Streit um gerechte Löhne: Duisburger Hafenbeschäftigte wollen Tarifvertrag
Die Duisburger Hafen AG gehört dem Land NRW und der Stadt Duisburg. Einen Tarifvertrag lehnt der Hafenchef ab – zum Ärger der Bundesarbeitsministerin.
SPD-Chefin Bärbel Bas scheint wenig amüsiert, wenn sie auf den drohenden Arbeitskampf bei der Duisburger Hafen AG blickt. Die ist einer der wichtigsten Arbeitgeber ihrer Heimatstadt. „Tarifbindung ist ein Kernstück unserer sozialen Marktwirtschaft“, erklärt die mächtigste Sozialdemokratin der Republik auf taz-Anfrage. „Wer unter einem Tarifvertrag arbeitet, verdient mehr und hat bessere Arbeitsbedingungen“, sagt Bas. Als Bundesministerin für Arbeit und Soziales setze sie sich deshalb „mit Überzeugung dafür ein, die Tarifbindung in Deutschland zu stärken“.
Doch bei der Duisburger Hafen AG, die zu zwei Dritteln dem schwarz-grün regierten Land Nordrhein-Westfalen und zu einem Drittel der SPD-geführten Stadt Duisburg und damit vollständig der öffentlichen Hand gehört, interessiert das die Chefetage wenig. Der Vorstandsvorsitzende Markus Bangen lehnt die Forderung der Gewerkschaft Verdi nach Abschluss eines Tarifvertrages gänzlich ab. Die Hafen AG habe „keinerlei Rückmeldungen von Mitarbeitenden erhalten, dass Interesse an einer gewerkschaftlichen Betreuung / Vertretung besteht“, lässt er sich im Lokalteil der Westdeutschen Allgemeinen zitieren. Mit der taz wollte Bangen über das Thema Tarifvertrag nicht sprechen.
Doch eine Umfrage, die Verdi mit über 200 Beschäftigten im Duisburger Hafen durchgeführt hat, kommt zu einem ganz anderen Ergebnis: 95 Prozent wollen einen Tarifvertrag. Denn im Vergleich zu anderen Häfen wie etwa Wilhelmshaven wird in Duisburg schlecht bezahlt. Mitarbeiter, die ihren Namen aus Angst vor Repressionen erst einmal nicht in der Zeitung sehen wollen, berichten von Gehältern zwischen 2.750 und 2.900 Euro brutto.
Mitarbeitende kritisieren schlechte und ungerechte Bezahlung
In Wilhelmshaven seien dagegen bis zu 5.000 Euro drin, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretär Sören Brandes. Unverständlich sei die Verweigerungshaltung des Hafen-Chefs, findet Brandes – schließlich gebe es in den öffentlichen Hafenbetrieben etwa in Köln, Neuss und Emmerich „selbstverständlich“ Tarifverträge.
In Duisburg werde dagegen kein Weihnachtsgeld gezahlt, klagen Arbeiter und Kranführer, die bei Regen und Kälte jeden Tag an der Hafenkante im Einsatz sind. Auch die betriebsintern unterschiedliche Bezahlung nerve: „Die Gehälter werden hier gewürfelt“, sagt einer. „Wer schlecht verhandeln kann, hat eben Pech.“
Dazu kämen miese Arbeitsbedingungen, etwa durch erst in der letzten Minute veröffentlichte Arbeitspläne im Drei-Schicht-System: So sei zum Beispiel der Schichtplan für November erst am 28. Oktober veröffentlicht worden. „Wie soll man da sein Leben planen“, ärgern sich die Arbeiter. Unter dem Slogan „Volle Container – leere Taschen“ haben sie deshalb vor dem Duisburger Rathaus demonstriert, in dem Oberbürgermeister Sören Link regiert. Ein Hoffnungsträger der SPD in NRW: Der 49-Jährige gilt als möglicher Herausforderer von CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst bei den anstehenden Landtagswahlen im Frühjahr 2027.
Von ihrem eigenen, arbeitgebernah agierenden Betriebsrat bekommen die Beschäftigten keine Unterstützung. Der Arbeitnehmervertretung sei die Forderung nach einem Tarifvertrag schlicht nicht bekannt: „Auf uns ist keiner der Kollegen zugekommen“, erklärte etwa die stellvertretende Betriebsratschefin Nadine Krischer – wiederum im Lokalteil der WAZ.
Betriebsräte im Konzern schockiert über Verdi
Karl-Heinz Wich-Kühnlein, der Konzernbetriebsratsvorsitzende, sagte, die Gewerkschaft Verdi habe keine Ahnung von der Hafen AG, an der indirekt über 50.000 Jobs hingen. Gegenüber der taz wollte er sich inhaltlich nicht äußern: „Ich werde diese Farce nicht weiter befeuern“, so Wich-Kühnlein in einem kurzen Telefonat. Die Betriebsräte seien „sehr schockiert über das Verhalten dieser Gewerkschaft“.
Auch die Landesregierung will sich nicht einmischen. Zwar habe man grundsätzlich „natürlich ein Interesse daran, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut bezahlt werden“, heißt es etwa aus dem Verkehrsministerium von NRW unter Oliver Krischer (Grüne). Dessen Staatssekretär Viktor Haase ist Vorsitzender des Aufsichtsratspräsidiums der Hafen AG. Allerdings sei „die Einführung von Tarifverträgen Sache der beteiligten Tarifparteien vor Ort“. Der aus Duisburg stammende Bundesvorsitzende der Grünen, Felix Banaszak, will sich ebenfalls nicht zu dem Thema äußern.
Auch die Duisburger Stadtverwaltung erklärte, die Einführung von Tarifverträgen sei Sache der beteiligten Tarifparteien vor Ort. Die Anfrage stellte die taz beim Stadtdirektor und Kämmerer Martin Murrack. Der sitzt ebenfalls im Aufsichtsrat der Hafen AG. Als Beisitzer im Landesvorstand der NRW-SPD beschreibt er „Gerechtigkeit“ als ein Thema, das ihm „besonders wichtig“ sei. Einschalten will sich Murrack trotzdem nicht: Die Stadt Duisburg sei „nicht Tarifpartei“ und werde „deshalb keine Empfehlung für oder gegen die Einführung eines Tarifvertrages“ aussprechen, so die Stadtverwaltung.
„Land und Stadt müssen über den Aufsichtsrat Druck machen“, fordert dagegen der Duisburger Bundestagsabgeordnete Mirze Edis von den Linken. Schlicht „absurd“ sei deren Zurückhaltung angesichts der von der Politik immer wieder geforderten Tarifverträge bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und des von Arbeitsministerin Bärbel Bas in den Bundestag eingebrachten Tariftreuegesetzes. Die Hafen AG, die Millionenüberschüsse erwirtschaftet, habe sich „in den letzten Jahrzehnten dumm und dämlich verdient“, sagt Edis, der früher Stahlarbeiter war. „Jetzt ist es Zeit, dass die Beschäftigten davon profitieren.“
Bas fordert Verhandlungen
Zwar äußert sich die Gewerkschaft Verdi noch nicht zu der Frage, ob sie bei den im kommenden Frühjahr anstehenden Betriebsratswahlen mit einer eigenen Liste antreten will oder gar ein Streik drohe – doch Edis ist sich schon heute sicher: „Die kommenden Betriebsratswahlen werden anders ausgehen.“ Auch im Duisburger Stadtrat wollen die Linken den Tarifstreit zum Thema machen. „Stadt und Land sind in der Pflicht, gerade die gewerblichen Arbeitnehmer zu schützen“, sagt Ratsfraktionschefin Barbara Laakmann (Die Linke).
Ähnlich klingt auch SPD-Bundeschefin Bärbel Bas: „Der konkrete Tarifkonflikt liegt in der Verantwortung von Land und Stadt als Anteilseigner“, findet die Bundesarbeitsministerin – und erteilt der Verweigerungshaltung von Hafen-Vorstandschef Bangen eine klare Absage. Sie erwarte, dass mit Hafen AG und Verdi „beide Seiten konstruktiv verhandeln und eine Lösung finden, die die Interessen der Beschäftigten und wirtschaftliche Stabilität gleichermaßen sichert“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert