+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Orthodoxe Weihnachten vorverlegt
Die Ukraine feiert Weihnachten künftig am 25. Dezember. Das Parlament in Kyjiw stimmt für „Loslösung vom russischen Erbe“.
Russland wirft dem Westen „Nuklearterrorismus“ vor
Die Regierung in Moskau wirft dem Westen nach dem Einschlag einer Drohne in der russischen Stadt Kurtschatow in unmittelbarer Nachbarschaft eines AKW „Nuklearterrorismus“ vor. „Planen die Länder, die sie (die Drohnen) an das Kyjiwer Regime liefern, sich auf den Mars zurückzuziehen, wenn es eine nukleare Katastrophe gibt?“, erklärte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Freitag in Moskau. „Die Menschen in den Nato-Ländern sollten erkennen, dass ihre Regierungen den Nuklearterrorismus des Kyjiwer Regimes sponsern.“
Die Drohne habe in der Nacht zum Freitag ein Wohnhaus getroffen, teilte der Gouverneur der Region Kursk, Roman Starowoit, mit. „Glücklicherweise wurde keiner der Bewohner verletzt. Wichtige Einrichtungen wurden durch den Absturz und die anschließende Detonation der Drohne nicht beschädigt.“ Kurtschatow wurde für das in den 1960er Jahren gebaute AKW Kursk errichtet. Es liegt an einem großen Teich, aus dem auch das Kühlwasser für das AKW gepumpt wird. Die ukrainische Regierung nahm zu den Angaben zunächst nicht Stellung. (rtr)
Scholz: Selbstverständlich wieder mit Putin reden
Kanzler Olaf Scholz hat bekräftigt, dass er trotz des andauernden russischen Angriffskrieges auf die Ukraine weiterhin mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Gespräch bleiben will. Auf die Journalistenfrage, ob er eigentlich künftig nicht mehr mit dem Kriegstreiber Putin sprechen wolle, antwortete der SPD-Politiker am Freitag in seiner Sommer-Pressekonferenz in Berlin: „Ich werde selbstverständlich auch mal wieder mit ihm reden können. Aber da ist nichts terminiert.“
Auf die Frage, inwiefern der Erfolg seiner Kanzlerschaft vom Erfolg der Ukraine abhänge, erwiderte Scholz: „Als Mensch, als Bürger, als Deutscher, als Europäer wünsche ich mir, dass die Ukraine Erfolg hat. Und das muss ich gar nicht erst mit meinem Amt verbinden. Das ist ein Anliegen, das wir alle haben sollten.“ Man könne nicht hinnehmen und sich auch nicht damit abfinden, „dass in so grausamer und brutaler Weise das Völkerrecht mit Füßen getreten wird“, ergänzte der Kanzler. (dpa)
Lindner erteilt von der Leyens Milliarden-Wünschen Absage
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat grundsätzlich Zustimmung für künftige Milliardenhilfen der Europäischen Union für die Ukraine signalisiert, sieht neue Haushaltsmittel aber kritisch. Er sagte am Freitag beim EU-Finanzministertreffen in Brüssel, die Ukraine könne auf Deutschland zählen. Lindner reagierte damit auf eine geplante „Reserve“ für die Ukraine von 50 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die neuen Finanzhilfen für Kyjiw Ende Juni vorgeschlagen. Davon sind 17 Milliarden Euro als direkte Zuschüsse aus dem EU-Haushalt vorgesehen sowie weitere 33 Milliarden als Kredite. Dafür müssten die Mitgliedsländer den mehrjährigen Budget-Finanzrahmen nach Darstellung der Kommissionschefin massiv aufstocken. Zusammen mit Mitteln für die Migration und für die Technologie-Förderung verlangt von der Leyen von den EU-Staaten insgesamt 66 Milliarden Euro zusätzlich für den Zeitraum 2024 bis 2027. (dpa)
Ukraine verlegt Weihnachten auf den 25. Dezember
Die Ukraine hat das bisher vor allem am 7. Januar gefeierte orthodoxe Weihnachtsfest auf den 25. Dezember verlegt. Am Freitag stimmte eine deutliche Mehrheit im Parlament für diese Neuerung. Ziel des von Präsident Wolodymyr Selenskyj eingereichten Gesetzes sei die „Loslösung vom russischen Erbe“, hieß es. Zwei der drei großen Kirchen mit orthodoxem Ritus hatten zuvor den Übergang zum heute gebräuchlichen gregorianischen Kalender beschlossen.
Bereits 2017 war der 25. Dezember parallel zum 7. Januar als arbeitsfreier Feiertag für das Weihnachtsfest eingeführt worden. Die lange mit Moskau verbundene und bisher größte ukrainisch-orthodoxe Kirche hat sich zu dem Übergang noch nicht geäußert. Sie begeht die Feiertage bisher nach dem alten julianischen Kalender. Ebenso um 13 Tage vorverlegt werden nun der anlässlich der Christianisierung begangene Tag der ukrainischen Staatlichkeit und der Tag der Verteidiger der Ukraine. Diese waren bisher nach dem alten Kirchenkalender auf den 28. Juli und den 14. Oktober gefallen. (dpa)
Kreml erwägt Legalisierung von privaten Militärfirmen
Der Kreml zieht eine Legalisierung privater Militärfirmen und insbesondere der Söldnergruppe Wagner in Betracht, deren Existenz nach russischem Recht bislang nicht erlaubt ist. „Rechtlich betrachtet existiert die private Militärfirma Wagner nicht und hat auch nie existiert“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag vor Journalisten. Es handele sich um eine „komplexe“ Frage, die geprüft werden müsse, sagte Peswkow.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte zuvor der Zeitung Kommersant gesagt, dass die Wagner-Gruppe keinen legalen Status habe und dass dies in der Duma und in der Regierung diskutiert werden müsse. Am 24. Juni hatte ein Aufstand der Wagner-Gruppe die russische Führung inmitten des Ukraine-Konflikts erschüttert. Der Aufstand endete bereits nach einem Tag mit einer Vereinbarung unter Vermittlung des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko. (afp)
Scholz: Der Konvention gegen Streumunition verpflichtet
Kanzler Olaf Scholz hat die US-Entscheidung zur Lieferung von Streumunition erneut verteidigt, aber zugleich die Bedeutung des Vertrags zur Ächtung dieser Art von Munition betont. Deutschland habe die souveräne Entscheidung anderer Staaten nicht zu kommentieren, sagte der SPD-Politiker am Freitag in seiner Sommer-Pressekonferenz in Berlin mit Blick auf die USA. Die US-Regierung habe „eine Entscheidung getroffen, die nicht unsere ist, aber die sie souverän getroffen hat“ – mit dem Hinweis, dass sie sonst nicht ausreichend Munition zur Verfügung stellen könne.
Zugleich unterstrich Scholz: „Aber ich will ergänzend noch mal sagen: Für mich ist diese Konvention von großer Bedeutung.“ Es gehe dabei gar nicht um die Waffe in ihrer Wirkung im Kriegseinsatz, „denn alle Waffen, die wir liefern, haben furchtbare Zerstörung zur Folge, wenn sie ihre Ziele treffen“. Es gehe vielmehr darum, „dass nicht nach dem Krieg und außerhalb der Kriegsparteien von zufällig herumliegender Munition andere bedroht werden“. Überall in Deutschland, wo Bomben niedergegangen seien, gibt es auch viele Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges immer wieder Bombenalarm. „Und deshalb ist es schon ein sehr berechtigtes Anliegen, das wir mit dieser Konvention verfolgen. Und dem fühle ich mich auch verpflichtet“, sagte Scholz. (dpa)
Getöteter AFP-Journalist in französischer Ehrenlegion
Der in der Ukraine getötete AFP-Journalist Arman Soldin ist posthum in die Ehrenlegion aufgenommen worden. „Die Auszeichnung für Arman bewegt uns sehr“, sagte AFP-Informationsdirektor Phil Chetwynd am Freitag. Dies ehre seine exzellente Arbeit als Journalist und halte die Erinnerung an ihn lebendig. Der 32 Jahre alte Videojournalist war am 9. Mai bei einem Raketenangriff im Osten der Ukraine getötet worden.
Er war Teil eines fünfköpfigen Teams von AFP-Reportern, das ukrainische Soldaten an der Front begleitete. Die Journalisten gerieten am Rande von Tschassiw Jar nahe der umkämpften Stadt Bachmut unter russischen Raketenbeschuss. Soldin wurde tödlich getroffen, seine Kollegen konnten unverletzt entkommen. (afp)
Putin: Prigoschin lehnte Angebot ab
Der russische Präsident Wladimir Putin hat nach eigenen Angaben den Kämpfern der Söldnergruppe Wagner angeboten, künftig unter einem anderen Befehlshaber zu dienen – dies wurde nach den Worten Putins aber von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin abgelehnt. Wagners Soldaten „hätten an einem Ort zusammengeführt werden und weiter dienen können“, sagte Putin in einem am Donnerstagabend veröffentlichten Interview mit der Zeitung Kommersant.
Für die Söldner hätte sich dadurch „nichts geändert, sie wären von der Person geführt worden, die während der ganzen Zeit ihr eigentlicher Befehlshaber war“, sagte Putin. Bei der von Putin bei einem Treffen mit der Wagner-Gruppe am 29. Juni vorgeschlagenen Person handelte es sich um einen Wagner-Kommandeur mit dem Decknamen „Sedoi“ (Grauhaar), der in den vergangenen 16 Monaten die Söldner an der ukrainischen Front angeführt haben soll.
Zahlreiche anwesende Kommandeure hätten nach seinem Vorschlag mit dem Kopf genickt, der vorne sitzende Prigoschin habe den Vorschlag jedoch im Namen der Truppe abgelehnt, sagte Putin laut „Kommersant“. Bei dem Treffen sollten nach Angaben des Staatschefs „mögliche Lösungen“ für die Fortführung der Wagner-Gruppe nach dem Aufstand im Juni erörtert werden. (afp)
Scholz: Bis zu 17 Milliarden Euro für Waffenlieferungen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der Ukraine eine dauerhafte Unterstützung mit Waffenlieferungen wegen des russischen Angriffskriegs zugesichert. Deutschland leiste nach den USA schon jetzt „die größte Unterstützung auch in militärischer Hinsicht“, sagte Scholz bei seiner Sommer-Pressekonferenz am Freitag in Berlin. Dies sei auch für die kommenden Jahre sichergestellt. Auf Grundlage bisheriger Beschlüsse würden ab dem Beginn des Krieges bis zum Jahr 2027 insgesamt bis zu 17 Milliarden Euro für Waffenlieferungen an die Ukraine aufgewendet.
Scholz bekräftigte zudem, dass die Bundesregierung im kommenden Jahr erstmals das Nato-Ziel erreichen will, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Dies gelinge durch Mittel aus dem regulären Haushalt und das nach dem Angriffskrieg geschaffene Sondervermögen für die Bundeswehr, sagte der Kanzler. Danach werde Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel dauerhaft erreichen, „auch wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist.“ (afp)
Streumunition in der Ukraine eingetroffen
Wie Valerji Shershen, ein Sprecher des südlichen Militärbezirks Tavria in der Ukraine, bestätigt, ist die von den USA gelieferte Streumunition eingetroffen. Die Munition werde streng innerhalb des gesetzlichen Rahmens und „nur für die Räumung unserer Territorien“ eingesetzt, sagte Schershen dem von den USA finanzierten Sender Radio Liberty. Auch das Pentagon gab die Ankunft der Waffen bekannt. (rtr)
Selenskyj glaubt an breite Sicherheitsallianz
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht breite internationale Unterstützung für einen Sicherheitspakt zugunsten seines Landes über die G7-Staaten hinaus. Der Gruppe sieben großer westlicher Demokratien hätten sich seit dem Nato-Gipfel in Litauen binnen kurzer Zeit „bereits sechs weitere Länder angeschlossen“, sagte Selenskyj am Donnerstag in seiner abendlichen Videoansprache. Er nannte Dänemark, die Niederlande, Norwegen, Schweden, Spanien und Tschechien. In Vilnius hatten die großen Industrienationen der G7 der Ukraine Schutz zugesichert.
Selenskyj zeigte sich optimistisch, dass weitere Länder mitmachen. Zusammen mit den USA werde man eine Liste der Hilfswilligen erstellen. Der G7-Sicherheitspakt sieht langfristige finanzielle und militärische Hilfsmaßnahmen für die Ukraine vor, unter anderem moderne Ausrüstung für die Luft- und Seestreitkräfte.
Selenskyj erwähnte auch das gefährdete internationale Getreideabkommen. Er habe Südafrikas Präsidenten Cyril Ramaphosa telefonisch eingeladen, sich an der Initiative „Getreide aus der Ukraine“ zu beteiligen. Dabei sei man sich über die Notwendigkeit einer Verlängerung des Abkommens einig gewesen. Russland warf er einmal mehr vor, mit der Drohung, die Vereinbarung auslaufen zu lassen, die Welt in Geiselhaft zu nehmen. (dpa)
Putin: Russland denkt über Verlängerung des Getreideabkommens nach
Die Verlängerung des Getreideabkommens mit der Ukraine ist nach Angaben von Kremlchef Wladimir Putin von der Erfüllung der Russland gegebenen Versprechen abhängig. „Wir denken darüber nach, wie wir vorgehen, es sind ja noch einige Tage“, sagte Putin in einem Interview des Staatsfernsehens, das der kremlnahe Berichterstatter Pawel Sarubin am Donnerstag auf seinem Telegram-Kanal veröffentlichte. Er sagte, es gebe die Möglichkeit, die Beteiligung Russlands an dem Abkommen so lange auszusetzen, bis die Versprechungen, die Moskau im Rahmen der Vereinbarung gegeben worden seien, auch tatsächlich erfüllt würden.
Russland hatte nach Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine auch die Seehäfen des Nachbarlands blockiert. Da die Ukraine ein wichtiger Agrarexporteur ist, wuchs weltweit die Sorge vor steigenden Lebensmittelpreisen und Hungerkrisen in den ärmsten Ländern. Im vergangenen Sommer wurde dann unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei das sogenannte Getreideabkommen ausgehandelt, das Kyjiw die Kornausfuhr über den Seeweg – wenn auch in beschränktem Umfang – ermöglicht.
Als Gegenleistung forderte Moskau Erleichterungen bei den Sanktionen für seine Dünge- und Lebensmittelexporte, etwa bei Versicherungen, Fracht und auch der Finanzierung. „Nichts, ich möchte das betonen, absolut nichts wurde getan“, klagte Putin in dem Interview. Ohne Verlängerung läuft die Schwarzmeer-Getreide-Initiative am Montag aus. (dpa)
Putin: Kyjiw hat Recht auf Sicherheit, aber nicht auf Kosten Moskaus
Putin sprach vor dem Hintergrund seines Angriffskriegs gegen die Ukraine dem Nachbarland prinzipiell das Recht auf die Wahrung seiner Sicherheit zu. Dies dürfe aber die Sicherheit Russlands nicht gefährden, schränkte er in dem Interview des Staatsfernsehens ein. „Die Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato schafft eine Bedrohung für die Sicherheit Russlands“, behauptete Putin, der dies als einen Grund für den Beginn des Kriegs anführte.
Die Mitgliedschaft in der Nato mache auch die Ukraine nicht sicherer, sondern führe nur zu weiteren Spannungen in der Welt, sagte der Kremlchef weiter. Die Ukraine strebt den Beitritt zur westlichen Militärallianz vor allem an, um sich vor der Bedrohung aus Russland zu schützen. Beim Nato-Gipfel in Vilnius hat Kyjiw keine Einladung zum Bündnis erhalten. Stattdessen gab es Sicherheitsgarantien von den G7-Staaten der mächtigsten Wirtschaftsnationen. Daneben sagten die Nato-Staaten der Ukraine weitere Waffenhilfe zu. (dpa)
Wagner-Kämpfer derzeit kaum an Kämpfen beteiligt
Die Söldner der russischen Wagner-Gruppe sind nach Erkenntnissen des US-Verteidigungsministeriums derzeit nicht nennenswert an Kampfhandlungen in der Ukraine beteiligt. „In diesem Stadium sehen wir keine Wagner-Truppen, die sich in bedeutendem Ausmaß an Kampfeinsätzen in der Ukraine beteiligen“, sagte Pentagon-Sprecher Pat Ryder am Donnerstag vor Journalisten. Die USA hätten festgestellt, dass sich „die Mehrheit“ der Wagner-Kämpfer immer noch in russisch besetzten Gebieten der Ukraine aufhalte.
Die bewaffnete Gruppe, die eine wichtige Rolle in Russlands Offensive in der Ukraine spielte, hatte mit einem Aufstand am 24. Juni versucht, die russische Militärführung zu stürzen. Wagner-Kämpfer hatten mehrere Stunden lang das Hauptquartier der russischen Armee in der Stadt Rostow am Don im Südwesten des Landes besetzt und waren dann in Richtung Moskau vorgerückt.
Der Aufstand endete aber noch am selben Tag mit einer Vereinbarung, die die Ausreise des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin nach Belarus vorsah. Den Wagner-Kämpfern stellte Präsident Wladimir Putin frei, sich der regulären Armee anzuschließen, ebenfalls nach Belarus auszureisen oder aber ins zivile Leben zurückzukehren. Der derzeitige Aufenthaltsort von Prigoschin ist unklar.
Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums übergab die Wagner-Gruppe der russischen Armee am Mittwoch zehntausende Waffen, Geschütze und Munition. (afp)
US-Institut sieht fragile Kommandostrukturen in Russland
Nach der Kritik des inzwischen abgesetzten russischen Generals Iwan Popow an der Kriegsführung in der Ukraine sehen westliche Experten schwere Probleme in MoskausKommando-strukturen. Popows Absetzung im Zuge seiner Kritik an Missständen und dem hohen Verlust russischer Soldaten bestätige, dass Moskaus Verteidigungsstellungen in der Ukraine „wahrscheinlich brüchig“ seien, hieß es in einer Analyse des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) vom Donnerstag (Ortszeit). Die Experten verwiesen auf ihre früheren Einschätzungen, nach denen die russischen Streitkräfte keine Reserven etwa für Rotationen hätten.
Im Falle eines Durchbruchs ukrainischer Kräfte bei deren Gegenoffensive blieben die russischen Stellungen ohne Unterstützung, meinten die ISW-Experten. Sie erwarten zwar, dass Popows Abgang unmittelbar allenfalls „marginale“ Auswirkungen habe. Sie betonen aber: „Die immer fragilere russische Befehlskette könnte in Zukunft zu einer kritischen Kommando- und Kontrollkrise führen, in der die Unterstützung der Feldkommandeure für das russische Militärkommando immer schwächer werden könnte.“
Popow, der die 58. Armee in der besetzten ukrainischen Region Saporischschja befehligt hatte, habe sich mit seiner Kritik auf eine Stufe mit anderen gestellt, hieß es. So hatte etwa der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, Generalstabschef Waleri Gerassismow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu Unfähigkeit vorgeworfen. Auch Popows Ziel könne es gewesen sein, Gerassimow als Oberbefehlshaber für den Krieg gegen die Ukraine zu beseitigen. Der Generalstabschef aber versuche, Kritik zu unterbinden und sie nicht zu Kremlchef Wladimir Putin durchdringen zu lassen.
Nach Einschätzung der ISW-Experten sind die russischen Streitkräfte in der Defensive und setzen alles daran, ihre Stellungen zu halten. Derweil führe die ukrainische Armee ihre Gegenoffensive an mindestens drei Abschnitten der Front fort und verzeichne in einigen Regionen Gebietsgewinne.
Die Offensive Kyjiws hat das Ziel, alle Gebiete von der russischen Besatzung zu befreien – einschließlich der bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja