Neuer Streit zwischen China und Japan: Pekings „Wolfskrieger“ nehmen Takaichi aufs Korn
Japans neue rechte Premierministerin Sanae Takaichi bricht ein Tabu in der Taiwan-Frage und erweist sich erneut als Stachel im Fleisch Chinas.
Chinas sogenannte "Wolfskrieger"-Diplomaten, die Anfang des Jahrzehnts jede Kritik an China öffentlich sehr aggressiv abschmetterten, waren eigentlich verschwunden. Aber nach einer Äußerung von Japans neuer Premierministerin Sanae Takaichi sind sie jetzt wieder aufgetaucht.
Die Regierungschefin hatte am letzten Freitag vor einem Parlamentsausschuss angedeutet, dass Japan militärisch reagieren würde, falls China Taiwan angreift. „Wenn dieser Notfall den Einsatz von Kriegsschiffen und die Ausübung von Gewalt beinhaltet, könnte dies in jeder Hinsicht eine Situation darstellen, die Japans Überleben bedroht“, sagte sie.
Diese Formulierung entsprach dem seit einigen Jahren gängigen Rechtsverständnis in Japan, zusammen mit den USA sein Recht auf kollektive Selbstverteidigung auszuüben. Japans Hoheitsgewässer reichen bis auf 110 Kilometer an Taiwan heran.
Xue Jian, chinesischer Generalkonsul in Osaka
China betrachtet die Inselrepublik als abtrünnige Provinz und rüstet sich militärisch für eine Blockade oder Invasion. Jede Aussage oder Handlung, die Taiwan als unabhängigen Staat erscheinen lässt, ist für Peking ein rotes Tuch, die angestrebte Einverleibung reine Innenpolitik. Deshalb wird jede Äußerung dazu von außen, die von Pekings Standpunkt abweicht, als Einmischung in innere Angelegenheiten dargestellt.
Chinesische Rhetorik im Angriffsmodus
Chinas Generalkonsul in Osaka, Xue Jian, schrieb jetzt zu Takaichi auf der Plattform X: „Der schmutzige Hals, der sich einmischt, muss abgeschnitten werden.“ Der Tweet wurde inzwischen gelöscht. Das Parteiorgan Volkszeitung (Renmin Ribao) verurteilte Takaichi als „rücksichtslos mit ihrer Zunge schießend“ und warnte: „Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass man in der Taiwan-Frage Grenzen überschreiten kann, ohne dafür einen Preis zu zahlen.“
Der Ex-Chefredakteur der chinesischen Boulevard-KP-Zeitung Global Times, Hu Xijin, sekundierte auf der Plattform Weibo: „Wenn der japanische Militarismus in die Taiwanstraße kommen will, um sich auf unseren Klingen zu opfern, werden wir ihm diesen Wunsch erfüllen." Ein Kanal im selben Medium, der zum Staatssender CCTV gehört, bezeichnete Takaichi als „Unruhestifterin“ und fragte rhetorisch: „Hat ihr ein Esel an den Kopf getreten?“
Der Streit berührt die historische Feindschaft zwischen China und Japan und die bestehende „strategische Unklarheit“ hinsichtlich der Souveränität Taiwans. Japans früherer Regierungschef Shinzo Abe, ein Mentor von Takaichi, hatte zwar erklärt, ein Notfall für Taiwan sei auch ein Notfall für Japan, aber ohne die genauen Umstände zu beschreiben.
Mit dieser Tradition hat Takaichi nun gebrochen. Auch intern erntete sie dafür Kritik. „Abe hätte niemals eine solche unvorsichtige Antwort gegeben“, zitierte die Zeitschrift President einen Ex-Minister aus Takaichis Partei. Durch die Nennung konkreter Beispiele habe sie Japans Karten unnötig auf den Tisch gelegt.
Japan will Schadensbegrenzung, China attackiert weiter
Tokio bemühte sich um Schadensbegrenzung. Takaichi erläuterte ihre Aussage als „hypothetisch“, sie werde sie künftig vermeiden. Auch ihr Kabinettschef wiegelte ab: Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße seien für Japan Sicherheit entscheidend, aber man hoffe auf eine friedliche Lösung durch Dialog.
Dessen ungeachtet forderte eine Sprecherin von Chinas Außenministerium am Donnerstag, Takaichi sollte ihre „ungeheuerlichen“ Aussagen zurücknehmen, sie hätten den Beziehungen einen schweren Schlag versetzt.
Die fortgesetzten Attacken verstärken den Eindruck, dass Peking Takaichi einschüchtern will, weil man sie als Nationalistin und Taiwan-Freundin wahrnimmt. Im April hatte sie Taiwans Präsident Lai Ching-te in Taipei getroffen.
Nach ihrer Wahl zur Premierministerin schickte Peking nicht den üblichen Glückwunsch, sondern forderte, Japan solle seine „Verpflichtungen in Bezug auf die Geschichte einhalten“. Diese Anspielung galt Takaichis Besuchen des umstrittenen Yasukuni-Gedenkschreins, der auch japanische Kriegsverbrecher ehrt. Chinas Präsident Xi Jingping verzog bei seiner Begegnung mit Takaichi Ende Oktober beim Apec-Gipfel in Südkorea keine Miene, die Atmosphäre wurde als frostig beschrieben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert