+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Israel gegen den Rest der Welt
Israel fordert den Abzug der UN-Friedenstruppen aus dem Libanon, UN-Generalsekretär Guterres lehnt ab. Hisbollah gelingt Drohnenangriff auf Israel.
Konfrontation zwischen Israel und Unifil verschärft sich
Die UN-Beobachtermission Unifil im Süden des Libanon hat einen weiteren schweren Zwischenfall mit der israelischen Armee gemeldet. Israelische Panzer durchbrachen demnach am Sonntag das Tor eines Stützpunktes der Blauhelme. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte UN-Generalsekretär António Guterres auf, die „Unifil aus Hisbollah-Hochburgen und den Kampfzonen“ abzuziehen. Das israelische Militär habe dazu wiederholt aufgerufen, dem sei jedoch nicht nachgekommen worden. „Dies hat zur Folge, dass den Hisbollah-Terroristen menschliche Schutzschilde zur Verfügung gestellt werden.“ Guterres teilte jedoch mit, dass jeder Angriff auf Friedenstruppen ein Kriegsverbrechen darstellen könnte und dass die Truppen auf ihren Positionen blieben.
Die Unifil-Blauhelme gerieten in den vergangenen Tagen wiederholt unter Beschuss. Mindestens fünf von ihnen wurden verletzt. Die meisten Angriffe werden den israelischen Truppen zugeschrieben, die im Libanon aus der Luft und mit Bodentruppen gegen die radikal-islamische Hisbollah-Miliz vorgehen.
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni unterstrich nach Angaben ihres Büros in einem Telefonat mit Netanjahu, dass Angriffe auf die Unifil inakzeptabel seien. Italien stellt mit mehr als 1.000 Soldaten eines der größten Personalkontingente für die Unifil zur Verfügung, der insgesamt 10.000 Soldatinnen und Soldaten angehören. Normalerweise zählt Meloni zu den lautstärksten Unterstützerinnen Israels unter den westeuropäischen Staats- und Regierungschefs.
Auch der neuseeländische Premierminister Christopher Luxon hat das Vorgehen des israelischen Militärs gegen die UN-Friedensmission im Libanon (Unifil) scharf verurteilt. Es sei völlig inakzeptabel, dass Israel die UN-Friedenstruppen ins Visier nehme, sagte er am Montag in der Hauptstadt Wellington zu Journalisten. Die ganze Welt sei darüber entrüstet, dass Israel UN-Einrichtungen angreife. „Sie sind dort im Rahmen einer Friedensmission, um den Frieden an dieser Grenze zu bewahren“, sagte er.
In einer gemeinsamen Erklärung sicherten 34 Länder – darunter Deutschland – der UN-Friedenstruppe im Libanon ihre uneingeschränkte Unterstützung zu. Sie forderten alle Konfliktparteien dringend auf, die Präsenz von Unifil zu respektieren. Die Angriffe auf Blauhelmsoldaten müssten sofort eingestellt werden.
Israels Außenminister Israel Katz bekräftigte unterdessen seine Entscheidung, Guterres zur unerwünschten Person zu erklären. Er hatte am 2. Oktober ein Einreiseverbot gegen den UN-Chef verhängt, weil er ihm vorwirft, Irans Raketenangriff am Tag zuvor nicht deutlich genug verurteilt zu haben. Der UN-Sicherheitsrat stellte sich daraufhin demonstrativ hinter Guterres. (rtr/ap)
Hisbollah greift israelischen Militärstützpunkt an
Bei einem Drohnenangriff der libanesischen Hisbollah-Miliz auf einen israelischen Armeestützpunkt nahe der Stadt Binjamina sind vier Soldaten getötet worden. Wie die Armee in der Nacht bekanntgab, wurden sieben weitere Soldaten schwer verletzt. Insgesamt erlitten bei der Attacke am Sonntag laut Rettungsdiensten mehr als 60 Menschen Verletzungen. Damit ist es ist einer der blutigsten Angriffe auf Israel seit Beginn des Gaza-Kriegs vor gut einem Jahr.
Die Warnsirenen hatten vor der Attacke nicht geheult. „Wir werden untersuchen, wie eine Drohne ohne Vorwarnung eindringen und eine Basis treffen kann“, kündigte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari laut Medien kurz nach Mitternacht in einer Stellungnahme an.
Die proiranische Hisbollah reklamierte den Angriff für sich. Man habe ein Trainingscamp des israelischen Militärs in Binjamina mit einem „Geschwader von Angriffsdrohnen“ attackiert. Israels Radarsysteme hätten die hoch entwickelten Drohnen nicht erfasst, verkündete die Hisbollah in der Nacht auf Telegram. Die Schiiten-Miliz drohte Israel mit noch heftigeren Angriffen, falls der Nachbarstaat seine Offensive im Libanon nicht stoppen sollte – und „dass das, was er heute im Süden Haifas erlebt hat, nur ein kleiner Vorgeschmack auf das ist, was ihn erwartet, wenn er beschließt, seine Aggression gegen unser edles und geliebtes Volk fortzusetzen“.
Nach einer ersten Untersuchung habe die Hisbollah vom Libanon aus zwei Kamikaze-Drohnen gestartet, die vom Meer aus in den israelischen Luftraum eingedrungen seien, meldete die Times of Israel. Beide Drohnen seien vom Radar geortet und eine vor der Küste nördlich von Haifa abgeschossen worden. Flugzeuge und Hubschrauber hätten die zweite Drohne verfolgt, sie sei aber vom Radar verschwunden. Es hätten keine Sirenen geheult, weil davon ausgegangen worden sei, dass die Drohne abgestürzt oder abgefangen worden war, berichtete die Zeitung weiter. Die Drohne schlug schließlich in der Nähe von Binjamina ein. (dpa)
USA schicken Israel neues Raketenabwehrsystem
Um die Luftverteidigung Israels nach den jüngsten schweren Raketenangriffen durch den Iran zu stärken, schicken die USA eine Batterie des hochmodernen Raketenabwehrsystems THAAD und ein dazugehöriges Team des US-Militärs nach Israel. Der Schritt unterstreiche das eiserne Bekenntnis der Vereinigten Staaten zur Verteidigung Israels, teilte das US-Verteidigungsministerium mit. Die USA hatten im vergangenen Jahr angesichts des eskalierten Nahost-Konflikts bereits eine Batterie des Raketenabwehrsystems in die Region verlegt, nicht aber nach Israel selbst.
Unterdessen feuerte die Hisbollah nach Angaben der israelischen Armee in der Nacht erneut Raketen auf den Norden Israels ab. Demnach fing die Luftabwehr ungefähr fünf aus dem Libanon kommende Geschosse erfolgreich ab. Zuvor hatten in der Bucht von Haifa und umliegenden Gemeinden die Warnsirenen geheult. Laut der Times of Israel waren die Explosionen der Abwehrgeschosse am Nachthimmel über Haifa zu sehen. (dpa)
Erneut Dutzende Tote im Libanon
Im Libanon wurden derweil bei israelischen Angriffen erneut Dutzende Menschen getötet. Am Samstag seien in verschiedenen Regionen des Landes 51 Menschen getötet worden, teilte das Gesundheitsministerium am Sonntagabend mit. 174 Menschen seien verletzt worden. Auch drei Soldaten der regulären libanesischen Streitkräfte erlitten nach Angaben der Armee Verletzungen.
Die libanesische Armee ist selbst nicht aktiv an dem Konflikt zwischen der Hisbollah und dem israelischen Militär beteiligt. Nicht sie ist der erklärte Kriegsgegner Israels, sondern die Hisbollah. Insgesamt sind seit Ausbruch der Gefechte zwischen der Hisbollah und Israels Militär vor gut einem Jahr nach libanesischen Angaben mehr als 2.300 Menschen im Libanon getötet und knapp 10.700 verletzt worden.
Unterdessen griff Israels Luftwaffe nach eigenen Angaben erneut eine Kommandozentrale der mit der Hisbollah verbündeten Hamas im Gazastreifen an. Sie habe sich im Zentrum des abgeriegelten Küstenstreifens in einem Gebäude befunden, das früher als Krankenhaus gedient habe, teilte die Armee in der Nacht auf Telegram mit. Palästinensischen Berichten zufolge kamen mehrere Menschen ums Leben, mehrere Zelte seien in Brand geraten. Weder diese Angaben noch die der israelischen Armee ließen sich unabhängig überprüfen. (dpa)
Polio-Impfung im Gazastreifen geht in zweite Runde
Am Montag soll im Gazastreifen die zweite Runde der Impfungen gegen Kinderlähmung beginnen. Nach UN-Angaben sollen rund 590.000 Kinder unter zehn Jahren geimpft werden. Israel und die UN-Organisatoren vereinbarten dafür gebietsspezifische humanitäre Feuerpausen. Die Polio-Impfungen müssen in zwei Dosen verabreicht werden, eine erste Runde hatte es bereits Anfang September gegeben. Im Sommer war der erste Polio-Fall seit 25 Jahren in dem abgeriegelten Palästinensergebiet entdeckt worden, das im Gaza-Krieg zu großen Teilen verwüstet worden ist. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS