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SPD-Politiker zur Aktienrente„Aktien verteufele ich nicht“

SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf findet private Altersvorsorge gut. Er kann sich auch staatliche Pensionsfonds vorstellen – mit klaren Regeln.

„Die gesetzliche Rente ist und bleibt das Herzstück der Altersvorsorge in unserem Land“: Tim Klüssendorf im Willy-Brandt-Haus Foto: Hannes Jung
Anna Lehmann

Interview von

Anna Lehmann

taz: Herr Klüssendorf, die Koalition will die private Altersvorsorge stärker fördern. Menschen sollen für ihre Rente frühzeitig Aktien kaufen. Ist das endlich die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen, wie Friedrich Merz im besten marxistischen Sinne verkündet hat?

Tim Klüssendorf: Es ist auf jeden Fall ein richtiger Schritt. Denn es ist eine Frage der Gerechtigkeit und verringert die Gefahr der Altersarmut, wenn wirklich alle besser fürs Alter versorgen können. Wir schaffen Anreize dafür, dass sich auch Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen während des Erwerbslebens am Kapitalmarkt etwas ansparen können. Das Ziel ist, dass man schon mit ein paar Euro pro Monat starten kann.

taz: Die SPD galt bislang als Bewahrerin der gesetzlichen Rente und hatte immer Vorbehalte gegen die Aktienrente. Ein Missverständnis?

Klüssendorf: Die gesetzliche Rente ist und bleibt das Herzstück der Altersvorsorge in unserem Land. Wir kämpfen weiterhin hart dafür, dass sie stark bleibt und die Menschen sich weiterhin auf ein stabiles Rentenniveau verlassen können. Das konnte jeder in den letzten Wochen sehen. Richtig ist aber auch, dass die Altersvorsorge in Deutschland historisch gewachsen aus mehreren Säulen besteht. Dazu gehören auch betriebliche und private Altersvorsorge. Entscheidend ist, dass sie die gesetzliche Rente ergänzen und nicht ersetzen.

Im Interview: Tim Klüssendorf

geboren 1991 in Lübeck, ist seit 2025 Generalsekretär der SPD. Der studierte Volks- und Betriebswirt ist zudem direkt gewählter Abgeordneter des Deutschen Bundestages und Mitglied der Parlamentarischen Linken der SPD-Fraktion.

taz: Sie haben also gar nichts gegen Aktien?

Klüssendorf: Aktien verteufele ich nicht. Es handelt sich am Ende um die Aufteilung von Unternehmen in unterschiedliche Eigentümer. Ich wünsche mir aber deutlich mehr Transparenz. Viele Leute wissen doch heute nicht, in welche Produkte sie investieren und wie der Finanzmarkt genau funktioniert. Dieses Wissen ist oft denen vorbehalten, die ohnehin viel Geld haben. Das ist ehrlich gesagt ein großer Missstand.

taz: Eine Grundregel lautet, wer in Aktien investiert, sollte Geld übrig haben, denn es besteht immer die Gefahr, dass das Geld weg ist oder der Wert der Aktie zumindest sinkt. Wieso sollen jetzt auch Menschen, die jeden Cent umdrehen müssen, dieses Risiko eingehen?

Klüssendorf: Uns geht es bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge um Verlässlichkeit. Die Idee der Reform ist, über einen langen Zeitraum mit einem breit gestreuten Portfolio risikoarm in die Rente zu investieren. Es geht eben nicht um die Rekord-Rendite und den kurzfristigen Gewinn, sondern um langfristige Stabilität.

taz: Selbst die gern als Vorbild für Verlässlichkeit zitierten schwedische Pensionsfonds sind dem Risiko der Kursverluste ausgesetzt. 2023 machte der größte Pensionsfonds Alecto 1,7 Milliarden Euro Verlust. Wäre das Geld der Menschen nicht besser aufgehoben im gesetzlichen System?

Klüssendorf: Ein staatlicher Pensionsfonds unterscheidet sich von einer privaten Altersvorsorge. Aus meiner Sicht sind übrigens vor allem Investitionen sinnvoll, die auch dem Gemeinwohl dienen, wie zum Beispiel Breitbandausbau, Energieversorger oder Infrastrukturprojekte.

Reformfragen

Nötig? Die große Mehrheit der Bevölkerung hält laut einer Umfrage eine grundlegende Rentenreform für nötig – das Vertrauen in die Bundesregierung ist diesbezüglich aber gering. Das geht aus einer Befragung des Instituts Civey für die Zeitungen der Funke-Mediengruppe hervor. Civey befragte dafür online rund 5.000 Bundesbürgerinnen und Bundesbürger ab 18 Jahren. Demnach halten 82 Prozent eine grundlegende Reform der gesetzlichen Rente für erforderlich. 9 Prozent verneinen dies – weitere 9 Prozent zeigen sich unentschieden.

Fähig? Nur 20 Prozent trauen einer schwarz-roten Bundesregierung zu, so eine grundlegende Rentenreform auf den Weg zu bringen. 69 Prozent trauen dies Schwarz-Rot nicht zu – 11 Prozent zeigen sich unentschieden.

Beitragsjahre statt Lebensalter? 60 Prozent hielten es für richtig, wenn sich der Renteneintritt nicht am Lebensalter, sondern an der Zahl der Beitragsjahre orientieren würde. 24 Prozent sprechen sich gegen einen entsprechenden Vorschlag aus – 16 Prozent zeigen sich unentschieden. 81 Prozent sind dafür, dass auch Beamte, Selbstständige und Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. 12 Prozent sind dagegen, 7 Prozent sind hier unentschieden.

Und jetzt? Der Bundesrat hatte vor Weihnachten den Weg für das Rentenpaket der schwarz-roten Koalition freigemacht. Das Gesetz zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zur vollständigen Gleichstellung der Kindererziehungszeiten kann somit nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten am 1. Januar in Kraft treten. Zwei Tage zuvor hatte das Bundeskabinett eine Rentenkommission eingesetzt. Sie soll Vorschläge machen, wie die Altersvorsorge gesichert und eine Überlastung von Beitrags- und Steuerzahlern vermieden werden kann. (dpa)

taz: Ist eine solche Gemeinwohlorientierung auch vorgesehen bei den Produkten, die der Staat für die private Altersvorsorge bezuschussen will?

Klüssendorf: Denkbar ist vieles, die genaue Ausgestaltung liegt im Bundesfinanzministerium und wird dann im parlamentarischen Verfahren finalisiert.

taz: Die schwedischen Pensionsfonds investieren auch in den Berliner Wohnungsmarkt und kaufen Wohnungen auf. Für die einen steigen die Renten, für die anderen die Mieten. Das heißt, irgendwer zahlt am Ende drauf, oder?

Klüssendorf: Auch Pensionsfonds sollten sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sein. Wenn der Staat in großem Umfang am Kapitalmarkt investiert, braucht es sehr klare Regeln. Ein solcher Pensionsfonds ist jedoch im aktuellen Gesetz nicht vorgesehen.

taz: Wären Sie dafür? Das wäre das Generationenkapital reloaded, welches die FDP in der Ampel wollte.

Klüssendorf: Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Staat eine zweistellige Milliardensumme am Aktienmarkt investiert, um die gesetzliche Rente aus den Erträgen zu stabilisieren – allerdings nur unter sehr klaren Vorgaben.

taz: Der letzte Versuch einer staatlich geförderten privaten Altersvorsorge gilt als gescheitert. Die Riesterrente war vor allem ein Geschenk für die Versicherungswirtschaft, die hohe Gebühren kassierte. Wieso jetzt ein neuer Anlauf?

Klüssendorf: Das ist der Kern des neuen Vorschlags, dass Gebühren und Nebenkosten gedeckelt werden. Dadurch sollen die Erträge für die Anleger am Ende höher ausfallen.

taz: Für Menschen, die keine 30 oder 40 Euro am Monatsende übrig haben, wäre eine private Altersvorsorge keine Option. Und das sind doch genau die, die später sehr wahrscheinlich auch in Altersarmut leben werden.

Klüssendorf: Deshalb sind ja die drei Säulen so zentral. Für die, die heute von Armut betroffen sind und sehr niedrige Renten haben werden, brauchen wir dringend Verbesserungen in der gesetzlichen Rente. Denkbar wäre, sehr niedrige Einkommen stärker zu berücksichtigen, in dem zum Beispiel dort Rentenpunkte mehr wert sind oder kleinere Renten stärker wachsen als größere. Auch das ist ein Vorschlag, den die Rentenkommission mutig diskutieren sollte. In die Kommission setze ich große Hoffnungen.

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3 Kommentare

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  • Na junger Mann! Remember? Zu jung - wa!

    "Wir werden die Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen." Altbundeskanzler G. Schröder (SPD)



    & sodele



    Nun schröderhartzense hier mal nich so auf bertelmannesich voll dumm dreist rum! Woll

    Einmal GazPromGerd & PuffreisenPeter et al.



    Reicht! Newahr



    Braucht kein 🐽 - wa!



    Nö. Normal nich •

    unterm——-



    Rentenexperte Otto Teufel



    Einer schuftet im Augiasstall



    Der Bruder von Fritz Teufel ist einer der versiertesten, kritischsten Rentenexperten Deutschlands. Seit 30 Jahren kämpft er gegen die Rechentricks der Rentengesetzgebung.



    Von Gabriele Goettle

  • Dieser Herr ist an Ahnungslosigkeit nicht zu toppen.