+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Russland gibt Lyman auf

Die Streitkräfte wurden wegen der Gefahr der Einkesselung abgezogen, sagte ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums.

Ein Soldat schaut aus einem Panzer hervor

Russische und ukrainische Soldaten (hier: ein Panzer der Ukraine) hatten lange um Lyman gekämpft (Archivbild vom April) Foto: Jorge Silva/reuters

Unternehmenssprecher: Aus Nord Stream 2 tritt kein Gas mehr aus

Aus der beschädigten Gaspipeline Nord Stream 2 tritt kein Gas mehr aus. Der Druck in der Gasleitung in der Ostsee sei mittlerweile auf das gleiche Niveau wie der Wasserdruck gefallen, sagte ein Sprecher der Betreiberfirma am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. „Der Wasserdruck hat also die Rohrleitung mehr oder weniger verschlossen, sodass das Gas im Inneren nicht entweichen kann.“ (afp)

Russland gibt strategisch wichtige Stadt Lyman auf

Russland hat in einer weiteren Niederlage gegen die ukrainische Armee die strategisch wichtige Stadt Lyman im Gebiet Donezk aufgegeben. Die Streitkräfte seien wegen der Gefahr einer Einkesselung abgezogen worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Samstag in Moskau. Zuvor hatten ukrainische Behörden von rund 5000 eingekesselten russischen Soldaten gesprochen.

Seit Wochen wurde um Lyman erbittert gekämpft. Nach der Niederlage im nordukrainischen Gebiet Charkiw und ihrem Rückzug von dort haben die russischen Truppen versucht, eine neue Frontlinie entlang der Flüsse Oskil und Siwerskyj Donez aufzubauen. Lyman als nächste Stadt gegenüber dem von Kiew gehaltenen Ballungsraum Slowjansk – Kramatorsk galt diesbezüglich als wichtig. Einerseits, um selbst Angriffe im Norden des Donbass-Gebiets lancieren zu können, andererseits als Barriere für eine ukrainische Gegenoffensive.

Nach intensiven Kämpfen ist die Stadt am Samstag gefallen. Ukrainische Einheiten haben in Lyman die blau-gelbe Landesflagge gehisst. Die Ukrainer hatten die Stadt zuvor in die Zange genommen. Angriffe wurden sowohl von Westen als auch von Norden und Süden lanciert. Die einzige Nachschub- und Rückzugsverbindung der Russen nach Osten über Saritschne und Torske geriet unter den Beschuss der ukrainischen Artillerie. Unklar ist unter diesen Umständen, wie viele russische Soldaten gefallen oder in Gefangenschaft gekommen sind.

Denn: Die ukrainischen Truppen hatten nach eigenen Angaben zeitweise etwa 5000 russische Soldaten eingekesselt. Das sei der Stand am Samstagmorgen, teilte der ukrainische Verwaltungschef für Luhansk, Serhij Hajdaj, mit. „Die Okkupanten haben ihre Führung gebeten, nach Möglichkeit herauszukommen, woraufhin sie eine Abfuhr erhielten“, sagte er. „Sie haben jetzt drei Handlungsmöglichkeiten: Entweder können sie versuchen auszubrechen oder sie ergeben sich. Oder sie sterben alle zusammen. Da sind von ihnen etwa 5000, eine genaue Zahl gibt es nicht.“

Eine solche Zahl an eingekesselten Russen habe es überhaupt noch nicht gegeben in dem Krieg, sagte Hajdaj. Lyman galt nach der russischen Schlappe in Charkiw als so wichtig, dass die russische Führung die Stadt möglichst lange halten wollte, zumindest aber bis zur Erklärung der Annexion der vier ukrainischen Gebiete Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Annexion am Freitag im Rahmen eines Festakts im Kreml erklärt. Kein Staat erkennt diesen Bruch des Völkerrechts an. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte angekündigt, alle besetzten Territorien zu befreien. Er setzt dazu auf schwere Waffen des Westens und auf Militärberater der Nato-Staaten.

Mit dem Fall von Lyman öffnet sich für die ukrainischen Truppen der Weg Richtung Kreminna und Swatowe. Beide Städte liegen im Gebiet Luhansk und gelten – speziell Swatowe – als wichtige Verkehrsknotenpunkte. Für den Kreml wäre dies ein verheerendes Signal. Anfang des Sommers hatte die russische Armee das Gebiet Luhansk für „befreit“ erklärt. (dpa)

Versorger Eni: Russland liefert kein Gas mehr nach Italien

Russland hat nach Auskunft des italienischen Versorgers Eni seine Gaslieferungen an das Mittelmeerland vorerst eingestellt. Der russische Konzern Gazprom habe mitgeteilt, dass er kein Gas mehr durch Österreich liefern könne, teilte Eni am Samstag mit. Das russische Gas kommt normalerweise an dem italienisch-österreichischen Grenzort Tarvisio in Italien an und wird von dort verteilt.

Ein Eni-Sprecher sagte der Nachrichtenagentur Ansa, dass Gazprom mitgeteilt habe, nicht mehr nach Österreich liefern zu können. Allerdings erhalte die Alpenrepublik nach Auskünften von Eni weiterhin russisches Gas, sagte der Sprecher weiter.

Italien hatte bis zum Ausbruch des Krieges in der Ukraine rund 40 Prozent seines Gases aus Russland erhalten. Dann schlossen die Regierung in Rom und der teilstaatliche Konzern Eni mit etlichen anderen Ländern – etwa Algerien – Abkommen ab, um die Abhängigkeit von Moskau zu minimieren. In den vergangenen Monaten hieß es, Italien bekomme nur noch rund 25 Prozent seines Gases aus Russland. In den vergangenen Tagen waren die Liefermengen stark zurückgegangen. (dpa)

Ukraine: 20 Tote bei Beschuss von Evakuierungskonvoi

Beim Beschuss eines Evakuierungskonvois im Nordosten der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben 20 Zivilisten getötet worden. Der Gouverneur der Region Charkiw, Oleh Synjehubow, nannte die Attacke auf Menschen, die versuchten, aus der Region zu flüchten, um dem Beschuss zu entgehen, eine „Grausamkeit, die nicht gerechtfertigt werden kann.“ Der Konvoi sei im Rajon Kupjansk getroffen worden.

Soldaten und ein kaputtes Schild, auf dem in Kyrillisch Kupjansk steht

Ukrainische Soldaten hatten die Stadt Kupjansk in der Region Charkiw erst kürzlich zurückerobert Foto: Kostiantyn Liberov/dpa/AP

Russische Streitkräfte hatten sich nach einer erfolgreichen Gegenoffensive des ukrainischen Militärs im September aus weiten Teilen der Region Charkiw zurückgezogen. Sie beschossen das Gebiet allerdings weiter. Das Bombardement nahm zuletzt drastisch zu, als Moskau nach Scheinreferenden über einen Beitritt zu Russland die Annexion von vier ukrainischen Regionen vorantrieb, die sich im Osten und Süden der Ukraine ganz oder teilweise unter russischer Kontrolle befinden. (ap)

UN-Atombehörde fordert Auskunft über AKW-Chef

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat von Russland Auskunft über den Verbleib des vermissten Leiters des besetzten Kernkraftwerkes Saporischschja erbeten. Man stehe mit den russischen Behörden in Kontakt, sagt ein IAEA-Sprecher der Nachrichtenagentur Reuters. Die staatliche ukrainische Energiebehörde Energoatom hat erklärt, Ihor Muraschow sei am Freitag von einer russischen Patrouille festgenommen worden. Eine russische Stellungnahme liegt nicht vor. (rtr)

Betreiber: Chef von AKW Saporischschja von Russen verschleppt

Der Chef des von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerks Saporischschja, Ihor Muraschow, ist nach ukrainischen Angaben von Moskauer Truppen entführt worden. Das teilte der Präsident der Betreibergesellschaft Enerhoatom, Petro Kotin, am Samstag mit. Der Generaldirektor des größten europäischen Kernkraftwerks wurde demnach am Vortag von einer russischen Patrouille am AKW-Standort Enerhodar auf der Straße gestoppt, aus dem Auto gezerrt und mit verbundenen Augen an einen unbekannten Ort gebracht. Eine Erklärung von russischer Seite gab es zunächst nicht. Russland hält das AKW seit Anfang März besetzt.

„Es gibt keine Erkenntnisse zu seinem Schicksal“, teilte Kotin im Nachrichtenkanal Telegram mit. Er warf Russland atomaren Terrorismus gegen das Management und gegen die Mitarbeiter des Kraftwerks vor. Muraschow, der die Hauptverantwortung für das sichere Funktionieren und die nukleare Sicherheit der Anlage trage, müsse sofort freigelassen werden. Kotin forderte auch den Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, auf, sich für Muraschows Freilassung einzusetzen.

Die IAEA teilte am Samstagvormittag mit, dass sie die russischen Behörden kontaktiert und eine Aufklärung gefordert habe.

Das ukrainische Atomkraftwerk in Saporischschja ist von russischen Truppen besetzt Foto: dpa/XinHua

Das AKW war immer wieder beschossen worden. Sowohl die russischen Besatzer als auch die ukrainischen Behörden warnten mehrfach vor einem möglichen atomaren Zwischenfall mit massiven Auswirkungen für ganz Europa. Die IAEA setzt sich für rasche weitere Gespräche über eine Waffenstillstandszone um das AKW ein. Der staatliche russische Atomkonzern Rosatom, der das Kraftwerk gemeinsam mit russischen Einheiten kontrolliert, ist nach Angaben seines Managements bereit, über technische Aspekte einer Schutzzone zu reden. (dpa)

Tausende russische Soldaten bei Lyman eingekreist

Die Ukraine hat nach eigenen Angaben tausende russische Soldaten in der strategisch wichtigen Stadt Lyman in der ostukrainischen Region Donezk eingekreist. Einige Soldaten versuchten, der Einkesslung zu entfliehen, sagt ein Sprecher des ukrainischen Militärs. Es gebe Tote und Verwundete. Russland habe dort bis zu 5500 Soldaten stationiert, die dort tatsächlich noch anwesende Zahl sei aber unklar. Russland hatte Lyman, wo vor Kriegsausbruch 20.000 Menschen lebten, im Mai eingenommen.

Seitdem hat Russland sie zu einem militärischen Logistik- und Transportzentrum ausgebaut. Sollte Lyman wieder an die Ukraine fallen, wäre der Weg frei bis tief in die übrigen Teile von Donezk, das zusammen mit Luhansk den Donbass bildet. Teile der Gebiete kontrollieren seit 2014 prorussischen Separatisten. (rtr)

Weitere Hilfen für die Ukraine

Die Weltbank kündigt weitere Hilfen im Volumen von 530 Millionen Dollar für die Ukraine an. Damit steige die Gesamtsumme der bereitgestellten Hilfen auf 13 Milliarden Dollar an, heißt es. Davon seien elf Milliarden Dollar bereits abgerufen worden. Die Weltbank hatte zuletzt davon gesprochen, dass binnen drei Jahren wohl deutlich mehr als 100 Milliarden Dollar zum Wiederaufbau der Ukraine erforderlich seien. Neben der Weltbank wird die Ukraine auch von anderen internationalen Institutionen unterstützt. (rtr)

Warnung: Risiko von Einsatz von Atomwaffen steigt

Der außenpolitische Berater von Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj, Mykhailo Podolyak, warnt vor dem Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine. „Angesichts der inneren Panik in der Russischen Föderation und der zunehmenden militärischen Niederlagen steigt das Risiko des Einsatzes von Atomwaffen“, sagt Podolyak der „Bild“ Zeitung laut einem Vorabbericht.

Auch der scheidende Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, sieht diese Gefahr. „Gerade jetzt sollte Deutschland – im Schulterschluss mit allem westlichen Verbündeten – endlich präventiv agieren und dem Kreml-Tyrannen ein klipp und klares Ultimatum setzen“, sagt er der Zeitung. Es sei noch nicht zu spät, dieses katastrophale Szenario zu verhindern. (rtr)

Lambrecht: Von Putins Atomdrohungen nicht lähmen lassen

Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat angesichts der russischen Drohungen zum Einsatz von Atomwaffen vor einer Lähmung des Westens gewarnt und zur weiteren Unterstützung der Ukraine aufgerufen. Die Drohungen würden von der Bundesregierung ernst genommen und sehr besorgt beobachtet, sagte die SPD-Politikerin am Samstag in Chisinau in Moldau nach einem Treffen mit ihrem Amtskollegen Anatolie Nosatii. Zugleich sagte Lambrecht Moldau weitere Unterstützung bei der Ausrüstung und Ausbildung der Armee des Landes zu. Unter anderem geht es dabei um die Beschaffung von Drohnen.

Zu den Atomdrohungen von Russlands Präsident Wladimir Putins sagte Lambrecht: „Da gilt es, sehr aufmerksam zu sein. Aber da gilt es auch, sich von solchen Drohungen nicht lähmen zu lassen.“ Sie ergänzte: „Das darf nicht dazu führen, dass man nachlässig in der Unterstützung für die Ukraine wird.“ Es gelte nun, „wachsam zu sein, sehr besonnen zu reagieren und auch, dafür zu sorgen, dass es zu keiner weiteren Eskalation kommt“. Die Ukraine müsse weiterhin konsequent unterstützen werden. (dpa)

US-Zwischenhaushalt mit Milliarden für Ukraine in Kraft

Die USA haben am Freitag einen Zwischenhaushalt mit weiteren Milliardenhilfen für die Ukraine beschlossen. Präsident Joe Biden setzte den wenige Stunden zuvor vom Repräsentantenhaus beschlossenen Etat mit seiner Unterschrift in Kraft. Der bis Mitte Dezember angelegte Zwischenhaushalt sieht militärische und wirtschaftliche Unterstützung für die Ukraine in Höhe von rund 12,3 Milliarden Dollar (12,5 Milliarden Euro) vor.

Mit dem Budget wird auch ein neuerlicher sogenannter Shutdown abgewendet – die Drosselung von Staatsausgaben, zu der es in den USA immer wieder kommt, wenn sich Demokraten und Republikaner nicht rechtzeitig auf einen Haushalt einigen können. Die Frist wäre um Mitternacht Ortszeit abgelaufen, jetzt ist die Finanzierung zunächst bis zum 16. Dezember gesichert.

Der Senat hatte den Zwischenhaushalt am Donnerstag auf den Weg gebracht, das Repräsentantenhaus billigte ihn am Freitag mit einer Mehrheit von 230 zu 201 Stimmen. (dpa)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.