100 Milliarden Euro für die Bundeswehr: Schlechte Ausstattung für viel Geld
Das Beschaffungswesen ist die Achillesferse der Bundeswehr. Nun soll die Bürokratie modernisiert werden. Doch daran sind schon einige gescheitert.
Es sei „absolut unverständlich“, dass es selbst bei kleinen Ausrüstungsgegenständen hake, konstatierte sie in ihrem letzten Jahresbericht. Damit steht sie in der Tradition ihrer Vorgänger Hellmut Königshaus (FDP) und Hans-Peter Bartels (SPD), die ebenfalls gebetsmühlenartig den schlechten Zustand der Truppe angeprangert haben.
Das Problem: Seit 2014 sind die Verteidigungsausgaben kontinuierlich angestiegen, von damals 32,4 Milliarden Euro auf mehr als 46,9 Milliarden Euro im vergangenen Jahr – doch an der schlechten Verfassung der Bundeswehr hat sich über die Jahre nichts geändert. Fehlendes Geld kann also kaum der Hauptgrund dafür sein.
„Die Bundeswehr ist nicht unterfinanziert, sie ist ein Fall für den Rechnungshof“, sagt Jürgen Wagner, geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung. Da könnte etwas dran sein. Jedenfalls listet der Bundesrechnungshof regelmäßig fragwürdige Ausgaben der Bundeswehr auf. So monierte er erst im vergangenen November die unnötige Modernisierung alter Geräte der Pioniere in Höhe von 1,7 Millionen Euro oder die viel zu langsame Verwertung von außer Dienst gestellten Schiffen.
Hubschrauber müssen vom ADAC geliehen werden
Doch auch Organisationschaos bescheinigt der Rechnungshof: Im Dezember 2020 prangerte er an, dass es die Bundeswehr über Jahre versäumt habe, Informationsmängel in ihrem IT-Logistiksystem zu beheben – was ihre Einsatzbereitschaft gefährde.
Auch Erich Vad, Ex-General und langjähriger Militärberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, sieht die Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr kritisch. Laut dem aktuellen Bericht des Verteidigungsministeriums liegt die Einsatzbereitschaft mit 77 Prozent zwar über dem Zielwert von 70 Prozent, „aber das ist schon geschönt“, sagt Vad. Faktisch sei die Materiallage „dramatisch schlechter“.
Bestimmte Bereiche kommen auch im Bericht nicht auf 70 Prozent., so Vad. Die Hubschrauber sind etwa nur zu 40 Prozent einsatzbereit. Vad frustriert das: „Für die Pilotenausbildung muss die Bundeswehr Hubschrauber beim ADAC anmieten.“
Die Achillesferse der Bundeswehr ist ihr Beschaffungswesen. Als zentrale Schwachstelle gilt das völlig überlastete „Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr“ in Koblenz. Daran biss sich schon Ursula von der Leyen (CDU) die Zähne aus. 2014 holte sie die frühere Mc-Kinsey-Managerin Katrin Suder als Staatssekretärin ins Verteidigungsministerium, um die gravierenden Mängel bei der Ausstattung der Soldat:innen abzustellen, vor allem aber um dafür zu sorgen, dass Rüstungsprojekte zeitlich und finanziell nicht mehr aus dem Ruder laufen. 2018 gab Suder entnervt auf.
Als 2019 Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) neue Verteidigungsministerin wurde, kündigte sie an, das Koblenzer Beschaffungsamt „pragmatisch“ umzubauen. „Wir wollen und müssen bei der Beschaffung besser werden und die Ausrüstung muss schneller, einfacher, zielgenauer an die Frau und den Mann kommen“, versprach sie. Es blieb ein Versprechen.
Nun will es Christine Lambrecht (SPD) richten. Sie werde „das Beschaffungswesen gründlich modernisieren“, kündigte die neue Verteidigungsministerin Mitte Januar im Bundestag an. Wobei sie wisse: „Das ist ein ganz dickes Brett, das zu bohren ist.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht