+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Palästinensischer Islamischer Jihad veröffentlicht Geiselvideo
Die russisch-israelische Geisel Sasha Trupanov bittet darin um seine Befreiung. Derweil wirft ein UN-Kommittee Israel vor, dass es in Gaza Krieg „mit den Charakteristiken eines Genozids“ führe.
„Konsistent mit Merkmalen des Vökermords“
Ein Bericht des UN-Sonderausschuss zur Untersuchung der israelischen Praktiken, die die Menschenrechte des palästinensischen Volkes und anderer Araber in den besetzten Gebieten beeinträchtigen – so der vollständige Name des Kommitees – wirft Israel vor, dass die Kriegsführung des Landes mit „den Merkmalen eines Völkermordes, mit massenhaften Opfern unter der Zivilbevölkerung und lebensbedrohlichen Bedingungen, die den Palästinensern dort absichtlich auferlegt werden“ konsistent sei.
Seit Beginn des Krieges hätten israelische Offizielle öffentlich eine Politik unterstützt, die den Palästinensern das Lebensnotwendige – Nahrung, Wasser und Brennstoff – entziehe, so der Ausschuss. „Durch die Belagerung des Gazastreifens, die Behinderung humanitärer Hilfe sowie gezielte Angriffe und die Tötung von Zivilisten und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen“ verursache Israel „vorsätzlich Tod, Hunger und schwere Verletzungen“ und setzte Hunger als Kriegsmethode ein, so der Bericht. Er deckt den Zeitraum von Oktober 2023 bis Juli 2024 ab.
Der Sonderausschuss wurde 1968 – nach der Einnahme des Westjordanlands, Ost-Jerusalems und Gazas durch Israel – etabliert. In ihm sitzen Vertreter dreier UN-Mitgliedsstaaten, derzeit Malaysia, Senegal und Sri Lanka. Israel äußerte sich bisher nicht zu den Vowürfen. Das Land hält der UNO seinerseits immer wieder vor, Israel gegenüber voreingenommen zu sein. (taz)
Islamischer Dschihad veröffentlicht neues Geisel-Video
Die mit der Hamas verbündete Palästinensermiliz Islamischer Dschihad hat am Freitag erneut ein Video veröffentlicht, in dem der als Geisel genommene Israeli Sascha Trupanov zu sehen ist. Darin fordert der 29-Jährige den Chef der ultra-orthodoxen israelischen Regierungspartei Schas, Arje Deri, dazu auf, seine Befreiung und die der anderen verbleibenden Geiseln im Gazastreifen zu erwirken.
Der Islamische Dschihad hatte bereits am Mittwoch ein Video mit Trupanov veröffentlicht. Dessen Familie hatte daraufhin bestätigt, dass der Mann in dem Video Trupanov sei. Der Islamische Dschihad hatte bereits in den Monaten zuvor Videos veröffentlicht, die Trupanov zeigten, unter anderem im Mai.
In dem Video vom Mittwoch hatte Trupanov über die in der zweiten Septemberhälfte gestarteten israelischen Militäreinsätze im Libanon gesprochen sowie über die israelischen Luftangriffe auf den Iran, die sich Ende Oktober ereignet hatten. Zudem rief er Israelis vor dem Hintergrund der Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung der Geiseln dazu auf, den Druck auf ihre Regierung zu erhöhen. Sascha Trupanov besitzt neben der israelischen auch die russische Staatsbürgerschaft. (afp)
Israel weist HRW-Vorwürfe zurück
Israel hat Vorwürfe der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) entschieden zurückgewiesen, mit seinen wiederholten Evakuierungsaufforderungen an die Bevölkerung im Gazastreifen „Kriegsverbrechen“ zu verüben. „Die Wortwahl von Human Rights Watch zum Verhalten Israels im Gazastreifen ist immer wieder völlig falsch und realitätsfern“, erklärte der israelische Außenministeriumssprecher Oren Marmorstein am Donnerstag im Online-Dienst X.
HRW hatte in einem am Donnerstag veröffentlichten 172-seitigen Bericht unter anderem geschrieben, israelische Entscheidungsträger begingen das „Kriegsverbrechen der Zwangsumsiedlung“.
Der israelische Außenministeriumssprecher Marmorstein erklärte hierzu, „im Gegensatz zu den Behauptungen im HRW-Bericht ziele das Vorgehen Israels im Gazastreifen „ausschließlich auf die Zerschlagung der Terror-Einrichtungen“ der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas ab – und „nicht auf die Bevölkerung im Gazastreifen“. Dies stehe „im Gegensatz zur Hamas“, die „Zivilisten als menschliche Schutzschilde“ gebrauche und „Terror-Einrichtungen“ in Wohngebieten platziere. Israel werde „weiterhin im Einklang mit dem Kriegsvölkerrecht“ handeln. (dpa)
USA unterbreiten Waffenruhe-Vorschlag
Die US-Botschafterin im Libanon hat Medienberichten zufolge einen Vorschlag für eine Waffenruhe zwischen den israelischen Streitkräften und der libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah vorgelegt. Der Entwurf sei dem libanesischen Parlamentspräsidenten Nabih Berri übermittelt worden, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira. Das Papier von Botschafterin Lisa Johnson enthalte eine Reihe von Vorschlägen, die noch weiter diskutiert werden müssten.
Laut einem Bericht der Jerusalem Post verlangt das israelische Militär unter anderem, auch zukünftig gegen die Hisbollah im Libanon vorgehen zu dürfen, um eine Wiederbewaffnung der Miliz zu verhindern. Das stößt in Beirut auf Ablehnung. „Es ist undenkbar, dass Israel zu jeder Zeit zuschlagen darf“, zitierte die Zeitung einen libanesischen Funktionär.
Die mit dem Iran verbündete Hisbollah beschießt Israel seit Beginn des Gaza-Krieges vor mehr als einem Jahr mit Raketen. Israel antwortete mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Auf beiden Seiten der Grenze sind Zehntausende Menschen vor den Kämpfen geflohen. „Wir dringen deshalb so entschieden auf eine diplomatische Lösung, weil wir Bedingungen herstellen wollen, unter denen Zivilisten auf beiden Seiten in ihre Häuser zurückkehren können“, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Vedant Patel. (dpa)
🐾 Radikalisierung in Jordanien: Rekonstruktion eines Anschlags
Am 8. September erschoss ein Mann aus Jordanien am Grenzübergang Allenby drei Israelis. Die Ideologien der Hamas werden in der Gesellschaft immer tragfähiger, berichtet taz-Reporterin Serena Bilanceri – und hat sogar die Familie des Attentäters besucht.
Weitere Luftangriffe in Libanon, Gaza; Raketen auf Israel
In den vergangenen Tagen haben die israelischen Luftangriffe auf die südlichen Vorstädte der Hauptstadt Beirut deutlich zugenommen. So forderte das Militär über seinen arabischsprachigen Kanal etwa am Freitagmorgen Bewohner rund um zwei Gebäude im Viertel Ghobeiry zur Flucht auf. Ob bei dem Angriff Menschen ums Leben kamen, ist bisher nicht bekannt.
Am Tag zuvor wurden bei einem Luftangriff auf ein „Civil Defense Center“ nahe der ostlibanesischen Stadt Baalbek mindestens zwölf Menschen getötet. Nach Angaben lokaler Medien handelte es sich um Rettungskräfte. Auch im Südlibanon starben bei einem Luftangriff mindestens fünf Sanitäter, berichtet das katarische Medium AlJazeera.
Dass die libanesische Hisbollah-Miliz trotz der israelischen Luft- und Bodenoffensive weiter befähigt ist, Israel zu beschießen, zeigte sie am Freitagmorgen erneut: Bei Raketenangriffen nahe Haifa wurde wohl eine Baustelle getroffen, mindestens ein Mann wurde leicht verletzt.
Auch in Gaza hielten die israelischen Luftangriffe über Nacht an: In Deir el Balah, in Zentralgaza, kamen nach Angaben von Al-Jazeera mindestens vier Menschen bei Dronenangriffen ums Leben. Auch in anderen Orten in Gaza, etwa nahe Rafah, gab es weitere Angriffe. (taz)
Besorgnis über humanitäre Lage in Gaza
Kanadas Außenministerin zeigt sich tief besorgt über die katastrophalen humanitären Bedingungen im Gazastreifen und warnt vor dem lebensbedrohlichen Ausmaß der akuten Unterernährung. Außenministerin Melanie Joly zitierte einen Bericht des Famine Review Committee vom 8. November, in dem festgestellt wurde, dass in den Gebieten im nördlichen Gazastreifen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Hungersnot herrscht oder unmittelbar bevorsteht.
„Dies bedeutet, dass Zivilisten – Männer, Frauen und Kinder – sterben, weil nicht genügend humanitäre Hilfe nach Gaza gelangt“, sagte sie in einer gemeinsamen Erklärung mit dem Minister für internationale Entwicklung, Ahmed Hussen. Der Ausschuss hatte zuvor festgestellt, dass 133.000 Menschen im Gazastreifen von einer katastrophalen Ernährungsunsicherheit betroffen sind. (rtr)
Israels Staatsanwaltschaft: Minister Ben Gvir entlassen
Israels Generalstaatsanwaltschaft fordert den Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu auf, die Amtszeit seines Ministers für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, wegen dessen angeblicher Einmischung in Polizeiangelegenheiten neu zu bewerten. Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara schickte ein Schreiben an Netanjahu, in dem sie Fälle beschrieb, in denen Ben-Gvir offenbar operative Anweisungen gab, die den unpolitischen Status der Polizei gefährden.
„Die Kombination aus den wahrscheinlich unangemessenen Eingriffen in polizeiliche Aktivitäten und der Abhängigkeit der Polizeibeamten vom Minister für ihre Beförderung untergräbt die Möglichkeit, sicherzustellen, dass die Polizei aus Loyalität gegenüber der Öffentlichkeit und nicht gegenüber der politischen Ebene handelt“, so Baharav-Miara in einer Erklärung. Aus dem Büro von Netanjahu war keine unmittelbare Stellungnahme zu erhalten. (rtr)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style