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Denis Kapustin in der Ukraine getötetRussische Neonazis verlieren ihren Vorkämpfer

Der russische Neonazi Denis Kapustin, der auch in Deutschland lebte, kämpfte aufseiten der Ukraine gegen Moskau. Nun wurde er an der Front getötet.

Denis Kapustin, hier im Mai 2023 bei einer Lagebesprechung mit seinen RDK-Kämpfern Foto: Ukrinform/imago

Denis Kapustin sei an der Front „heldenhaft gefallen“, als er in der Nacht des 27. Dezembers von einer russischen Drohne im südostukrainischen Saporischschja getötet worden sei. So schreiben es seine Kader auf dem Messengerdienst Telegram, samt schwarzweißem Foto des russischen Neonazis in Kampfmontur.

Das Leben Kapustins war ein widersprüchliches: 1984 in Moskau geboren, kam er 2001 mit seiner Familie nach Köln – offiziell als jüdischer Kontingentflüchtling. Seine angeblich jüdische Identität spielte in seinem Leben offenbar keine Rolle. Stattdessen avancierte er unter dem Namen Denis Nikitin schnell zu einer Schlüsselfigur der extremen Rechten.

Ungefähr 2007 soll Kapustin wieder nach Russland gezogen sein, wo er sich russischen Fußballhooligans und Neonazis anschloss. Es gab immer wieder Gerüchte, dass er Kontakt zu russischen Geheimdiensten gehabt habe, bestätigen lässt sich das aber nicht. In den folgenden Jahren pflegte er weiterhin seine rechtsextremen Netzwerke in Europa, bot Waffentrainings an, organisierte Kampfsportevents und reiste auch regelmäßig nach Deutschland.

Bekannt wurde Kapustin vor allem durch seine 2008 gegründete Kampfsportmarke „White Rex“ – inzwischen ein begehrtes Szene-Label für gewaltaffine Rechtsextreme. Zu den Motiven gehören schwarze Sonnen und SS-Witze (Kapustin selbst dementierte, Neonazi zu sein).

Teil der Organisierten Kriminalität

2017 verlor Kapustin seine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland und zog, wie einige russische Neonazis, in die Ukraine. Dort wurde er offenbar Teil der organisierten Kriminalität: 2018 wurde er als mutmaßliches Mitglied eines Drogenrings festgenommen, das Verfahren wurde jedoch aus unbekannten Gründen eingestellt.

Kapustin diente als inoffizieller Botschafter der rechtsextremen Asow-Bewegung, aus der das gleichnamige Bataillon hervorging, bevor es in die ukrainischen Streitkräfte eingegliedert wurde. Dabei halfen seine Kontakte ins Ausland, auch wenn er seit 2019 nicht mehr selbst in den Schengen-Raum einreisen durfte.

Kurz nachdem Russland die Ukraine im Februar 2022 überfallen hatte, rekrutierte Kapustin rechtsextreme Freiwillige über Telegram, um gegen Russland zu kämpfen. Sein Ziel: das Putin-Regime zu stürzen, um ein völkisch reines Russland wiederaufzubauen.

Im selben Jahr rief er das Russische Freiwilligenkorps ins Leben, kurz RDK – eine paramilitärische Gruppe, die Teil der internationalen Legion der Ukraine sein soll und überwiegend aus neonazistischen Exil-Russen besteht, die sich aus ihren eigenen Gründen dem Kampf gegen Putin angeschlossen haben (auf russischer Seite kämpfen wiederum auch mehrere Neonazi-Gruppen gegen die Ukraine).

Gewagte Aktionen auf russischem Territorium

Internationale Bekanntheit erlangte das RDK, als Kapustin und seine Kader 2023 ein russisches Grenzdorf in Brjansk überfielen. Es folgten weitere gewagte Aktionen auf russischem Territorium – davon postete Kapustin Live-Updates und Selfies in den sozialen Medien.

Aufmerksamkeit zu generieren – das war eine Stärke Kapustins. Das RDK dürfte nicht einmal 200 Kämpfer zählen, dessen Telegram-Kanal hat aber über 120.000 Follower

Aufmerksamkeit zu generieren – das war eine Stärke Kapustins. Das RDK dürfte schätzungsweise nicht einmal 200 Kämpfer zählen, dessen Telegram-Kanal hat aber inzwischen über 120.000 Follower, eine Zahl, die nach solchen öffentlichkeitswirksamen Einsätzen immer wieder deutlich anstieg.

In der internationalen Neonazi-Szene wird Kapustin nun betrauert. „Wir werden dich rächen, Denis“, schreiben seine Mitkämpfer beim RDK auf Telegram. „Dein Vermächtnis lebt weiter.“ Der Post hat bereits mehr als eine Million Aufrufe.

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6 Kommentare

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  • Im Großen und Ganzen erscheint nicht nur unsere Außenpolitik als Abfolge von Bündnissen mit schlechten Menschen gegen vermeintlich oder real noch schlechtere Menschen.



    Es scheint davon praktisch keinerlei Ausnahme und auch keine "rote Linie" zu geben, wenn eben der Zweck die Mittel heiligt.



    Folgt die allfällige Forderung dazu, daß Deutschland oder die EU stärker in die Weltpolitik eingreifen mögen, eigentlich einem wirklich brauchbaren oder gar moralisch gebotenen Ziel?

  • Seit wann ķämpfen russische Neonazis auf Seiten der Ukraine? So ganz passt das nicht zusammen.

    • @Nachtsonne:

      Offenbar seit mindestens 2022, s. Artikel. Auch bei Kartoffelnazis war die Bewertung des russischen Angriffskriegs uneinheitlich.

    • @Nachtsonne:

      Ist ja nur ein Teil. Und das passt schon zusammen.

  • Es wäre mal an der Zeit, wenn die taz die rechte Szene der Ukraine untersuchen würde.

    • @Peter Teubner:

      Hat sie ausgiebig getan, es ist hinlänglich bekannt, dass es in der Ukraine nicht wenige Rechtsradikale gibt. In Deutschland übrigens auch, wahrscheinlich sogar deutlich mehr. Und bsonders viele, besonders gewalttätige Rechte verschiedenster Fraktionen gibt es in Russland, das wissen Sie aber ja sicherlich.