+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Regionaler Notstand ausgerufen

Die schweren Kämpfe in der Region Kursk dauern an. Der Gouverneur der russischen Grenzregion Belgorod ruft den regionalen Notstand aus.

Aufnahmezentrum für Geflüchtete aus der Region Belgorod Foto: reuters/Stringer

35 Drohnen auf russische Region Woronesch abgefeuert

Die Ukraine hat nach russischen Angaben in der Nacht zum Mittwoch über 35 Drohnen auf die Oblast Woronesch abgefeuert. „Es gab keine Opfer“, teilte Gouverneur Alexander Gusew mit. Das Verwaltungsgebiet Woronesch grenzt an den Nordosten der Ukraine und liegt mehrere hundert Kilometer südlich von Moskau.

Der Gouverneur der russischen Grenzregion Belgorod ruft angesichts der anhaltenden ukrainischen Angriffe den regionalen Notstand aus. „Die Situation in der Region Belgorod bleibt extrem schwierig und angespannt“, erklärt Wjatscheslaw Gladkow, in einer Videobotschaft auf dem Kurznachrichtendienst Telegram.

Er berichtet von täglichem Beschuss durch die ukrainischen Streitkräfte, der Häuser zerstöre und Zivilisten töte und verletze. Aufgrund dieser Situation habe man sich entschlossen, mit sofortiger Wirkung den regionalen Ausnahmezustand über das gesamte Gebiet Belgorod zu verhängen, „ … mit einem anschließenden Appell an die Regierung, einen föderalen Notstand auszurufen.“ Die Maßnahmen sollen dazu dienen, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten und die Folgen der Angriffe zu bewältigen. (rtr)

Selenskyj: Vormarsch in Kursk bringt uns Ziel näher

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht die Streitkräfte des Landes angesichts des Vormarsches im russischen Gebiet im Aufwind. „Die Ukraine kann ihre Ziele erreichen, ihre Interessen verteidigen und ihre Unabhängigkeit schützen“, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. Die ukrainische Armee habe inzwischen 74 Ortschaften im Gebiet Kursk eingenommen – doppelt so viele wie von russischer Seite behauptet. Überprüfbar sind beide Angaben nicht.

Nach Angaben des geschäftsführenden Gouverneurs der Region Kursk, Alexej Smirnow, sind 28 Orte unter Kontrolle des Gegners. Das ukrainische Projekt DeepState geht von etwa 44 russischen Ortschaften unter Kontrolle Kyjiws aus. Der ukrainische Oberkommandierende Olexander Syrskyj berichtete im Gespräch mit Selenskyj, die eigenen Truppen seien in einigen Richtungen zwischen einem und drei Kilometern vorangekommen. Demnach eroberten die ukrainischen Streitkräfte zusätzliche 40 Quadratkilometer Fläche im Gebiet Kursk.

Syrskyj hatte zuvor berichtet, dass seit Beginn der Offensive am Dienstag vor einer Woche eine Fläche von etwa 1000 Quadratkilometern eingenommen worden sei. Das wäre mehr als das Doppelte des Gebiets, das die russische Armee nach eigenen Angaben bei den Kämpfen im Osten der Ukraine seit Jahresbeginn eingenommen hat. Auch diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Bei einem Gespräch mit Kremlchef Wladimir Putin hatte Smirnow am Montag erklärt, dass die ukrainischen Streitkräfte auf einer Breite von 40 Kilometern entlang der Grenze bis zu 12 Kilometer tief in das Kursker Gebiet vorgedrungen seien. Ukrainische Quellen sprachen von etwa 30 Kilometern Tiefe. (dpa)

Ukraine verfolgt mehrere Ziele mit Kursk-Offensive

Mit der bisher beispiellosen Bodenoffensive auf russischem Gebiet verfolgt die Ukraine nach Angaben Selenskyjs gleich mehrere Ziele. Der Einfall seiner Truppen soll vor allem den Druck auf Moskau erhöhen, sich nach inzwischen fast zweieinhalb Jahren Angriffskrieg gegen die Ukraine auf Friedensverhandlungen einzulassen. Selenskyj sagte, ein gerechter Frieden komme auf diese Weise näher.

Die eroberten Flächen kann Kiew bei Verhandlungen als Faustpfand nutzen, weil es seine von den russischen Truppen besetzten Gebiete im Osten und Süden der Ukraine zurückhaben will. Das Außenministerium in Kyjiw hatte betont, dass die ukrainische Seite anders als Russland kein fremdes Gebiet annektiere.

Deutlich machte Selenskyj zudem, dass er die neuen russischen Kriegsgefangenen für einen Austausch gegen Ukrainer brauche. Hunderte Russen hätten sich bereits in ukrainische Gefangenschaft begeben. Sie würden humaner behandelt als in der russischen Armee, sagte Selenskyj, der sich bei Auftritten in Kyjiw lächelnd und so gelöst zeigte wie seit Monaten nicht mehr. Kyjiw und Moskau haben bereits mehrfach Gefangene ausgetauscht.

Selenskyj lobte erneut die in Russland einmarschierten ukrainischen Soldaten und ordnete an, dass sie ihr Geld und alles, was sie brauchen, ordnungsgemäß erhalten. „Wir brauchen jetzt alle die gleiche Einheit und Effektivität, die wir in den ersten Wochen und Monaten dieses Krieges gezeigt haben, als die Ukraine die Initiative übernommen hatte und begann, das Blatt zu ihren Gunsten zu wenden“, sagte der Präsident. Mit dem Einmarsch in Kursk habe das Land erneut bewiesen, wozu es in der Lage sei.

Schwere Kämpfe in Region Kursk dauern an

In der Region Kursk setzten die Behörden inmitten andauernder schwerer Kämpfe die Evakuierungen fort. Zehntausende Menschen mussten ihre Wohnungen und Häuser verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen. Nach offiziellen Angaben gibt es bisher zwölf Tote unter Zivilisten. Mehr als 120 Menschen seien verletzt worden.

Der amtierende Gouverneur Smirnow sprach den Menschen Mut zu und verwies darauf, dass die Rote Armee vor 81 Jahren im Zweiten Weltkrieg in der berühmten Schlacht bei Kursk die Großoffensive Nazideutschlands unter Diktator Adolf Hitler abgeschlagen habe. Sie galt als die größte Panzerschlacht der Geschichte. Auch diesmal werde Russland den Sieg davontragen, sagte Smirnow. Er dankte zudem den Regionen Russlands, aus denen immer mehr humanitäre Hilfe komme.

Ein hochrangiger US-Regierungsvertreter äußerte sich zu möglichen Gründen für den ukrainischen Vormarsch in der Region Kursk. Die Ukraine scheine Russland mit dieser grenzüberschreitenden Operation zwingen zu wollen, seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen, sagt der Insider Reuters. Durch das Vorrücken der ukrainischen Streitkräfte müsse Russland nun sein eigenes Territorium gegen den Angriff verteidigen. Dies könnte zu einer Schwächung der russischen Streitkräfte innerhalb der Ukraine führen, so die Einschätzung aus Washington. (dpa/rtr)

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