Ehemaliger US-Botschafter: „Dieser Plan ist zum Scheitern verurteilt“
Die USA und Russland sollen einen neuen Friedensplan für die Ukraine ausgearbeitet haben. Für den US-Diplomaten Kurt Volker ist er die „Ausformulierung der russischen Position“.
taz: Botschafter Volker, was halten Sie von dem in den US-Medien zitierten Friedensplan für die Ukraine, den die USA und Russland im Geheimen ausgehandelt haben sollen?
Kurt Volker: Ich glaube, dass dieser Friedensplan, dieser angebliche 28-Punkte-Plan, wenn er wirklich all die Dinge enthält, die aus den Medien bekannt sind, keine Chance auf Erfolg hat. Er ist im Grunde nichts anderes als die Ausformulierung der russischen Position. Ich sehe keine Möglichkeit, dass die Ukraine dem zustimmen könnte. Ich sehe auch keine Möglichkeit, dass die Europäer dem zustimmen würden. Und es ist auch sehr interessant, dass sich Präsident Trump bisher überhaupt nicht dazu geäußert hat, was mich vermuten lässt, dass er weiß, dass dieser Plan zum Scheitern verurteilt ist und er sich davon distanzieren will. Ich gehe daher davon aus, dass dieser Plan keine konkreten Ergebnisse liefern wird.
ist ein führender Experte für Außen- und Sicherheitspolitik der USA mit über 35 Jahren Erfahrung in Regierung, Wissenschaft und Privatwirtschaft. Von 2017 bis 2019 war er Sonderbeauftragter der Vereinigten Staaten für die Ukraine-Verhandlungen und von 2008 bis 2009 Botschafter der Vereinigten Staaten bei der NATO. Er ist ist Gründer und Präsident von Alliance Strategic Advisors, LLC, einem Unternehmen, das strategische Beratung und Dienstleistungen für eine Vielzahl von Geschäftskunden mit Interessen in Mittel- und Osteuropa anbietet. Gleichzeitig ist er Distinguished Fellow am Center for European Policy Analysis, Gründungspartner der American University of Kyiv und Senior International Advisor der BGR Group.
taz: Wenn sich Trump aufgrund der geringen Erfolgsaussichten, wie sie sagen, von diesem Plan distanzieren will, warum geht die Regierung diesen Weg und verhandelt über die Köpfe der Ukraine hinweg mit Moskau?
Volker: Ich vermute, dass Präsident Trump zu seinem Spezialbeauftragen für Friedensfragen, Steve Witkoff, und Vizepräsident JD Vance sagte: „Versucht es ruhig, aber erwartet nicht, dass dabei was herauskommt.“ Die Details sind problematisch, aber selbst der Prozess an sich ist problematisch: Erst mit den Russen etwas auszuhandeln und dann den Ukrainern zu sagen: „So, hier ist das Ergebnis“. Das kann nicht funktionieren. Und ich glaube, Trump versteht das, doch es mangelt an alternativen Ideen.
taz: Was denken Sie allgemein über die Strategie der Trump-Regierung, wenn es um die ukrainischen Friedensbemühungen geht?
Volker: Ich würde sagen, dass Präsident Trump eine ganz klare Linie verfolgt. Er hat immer betont, dass sein Ziel ein Ende des Konflikts sei. Er hat versucht, die Idee eines sofortigen Waffenstillstands gegenüber der Ukraine schmackhaft zu machen. Er hat auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und der Ukraine vorangetrieben, das Mineralienabkommen und Investitionsfonds sind Beispiele dafür. Außerdem hat er Europa dazu gebracht, deutlich mehr für Verteidigung auszugeben und eine Koalition der Willigen auf die Beine zu stellen, die bereit ist, amerikanische Waffen und Munition für die Ukraine zu kaufen. Er hat auch versucht, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einem Waffenstillstand oder zu Friedensverhandlungen zu bewegen, und genau da liegt seine Frustration. Putin weigert sich.
taz: Sie sprachen gerade von Frustration. Es ist nicht das erste Mal, dass die USA und Russland ohne Einbindung europäischer Verbündeter oder der Ukraine über einen Friedensplan verhandeln. Warum hält die Trump-Regierung trotzdem an dieser Vorgehensweise fest?
Volker: Das ist eine gute Frage, ich denke, Trump will derzeit noch keinen maximalen Druck auf Putin ausüben, weil er noch immer an Friedensabkommen glaubt. Und zu viel Druck auf Putin würde dies nur erschweren. Da Putin jedoch nichts unternimmt, um den Konflikt zu beenden, wendet sich Trump immer wieder an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der Hoffnung, dass dieser im Gegensatz zu Putin nachgeben könnte.
taz: Auch wenn sie bei den Verhandlungen nicht am Tisch sitzen, welche Rolle spielt Europa aus amerikanischer Sicht beim Versuch den Konflikt zu beenden?
Volker: Ich denke, das Ziel muss weiterhin Waffenstillstand heißen. Wenn wir das erreichen können, müssen wir Mechanismen zur Abschreckung einrichten, und das wird große Anstrengungen von vielen europäischen Ländern erfordern, nicht nur von Deutschland, sondern auch von Großbritannien, Frankreich, Schweden, Polen und vielen anderen. Viele Länder werden sich engagieren müssen, um sicherzustellen, dass jeder Waffenstillstand auch zu einem dauerhaften Waffenstillstand wird.
taz: Braucht es dafür amerikanische Tomahawk-Waffensysteme und die Freigabe, diese Langstreckenwaffen gegen Ziele tief im Inneren Russlands einzusetzen?
Volker: Ja, natürlich. Wir müssen Putin einen Grund dafür geben, den Krieg zu beenden. Im Moment, denke ich, sieht er keinen. Er glaubt, er könne weiterkämpfen und ungestraft davonkommen. Zwei Dinge sind aus meiner Sicht deshalb entscheidend: Sanktionen, insbesondere Sekundärsanktionen, durch die Personen, die mit russischem Öl und Gas handeln, von internationalen Finanzinstitutionen ausgeschlossen würden. Das wäre das Eine. Und das Andere wären Langstreckenraketen und Angriffe mit großer Reichweite.
taz: Keith Kellogg, der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine, wird im Januar von seinem Posten zurücktreten. Welche Auswirkungen könnte dies haben?
Volker: Es ist eine befristete Position, daher war allen klar, dass Kellogg im Januar ausscheiden könnte. Ich denke, die Regierung hätte eine Lösung finden können, um ihn zu halten, wenn sie gewollt hätte. Ich vermute, der Grund dafür ist sein Unmut darüber, dass ein Friedensplan wie dieser ohne seine Beteiligung ausgearbeitet und vorgeschlagen wurde, obwohl er Präsident Trumps Sonderbeauftragter für die Ukraine ist. Sein Rücktritt sollte allerdings keinen großen Einfluss haben. Präsident Trump ist der einzige Entscheidungsträger in dieser Regierung. Er gibt den Ton an.
taz: Als ehemaliger Sonderbeauftragte für ukrainische Verhandlungen, was glauben Sie, wie geht’s weiter?
Volker: Ich glaube, wenn wir, wie bereits erwähnt, genügend Druck auf Putin ausüben – mit Sanktionen und der Fähigkeit, Ziele tief in Russland anzugreifen –, dann können wir ihn zu einem Waffenstillstand bewegen. Doch auch dann glaube ich nicht, dass Putin sein Vorhaben einer vollständigen Übernahme der Ukraine einfach aufgeben würde. Wir müssen also unsere Fähigkeiten und unsere Abschreckungsmaßnahmen ausweiten, um die nächsten russischen Angriffe zu verhindern. Und ich denke, das ist machbar. Ich glaube, das ist der Punkt, an dem wir nächstes Jahr ankommen werden.
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