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Palantir in Baden-WürttembergGrüne protestieren

Das grün regierte Bundesland will die Polizeisoftware Palantir einsetzen. Protest, auch aus den eigenen Reihen, kommt ungelegen für Wahlkämpfer Özdemir.

Kretschmann und Özdemir haben doch a wengle Rückgrat gefunden Foto: Marijan Murat/dpa/picture alliance

Die Verträge sind längst geschlossen, doch erst jetzt regt sich in Baden-Württemberg vernehmbarer Protest gegen das Trump-nahe US-Unternehmen Palantir. Sowohl Teile der Grünen-Basis als auch Teile in der Zivilgesellschaft wollen verhindern, dass die baden-württembergische Polizei künftig mit Hilfe der Palantir-Software Gotham sensible Personendaten im großen Stil zusammenführt und analysiert. Für die Grünen ist der Zeitpunkt der Debatte denkbar schlecht.

Der Einsatz der Software komme einer permanenten Rasterfahndung gleich, warnt Sebastian Müller. Er ist Grünen-Mitglied und hat zusammen mit dem Chaos Computer Club eine Petition gestartet, die mittlerweile 13.000 Unterschriften zählt. Unterschriften sammeln derzeit auch Mitglieder in Grünen Kreisverbänden, um eine parteiinterne Abstimmung zu erzwingen. Stimmen von 10 Prozent der Mitglieder sind nötig.

Özdemir muss sich robust zeigen

Die Debatte an der Grünen-Basis erreicht die Partei zum denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Im heraufziehenden Wahlkampf will sich der Kandidat Cem Özdemir bei Sicherheitsthemen robust zeigen, um bürgerliche Kreise von sich zu überzeugen, ohne die man in Baden-Württemberg keine Wahlen gewinnt. Da macht es sich nicht gut, wenn der Eindruck entsteht, dass die Grünen der Polizei moderne Fahndungstechnik vorenthalten wollen.

Die fragwürdige Software, die unter Noch-Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) angeschafft wurde, macht es im großen Stil möglich, Daten, die der Polizei bereits vorliegen, zu verknüpfen und so beispielsweise Personen leichter zu identifizieren. Für ähnliche Zwecke setzen bereits die hessische, bayerische und nordrhein-westfälische Landespolizei Anwendungen des US-Konzerns ein. Nur Schleswig-Holstein sucht als einziges Bundesland nach europäischen Alternativen.

Im heraufziehenden Wahlkampf will sich der Kandidat Cem Özdemir bei Sicherheitsthemen robust zeigen

Die wohl letzte reale Chance, das Vorhaben in Baden-Württemberg zu stoppen, wäre das Polizeigesetz, das der Landtag am Mittwoch beschließen soll, in letzter Sekunde abzulehnen. Dass die Grünen jedoch so kurz vor der Landtagswahl eine Koalitionskrise riskieren, indem sie ein Lieblingsprojekt der CDU stoppen, ist unwahrscheinlich.

Dazu kommt: Die Software ist längst vom Land angeschafft. Ohne Verluste kommt man nicht mehr aus den Verträgen mit der Softwarefirma, die der amerikanische Milliardär, Trump-Freund und bekennende Demokratieverächter Peter Thiel gegründet hat. Als die grünen Landtagsabgeordneten im Frühsommer erst nachträglich von den Verträgen erfahren hatten, konnte der Grünen-Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz den Unmut in Partei und Fraktion nur mit Mühe einfangen und einen Koalitionsstreit abwenden.

Basis wirft den Regierungsgrünen „Trickserei“ vor

Am vorherigen Donnerstag hatte bereits der Petitionsausschuss des Landtags öffentlich über die Polizeisoftware verhandelt. Die Landes-Polizeipräsidentin Stefanie Hinz sprach sich dabei vehement für deren Einsatz aus. Sie versicherte, dass die Software an vom Netz isolierten Computern benutzt werde, sodass ein Datenabfluss unmöglich sei. Dies bestätigte Michael Weidner vom Fraunhofer-Institut für sichere Informationstechnologie. Hinz betonte auch, dass Mitarbeiter von Palantir nicht in direkten Kontakt mit personensensiblen Daten kämen. Alle externen Mitarbeiter würden zudem nach allgemeinem Behördenstandard sicherheitsüberprüft.

Und: Die Software werde nicht zur Strafverfolgung eingesetzt, sondern zur Prävention, so Hinz. Für Petitionsinitiator Müller ist das jedoch alles andere als eine Beruhigung. Prävention bedeute, dass prinzipiell „unser aller Daten“ im Netz von Palantir landen könnten. Baden-Württembergs Landesdatenschutz-Beauftragter Tobias Keber sagte zudem, dass es bisher keine Verwaltungsvorschrift für die Anwendung von Palantir gebe. Erst dann könne er die „Eingriffsqualität“ beurteilen. An der Grünen-Basis kritisiert man das intransparente Verfahren zur Einführung der Software insgesamt und wirft den Regierungsgrünen „Trickserei“ vor. Wenn man die Software verhindern wolle, müsse man es jetzt tun.

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8 Kommentare

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  • Wenn man wissen möchte warum es bergab geht:

    "Baden-Württembergs Landesdatenschutz-Beauftragter Tobias Keber sagte zudem, dass es bisher keine Verwaltungsvorschrift für die Anwendung von Palantir gebe."

  • Die Polizei-SW Palantir - ist es schon soweit? Moderne Fahndungstechnik? Dann ist ja alles gut. Für ein paar Prozente bei der Wahl werfen Kretsche und Özdemir die gesamte Bevölkerung eines Bundeslandes den Ami-Psychopathen und Demokratie-Killern zum Fraß vor. Was genau war nochmal die Definition von Demokratie? Auch im Ländle?

  • Möchte mir nicht ausmalen, was passiert, wenn so eine Überwachungssoftware in die Hände der künftigen AfD-Diktatur fällt. Stalin hätte seine Freude daran gehabt.

    • @Earth & Fire :

      Auch die Stasi hätte sich wohl sehr gefreut.



      "Das endgültige Aus für den DDR-Geheimdienst kam im Januar 1990. Mehr als 111 Kilometer Akten, 41 Millionen Karteikarten und über 1,7 Millionen Fotos blieben erhalten - außerdem annähernd 15.000 Säcke mit vernichtetem Aktenmaterial. Viele DDR-Bürgerinnen und DDR-Bürger beantragten Aktensicht: Sie wollten wissen, welche Rolle ihre Freunde oder ihre Familie gespielt hatten."



      Quelle dw.com



      Ob auch zukünftig elektronisch "Akteneinsicht" gewährt werden wird wird? Skepsis ist angebracht.

      "Der Plan von Innenminister Alexander Dobrindt, in Zukunft bundesweit auf die Palantir-Software setzen zu wollen, stößt in Deutschland auf Kritik. Allgemein wird das Programm von Datenschützern und Bürgerrechtlern kritisch gesehen, weil es einen tiefen Eingriff in die Privatsphäre zahlreicher Menschen vornehme.



      Auch bei der SPD und den Grünen sowie den Linken stößt Dobrindts Idee nur auf wenig Begeisterung. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz bezeichnete Dobrindt gegenüber dem „Stern“ in diesem Zusammenhang als „Lobbyist eines hochumstrittenen US-Unternehmens“.



      Quelle datenschutz.org

  • Dass man Daten, die bei verschiedenen Stellen liegen (oft in inkompatiblen Datenformaten) miteinander verknüpft ist ja erst einmal sinnvoll.



    Ob man dafür jetzt unbedingt auf Software des besagten Unternehmens zurückgreifen sollte, ist ein anderes Thema.

  • kurz - Na Mahlzeit - der k&k Oberminischdrande



    Leni-Moaischt - vorweg!



    “Verdraue isch scho gut!



    Aber Kondrolle isch halt abbr emmr no besser! Gell“

    unterm——



    Peter Unfried - Übernehmen Sie!



    Dank im Voraus •

    & Däh - das 2. K di Kretsche



    🤖 Mao Zedongs Herrschaft war von einer tiefgreifenden Kontrolle über die chinesische Gesellschaft geprägt, die durch eine totalitäre Ideologie, die Unterdrückung jeglicher Opposition und die Schaffung eines umfassenden Überwachungsapparates umgesetzt wurde. Er nutzte Massenkampagnen, Propaganda und Terror als zentrale Werkzeuge, um Denken, Handeln und Leben der Bevölkerung zu steuern, und etablierte Systeme wie die Basiseinheiten (Danwei) und die Hukou-Registrierung zur Überwachung des täglichen Lebens.



    & das 1. K ? =>



    🤖Die katholische Kirche übt Kontrolle über verschiedene Aspekte des Lebens ihrer Mitglieder aus, von moralischen Fragen bis hin zu internen Strukturen, wobei die Disziplinargewalt der Kirche nicht immer staatlicher Kontrolle unterliegt. Kritiker sehen in der mangelnden Kontrolle, insbesondere im Umgang mit sexuellem Missbrauch, eine Ursache für Vertuschungen, während die Kirche selbst an ihren traditionellen Lehren festhält.” •

  • Palantir, Thiel, nein, danke.

  • Ja, Özdemir muß robust sein, schließlich will ja AfD und Co. ein weiches Bettchen vorfinden, wenn sie dann mal die Regierung stellen.