+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Selenski entlässt Melnyk
Präsident Selenski entlässt den umstrittenen ukrainischen Botschafter in Deutschland Andrij Melnyk. Russische Truppen versuchen nach ukrainischen Angaben, den Rest der Region Donezk zu erobern.
Selenski entlässt Botschafter Melnyk
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat per Dekret den ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk von seinem Amt entlassen. Das ging aus einem von der Präsidentenkanzlei in Kiew am Samstag veröffentlichten Dekret hervor.
Außer Melnyk wurden laut Präsidialamt auch die Botschafter der Ukraine in Norwegen, Tschechien und Ungarn sowie Indien entlassen. Gründe oder eine künftige Verwendung der Diplomaten wurden zunächst nicht genannt.
Der 46-Jährige Diplomat war zuletzt in die Kritik geraten wegen Äußerungen über den ukrainischen Nationalisten und Antisemiten Stepan Bandera. elnyk war seit Januar 2015 Botschafter in Deutschland – eine außergewöhnlich lange Zeit für einen Diplomaten auf einem Posten. Auch Kommentatoren in Kiew sagten am Samstag, dass dies etwa das Doppelte der üblichen Entsendungszeit gewesen sei.
Melnyk hatte in den vergangenen Monaten mit seiner scharfen Kritik auch an Kanzler Olaf Scholz (SPD) für Aufsehen gesorgt. Er warf Scholz und seinen Ministern unter anderem vor, zu zögerlich Waffen für den Kampf gegen die russischen Angreifer in die Ukraine zu liefern. (dpa/afp/taz)
Attacken von Lyssytschansk aus
Die russische Armee nimmt nach der Einnahme des Gebiets Luhansk nach ukrainischen Angaben nun von dort aus zunehmend die Region Donezk ins Visier. Die Besatzer führten Angriffe von Lyssytschansk aus in Richtung Westen, sagte der ukrainische Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, am Samstag. „Wir geben uns Mühe, die bewaffneten Gruppierungen der Russen auf ganzer Linie aufzuhalten.“ Allerdings greifen sie Hajdaj zufolge von mehreren Seiten an und versuchen, tief in das benachbarte Gebiet vorzudringen. Sie erzeugen demnach eine „echte Hölle“ durch Raketenangriffe und Artilleriebeschuss. Die ukrainischen Streitkräfte leisteten allerdings tapfer Widerstand, sagte Hajdaj.
Russland dürfte als nächstes im Gebiet Donezk die größeren Städte Slowjansk und Kramatorsk im Blick haben. Es ist erklärtes Ziel Moskaus, die Region komplett der ukrainischen Kontrolle zu entreißen. Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs in Kiew gab es auch in anderen Teilen des Landes Beschuss, darunter in den Gebieten Charkiw und Tschernihiw. Dabei sei auch zivile Infrastuktur getroffen worden.
Immer wieder seien Angriffe des Feindes zurückgeschlagen worden, hieß es. Ukrainische Luft-, Raketen- und Artillerieeinheiten feuerten auf Ansammlungen russischer Truppen und auf Munitionslager. „Der Feind hat erhebliche Verluste“, teilte der Generalstab in Kiew mit. Die ukrainische Vize-Regierungschefin Irina Wereschtschuk hatte die Menschen in den besetzten Teilen der Region Saporischschja und im Gebiet Cherson aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen. Demnach soll es dort zu neuen schweren Gefechten kommen. Die ukrainische Regierung hatte angekündigt, sich besetzte Gebiete nach der Lieferung schwerer Waffen durch den Westen zurückholen zu wollen. (dpa/ap)
US-Außenminister: China muss Angriffskrieg verurteilen
US-Außenminister Antony Blinken hat China erneut dazu aufgefordert, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen. Nach einem Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi am Rande des G20-Außenministertreffens in Bali sagte Blinken am Samstag, China behaupte zwar, in dem Konflikt neutral zu sein. Tatsächlich unterstütze Peking aber Moskau. „Die Volksrepublik China steht nach wie vor zu Russland.“
Blinken kritisierte, China gebe russische Propaganda wieder, schirme Moskau in internationalen Organisationen ab und beteilige sich an gemeinsamen Manövern. Er habe Wang Yi übermittelt, „dass dies wirklich ein Moment ist, in dem wir alle aufstehen müssen, wie es ein G20-Land nach dem anderen getan hat, um die Aggression zu verurteilen“.
Wang Yi schlug bei dem Treffen mit Blinken einen kritischen Ton an, wie der chinesische Staatssender CCTV berichtete. Beide Staaten stünden immer mehr Herausforderungen gegenüber, sagte der chinesische Außenminister demnach. Wang Yi forderte die USA den Angaben zufolge auf, das politische System in China zu respektieren und eine Mentalität wie im Kalten Krieg aufzugeben. (dpa/afp)
Militärausbildung für ukrainische Freiwillige in Großbritannien
In Großbritannien hat am Samstag ein neues Programm zur militärischen Ausbildung ukrainischer Soldaten begonnen. Eine erste Gruppe von insgesamt bis zu 10.000 militärisch unerfahrenen Freiwilligen aus der Ukraine habe nun erste Übungen absolviert, teilte das britische Verteidigungsministerium mit.
Das mehrwöchige Training basiert auf der britischen Grundausbildung für Soldaten und umfasst den Umgang mit Waffen, erste Hilfe auf dem Schlachtfeld, militärische Taktik und Kriegsrecht. Mehr als tausend Angehörige der britischen Streitkräfte beteiligen sich in den kommenden Monaten an der Ausbildung der ukrainischen Freiwilligen, die auf verschiedenen Militärstützpunkten in England stattfindet.
„Dieses ehrgeizige neue Ausbildungsprogramm markiert die nächste Phase britischer Unterstützung für die ukrainischen Streitkräfte in ihrem Kampf gegen die russische Aggression“, erklärte Verteidigungsminister Ben Wallace. Mit der „Weltklasse-Erfahrung“ der britischen Armee werde Großbritannien der Ukraine helfen, ihre Truppen aufzubauen, um ihre Souveränität zu verteidigen.
Großbritannien hat der Ukraine bisher Militärhilfen im Wert von 2,3 Milliarden Pfund (2,7 Milliarden Dollar) bereitgestellt, darunter mehr als 5000 Panzerabwehrwaffen und Mehrfachraketen-Systeme. Im Zuge der „Operation Orbital“ hatte Großbritannien bereits nach der russischen Annexion der Krim zwischen 2015 und 2022 rund 22.000 ukrainische Soldaten ausgebildet. (afp)
Russisches Militär berichtet von zerstörten westlichen Waffen
Russland hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau bei massiven Angriffen im Osten der Ukraine einmal mehr auch westliche Waffen vernichtet. In der Nähe der Ortschaft Tschassiw Jar im Gebiet Donezk sei ein Hangar mit von den USA gelieferten M777-Haubitzen zerstört worden, sagte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow am Samstag in Moskau. Demnach wurden dort auch zahlreiche ukrainische Soldaten getötet. Von unabhängiger Seite überprüfbar waren diese Angaben nicht.
Auch im Gebiet Mykolajiw im Süden des Landes, in der Region Dnipropetrowsk um die Millionenstadt Dnipro sowie anderen Teilen des Landes seien bei Artillerie- und Raketenangriffen Dutzende ukrainische Soldaten getötet sowie Militärtechnik und teils Munitionslager zerstört worden, sagte Konaschenkow. Er zeigte ein Video von Kampfeinsätzen sowie mit Landkarten zu den Stoßrichtungen der russischen Streitkräfte.
Auch ausländische Kämpfer seien getötet worden. Im Gebiet Mykolajiw hätten die Luftstreitkräfte auch zwei ukrainische Kampfjets vom Typ Suchoi Su-25 abgeschossen. Zudem habe die russische Luftabwehr innerhalb von 24 Stunden erneut 15 Kampfdrohnen vom Himmel geholt. Auch diese Angaben waren nicht von unabhängiger Seite überprüfbar. Der ukrainische Generalstab hatte am Morgen in Kiew von russischen Angriffen auf breiter Front berichtet. (dpa)
UN-Bericht gibt Ukraine Mitschuld an Angriff auf Pflegeheim
Ein UN-Bericht hat ukrainischen Truppen eine Mitverantwortung am Angriff russischer Rebellen auf ein Pflegeheim in der Region Luhansk Anfang März zugewiesen. Ukrainische Soldaten hätten wenige Tage vor dem Angriff Stellungen in dem Gebäude in Stara Krasnjanka bei Sjewjerodonezk bezogen und es damit praktisch zu einem Ziel für Angriffe gemacht, hieß es in einem Bericht des UN-Kommissariats für Menschenrechte. Am 11. März hätten prorussische Rebellen dann mit schweren Waffen auf die Anlage geschossen, in der 71 Bewohner und 15 Angestellte ohne Strom und Wasser ausharrten.
Dem Bericht zufolge gelang einigen wenigen Bewohnern und Angestellten die Flucht in einen Wald, bevor sie schließlich in fünf Kilometern Entfernung Hilfe fanden. Mindestens 22 Pflegeheimbewohner hätten überlebt, die genaue Zahl der Toten sei noch nicht geklärt, hieß es. Der UN-Bericht beruht den Angaben zufolge auf Zeugenaussagen überlebender Angestellter und Informationen von Angehörigen von Bewohnern. Die Dokumentation des Falles sei noch nicht abgeschlossen, sagte ein UN-Mitarbeiter.
Die ersten Medienberichte über den Angriff auf das Pflegeheim in Stara Krasnjanka gab es mehr als eine Woche nach den Kämpfen. Sie gaben weitgehend die Darstellung ukrainischer Regierungsvertreter wieder. Der ukrainische Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, erklärte am 20. März in seinem Telegram-Konto, russische Okkupanten hätten aus kurzer Entfernung mit einem Panzer zynisch und gezielt auf das Pflegeheim gefeuert und 56 Menschen getötet. Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa nannte die selbe Zahl. Keiner von beiden erwähnte, ob ukrainische Soldaten vor Beginn der Kämpfe in dem Gebäude waren. Drei Tage später, am 23. März, warf die Menschenrechtskommissarin der Separatisten in Luhansk, Viktoria Serdyukowa, ukrainischen Kräften vor, die Menschen im Pflegeheim als Geiseln genommen zu haben. Beim Rückzug hätten sie dann das Haus in Brand gesteckt, viele Einwohner seien lebendig verbrannt.
Der UN-Bericht urteilte nicht, ob ukrainische Soldaten oder Separatisten in Stara Krasnjanka Kriegsverbrechen begangen haben. Der Kampf um das Pflegeheim sei jedoch ein Sinnbild für die Befürchtungen von Menschenrechtlern, dass Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht werden könnten, um Militäroperationen in bestimmten Gebieten zu verhindern, hieß es. Die von Hajdaj geleitete Regionalverwaltung von Luhansk reagierte zunächst nicht auf Anfragen zu dem UN-Bericht. Das Büro der Generalstaatsanwaltschaft teilte der Nachrichtenagentur AP mit, es prüfe, ob sich ukrainische Soldaten in dem Pflegeheim aufgehalten haben. Es nannte eine Zahl von etwa 50 Toten, also weniger als im März. (ap)
Britischer Geheimdienst über russische Reservisten
Großbritannien hat die Aussagen von Kremlchef Wladimir Putin bezweifelt, dass Russland im Krieg gegen die Ukraine noch gar nicht richtig angefangen habe. Das Verteidigungsministerium in London verwies auf die russischen Vorbereitungen für neue Offensiven. Bei den Verstärkungen handele es sich um „Ad-hoc-Zusammenstellungen“, die mit veraltetem oder ungeeigneten Gerät losgeschickt würden, hieß es am Samstag unter Berufung auf Geheimdienstinformationen.
So habe ein großer Teil der russischen Reserven, die aus dem ganzen Land zusammengezogen würden, lediglich Truppentransporter des sowjetischen Typs MT-LB zur Verfügung. Diese Fahrzeuge seien deutlich schwächer gepanzert und bewaffnet als die Schützenpanzer BMP-2, die zu Kriegsbeginn eingesetzt wurden.
Großbritannien hat mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten begonnen. In den kommenden Monaten sollen bis zu 10 000 Ukrainer trainiert werden. Etwa 1050 britische Soldaten sind in das Programm eingebunden, das an verschiedenen Militärbasen im Land stattfindet. Der Kurs behandelt den Umgang mit Waffen, Erste Hilfe auf dem Schlachtfeld, Patrouillentaktiken und Kriegsrecht. Zudem hat die britische Regierung AK-Sturmgewehre angeschafft, damit die ukrainischen Soldaten mit ihren gewohnten Waffen trainieren können.
Sechs Kampfjets der britischen Luftwaffe wurden zu gemeinsamen Übungen in die künftigen Nato-Mitgliedsländer Finnland und Schweden geschickt. Dies sei Teil der erhöhten Präsenz in der Region und von den beiden nordischen Ländern beantragt worden. „Diese Einsätze unterstreichen unsere Entschlossenheit, die Partnerschaft zu verbessern und sicherzustellen, dass unsere Streitkräfte nahtlos zusammenarbeiten können“, sagte Verteidigungsminister Ben Wallace. (dpa/rtr)
Außenpolitiker Roth will neue Ostpolitik
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth, hat eine neue Ostpolitik gefordert. „Sicherheit kann es in Europa nur noch gegen, nicht mehr mit Russland geben“, schrieb der SPD-Politiker in einem Gastbeitrag für die „Welt am Sonntag“. Eine neue europäische Sicherheitsarchitektur müsse auf militärische Abschreckung sowie auf die politische und wirtschaftliche Isolation Russlands bauen, forderte er.
„Mit Blick auf Russland brauchen wir mehr Realismus statt naives Wunschdenken“, schrieb Roth. Präsident Wladimir Putin habe aus dem Land eine imperialistische Macht gemacht. Roth wies dabei auch auf „eklatante Fehler“ seiner Partei in der Vergangenheit hin. „Die SPD ist zu Recht stolz auf Willy Brandts Ostpolitik der 70er-Jahre“, schrieb er. „Trotz aller historischen Verdienste dürfen wir uns angesichts der grundlegenden Veränderungen in der Welt nicht hinter Willy Brandt verstecken“, mahnte er.
Für ein Umdenken in der Ostpolitik sei es aber „mitnichten notwendig, sozialdemokratische Traditionslinien preiszugeben“, schrieb Roth. „Brandts Einsatz für Frieden und Entspannung war auch deshalb so erfolgreich, weil er von militärischer Stärke im Zeichen der nuklearen Abschreckung getragen wurde.“ Im Rahmen einer neuen Ostpolitik müssten Deutschlands östliche Nachbarstaaten stärker in die Russlandpolitik einbezogen werden, mahnte er. „Künftig kann es keinen deutschen Sonderweg mehr mit Russland geben, der zulasten unserer mittel- und osteuropäischen Partner geht“, schreibt Roth. (dpa)
Selenskyi will weiter Botschaften senden
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyi will sich im russischen Angriffskrieg gegen sein Land weiter mit Botschaften auch an das Ausland wenden. „Wir arbeiten jeden Tag und unter allen Umständen so viel wie möglich an der außenpolitischen Front“, sagte er am Freitag in einer Videobotschaft. Seine Videoansprache an das slowenische Parlament am Freitag sei bereits die 24. Rede an ein Abgeordnetenhaus eines EU-Mitglieds gewesen. Drei Ansprachen an die Parlamente der übrigen der insgesamt 27 EU-Mitgliedstaaten stehen noch aus.
„Ich hoffe, dass auch die drei anderen EU-Länder spüren werden, dass es bei diesen Appellen nicht um Politik geht, sondern um den Schutz unserer gemeinsamen Freiheit, und deshalb werden wir an den Punkt kommen, an dem ich eines Tages sagen kann: Alle 27 Parlamente der Europäischen Union hören den Freiheitskampf besser als jede russische Manipulation“, betonte der Präsident.
Selenskyi gratulierte insbesondere den Krimtataren auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim zum islamischen Opferfest Kurban Bayrami. „Ich glaube, dass das Jahr kommen wird, in dem wir uns einander auf einer freien Krim willkommen heißen werden.“ (dpa)
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