bier und Radebeuler Limo

„Am Ufer scheint ein Dampfer gestrandet zu sein. Wir sitzenauf dem Oberdeck.“

von EVA FIRZLAFF

1.000 Kilometer immer am Ufer der Elbe entlang, das ist die neueste Herausforderung, die der deutsche Fahrradtourismus zu bieten hat. So weit ist es von Cuxhaven an der Elbmündung bis Bad Schandau.

Wir radeln elbaufwärts. Das erspart uns – meistens jedenfalls – den Gegenwind. Eine große Steigung ist nicht zu befürchten. Einzig die Endmoränen bei Hitzacker, doch die sind von beiden Seiten gleich anstrengend. Auch in der Sächsischen Schweiz verläuft der Radweg ohne schweißtreibende Anstiege meist am Ufer. Die Städte Magdeburg und Dresden durchfahren wir großenteils am Elbufer. Nur Hamburg verlangt pfadfinderisches Geschick. Wer den Groß-stadtverkehr scheut, der nimmt lieber die S-Bahn. Hinter der Stadt sind wir wieder allein mit Land und Fluss.

Entlang dem großen Strom, der sechs Bundesländer miteinander verbindet, kommen wir durch ganz unterschiedliche Landschaften. Zwischen Cuxhaven und Hamburg dominieren Weiden und Obstplantagen. Die Höhe des Deiches lässt die Wucht der gelegentlichen Sturmfluten und Hochwasser erahnen. Olaf Franzke vom Wasserstraßenamt Geesthacht berichtet, wie bis 1990 das Elbwasser penetrant nach Jauche gestunken hat. Jetzt sind moderne Kläranlagen entstanden, und die maroden Chemiebetriebe geschlossen. Angler freuen sich über reichlich Fisch in bester Qualität. Selbst Lachse werden wieder gefangen.

Bei Lauenburg, Boitzenburg und Wittenberg war einst die Welt zu Ende. Die Elbe war unüberwindbare Grenze, das Ostufer Sperrgebiet, und auch auf niedersächsischer Seite herrschte ausgeprägte Ruhe. Dadurch blieb eine einmalige Landschaft erhalten. Andrea Schmidt vom Umweltzentrum Elbe in Bleckede verweist auf ausgedehnte Vordeichflächen, die regelmäßig überschwemmen, Bracks, Altarme und Flutrinnen. Im Verlauf eines Jahres schwankt der Wasserstand der Elbe um fünf Meter. Das prägt die Landschaft.

Der neue Radweg auf dem Deich bietet einen weiten Blick über Wiesen, Tümpel und Elbe. Für Störche, so sie nicht in Afrika weilen, ist das wohl ein Paradies. Das Dorf Rühstedt schlägt alle Rekorde. Jährlich brüten dort 35 bis 40 Storchenpaare. Manche Dächer tragen gleich 4 oder 5 Nester. Und wir sehen viele Graureiher, Wildgänse und mit etwas Glück auch mal einen Biber.

Auch zwischen Dessau und Lutherstadt Wittenberg haben sich trotz der Industrie ringsum weite Auenwälder erhalten: das Biosphärenreservat Mittlere Elbe. Durch die Dresdner Gegend rollen wir auf einem perfekten „Highway“ am Ufer mit Blick über Elbwiesen, auf Schlösschen und Weinberge. Und am Ende unserer Tour locken die spektakulären Felsen des Elbsandsteingebirges zum Wandern und Klettern.

Neben den Naturentdeckungen macht unterwegs reichlich Historie die Strecke interessant. So wird im kleinen Ort Konau in einer restaurierten Scheune an die Zeit des „Eisernen Vorhangs“ erinnert. Zaun und Stacheldraht trennten die Dörfler vom „Klassenfeind“.

Auch in ferner Vergangenheit war die Elbe schon mal Grenze. Vor 900 Jahren trennte sie deutsches Königreich und slawisches Gebiet. Als dieses dann deutscher Besitz wurde, kamen die Mönche aus Magdeburg, um zu missionieren. Erhalten sind eine gewaltige romanische Kirche in Havelberg, die wirkt auf dem Berg über der Stadt wie eine Festung Gottes, und ein komplettes romanisches Kloster weiter südlich in Jerichow. Und die riesige Festung Dömitz aus dem 16. Jahrhundert hatte die mecklenburgische Grenze zu bewachen. Aus der Luft betrachtet ist es ein gewaltiges Fünfeck. Das umrunden wir oben auf der Mauer, steigen in die Kasematten und erfahren vom berühmten Häftling Fritz Reuter. Der Mecklenburger Heimatdichter wurde 1833 wegen Majestätsbeleidigung verhaftet. Seine Erlebnisse hat er verewigt in „Ut mine Festungstid“.

Tangermünde verblüfft uns mit reichen Bürgerhäusern und prächtigen Stadttoren. Ende des 15. Jahrhunderts war die damals reiche Hansestadt für Kaiser Karl IV. sogar Nebenresidenz, um An-schluss an die Hanse im Norden zu erhalten.

Die Dessauer Innenstadt wurde im Krieg arg zerstört. Vom früheren kreativen Schaffen in der Stadt zeugen das Bauhaus und die Meisterhäuser, die Gropius für die Bauhauslehrer gebaut hatte. Sie wirken wie aus mehreren Würfeln zusammengesetzt, schlicht und elegant – so haben sie vor 75 Jahren schockiert. Am Ufer der Elbe scheint ein Dampfer gestrandet zu sein. Wir sitzen auf dem Oberdeck. Es ist die Terrasse des Kornhauses, ein Restaurant und ebenfalls Bauhausarchitektur.

Für Wittenberg, Luther und die Reformation nehmen wir uns Zeit. Das Pflichtprogramm: Schlosskirche (an deren Tür soll Martin Luther seine Thesen gegen den Ablass-handel ausgehängt haben), Stadtkirche (dort hat er gepredigt) mit Gemälden von Lucas Cranach d. Ä., die Cranach-Höfe, das Augusteum, in dem Luther wohnte. Als Kontrastprogramm radeln wir in das Neubaugebiet nördlich der Altstadt. Dort wurde eine Plattenbauschule nach Plänen von Hundertwasser umgestaltet. Türmchen, Kuppeln, bunte Fenster haben aus der öden Platte eine liebenswerte Schule gemacht. Auch in den Ferien veranstalten die Kinder Führungen bis unters Dach.

In Wittenberg trinken wir Luther-Bier, in Torgau das Torgauer Dunkel, in Meißen – keine Frage – den Meißner Wein. Und im Garten des Barockschlosses Wackerbarth in Radebeul wird hauseigener Sekt kredenzt. Auch die Fischgerichte schmecken. Vor einem Jahrzehnt noch wurde davor gewarnt, Tiere aus der Elbe zu essen. Jetzt scheint die Elbe alle Last vergangener Zeit weggespült zu haben.

Von Cuxhaven bis Bad Schandau sind es etwa 1.000 Kilometer, überwiegend sehr gute und gute Strecke. Die Tagesetappen von 50 bis 60 Kilometer sind ohne Schwielen am Po zu schaffen und lassen genug Zeit für Entdeckungen und Mittagspause auf den Elbwiesen und Buhnen, die in den Strom ragen. Man fährt meist auf Radwegen, aber auch auf kleinen Wirtschaftsstraßen und Waldwegen. Auf die Ausschilderung kann man sich nicht immer verlassen.Nützlich ist das Radtourenbuch „Elbe-radweg“ aus der bikeline-Reihe. Das enthält auch Quartiertipps.Organisierte Radtouren bieten: Augustus Tours, www.augustustours.de, z. B. Bad Schandau bis Dessau, 7 ÜF, ab 330 €, Dresden bis Hamburg, 14 ÜF, ab 650 €; Rückenwind Reisen www.rueckenwind.de, Bad Schandau bis Wittenberg oder Dessau, 6/7 ÜF ab 415 €

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