Bericht zu Rüstungspolitik: Kirchen kritisieren Waffenexporte
Der alternative Rüstungsbericht sieht Rückschritte in der Exportpolitik. Waffenlieferungen nach Israel sehen die Kirchen als verfrüht.
Union und SPD haben im Koalitionsvertrag festgelegt, Waffenexporte stärker an Deutschlands wirtschaftspolitischen Interessen auszurichten. Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) kritisiert dies als „deutlichen Rückschritt“ im Vergleich zur Politik der Ampelregierung. In ihrem am Mittwoch vorgestellten alternativen Rüstungsexportbericht fordert die Fachgruppe, Menschenrechte und Demokratie im Zielland bei Waffenlieferungen in den Vordergrund zu stellen.
„Wir befürchten, dass die Bundesregierung unter dem Schlagwort der strategischen Rüstungsexporte Lieferungen an Länder genehmigt, die aus menschenrechtlicher Perspektive hochproblematisch sind“, sagte Max Mutschler, Wissenschaftler am Bonner Konfliktforschungsinstitut BICC und Vorsitzender der GKKE-Fachgruppe für Rüstungsexporte. Insgesamt stehe es „nicht gut“ um die Transparenz bei Waffenlieferungen, auch wenn die neue Regierung ihre Exportbilanz für das Vorjahr früher vorgelegt habe als die Ampelregierung.
2024 genehmigte die Bundesregierung Rüstungsexporte im Wert von 15,7 Milliarden Euro. Fast 90 Prozent davon (11,4 Milliarden Euro) gingen an Staaten außerhalb von Nato und EU, darunter Waffen im Wert von 8 Milliarden Euro an die Ukraine. Weitere Großabnehmer waren Singapur, Algerien und die Türkei.
Kritik an Waffenlieferungen nach Israel
Die GKKE betonte ausdrücklich die Legitimität der Waffenlieferungen an die Ukraine. „Das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine ist unbestritten und kluge und verantwortliche Waffenlieferungen sind leider weiterhin wichtig“, erklärte Karl Jüsten, der katholischer Vorsitzende der Arbeitsgruppe. Deutschlands Waffenlieferungen an die Ukraine sind zuletzt immer weiter gestiegen: 2023 lagen sie bei rund 4,4 Milliarden Euro. Für 2026 hat die Koalition im Haushalt 11,5 Milliarden Euro für die Ukrainehilfen eingeplant.
Kritisch sehen die Kirchen die von der Bundesregierung wieder ermöglichten Rüstungsexporte nach Israel. Jüsten bezeichnete die Aufhebung des deutschen Teilembargos als „verfrüht“. „Die GKKE fordert die Bundesregierung dazu auf, auch nach dem sehr fragilen Waffenstillstand keine Rüstungsgüter nach Israel zu liefern, die im Gazastreifen eingesetzt werden können“, hieß es.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte im August wegen der Lage im Gazastreifen deutsche Waffenexporte nach Israel eingeschränkt. Der Stopp galt jedoch nur dreieinhalb Monate und wurde am 23. November mit Verweis auf die Waffenruhe aufgehoben.
Die israelische Kriegsführung im Gazastreifen sei in vielen Punkten nicht mit den Anforderungen des humanitären Völkerrechts in Einklang zu bringen, insbesondere im Umgang mit der Zivilbevölkerung, sagte Jüsten. Bereits im vergangenen Jahr habe die GKKE deutlich gemacht, dass bei aller Legitimität der Selbstverteidigung Israel wie alle anderen Staaten der Welt auch an die Einhaltung des humanitären Völkerrechts gebunden sei.
Kritisch sieht die Arbeitsgruppe auch Ankündigungen von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), Rüstungsexporte nach Indien zu erleichtern. „Deutsche Waffen könnten dort in innerstaatlichen Konflikten eingesetzt werden“, sagte Anne Gidion, die evangelische Vorsitzende der GKKE. Laut der Arbeitsgruppe zählt Indien weltweit zu größten Rüstungsimporteuren: Zwischen 2020 und 2024 entfielen rund 8,3 Prozent der globalen Waffeneinfuhren auf das Land – zum großen Teil aus Russland.
Die GKKE bezweifelt, dass Deutschland mit seinen Lieferungen Indien näher an den Westen anbinden könne. Mit den Exporten an das Land drohe stattdessen eine Aushöhlung der internationalen Exportnormen, da Indien auch nicht Teil des internationalen Arms Trade Treaty (ATT) sei.
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