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Rechter Angriff auf JugendhausHakenkreuze und AfD-Tags

Das Autonome Jugendhaus in Bargteheide ist am Wochenende erneut verwüstet worden. Unbekannte hinterließen rechtsextreme Symbole und AfD-Schriftzüge.

Hakenkreuze, AfD-Schriftzüge, zerstörte Elektrogeräte: Das Autonome Jugendhaus Bargteheide wurde am Wochenende verwüstet Foto: AJH

Umgekippte Stühle, vollgesprayte Musikboxen, durchnässte Sofas, eine eingeschlagene Fensterscheibe und Feuerlöscherschaum: In der Nacht zu Sonntag sind Unbekannte ins Autonome Jugendhaus (AJH) in Bargteheide in Schleswig-Holstein eingebrochen und haben die Innenräume verwüstet. An den Wänden in der Küche hinterließen sie mit blauer Sprayfarbe Hakenkreuze und AfD-Schriftzüge. Das sieht man auf Fotos, die der taz vorliegen.

Am Sonntagmittag hatten im AJH aktive Jugendliche den Einbruch entdeckt, sagt AJH-Sprecher Tjorben, 17, der taz. „Sämtliche Sitzmöbel wurden zerstört, der Boden ist aufgeweicht, die Induktionsherdplatten kaputt und der Stromkreis hat es leider nicht geschafft.“ Zudem habe es streng gerochen, die Tä­te­r*in­nen hätten Chlorreiniger aus dem Schrank genommen und über Elektronik, Möbel und den Boden verschüttet. Tjorben schätzt den Sachschaden für das Jugendhaus auf ein- bis zweitausend Euro. Zudem sei die Musikbox einer Privatperson mit Sprühfarbe beschmiert und ihr Dieselgenerator geklaut worden.

Das für politische Straftaten zuständige Kommissariat 5 der Bezirkskriminalinspektion in Lübeck hat die Ermittlungen aufgenommen. Die Be­am­t*in­nen ermitteln wegen des Verdachts der Sachbeschädigung und prüfen, ob ein Zusammenhang zu ähnlichen Taten in der Vergangenheit vorliegt.

Der Vorstand des AJH schreibt in einer Pressemitteilung von einem Angriff von „AfD-Sympathisanten“. Auch Tjorben, der seit einigen Jahren im AJH aktiv ist, geht von einem politisch motivierten Angriff aus.

Bargteheider Polizei erkannte kein politisches Motiv

Das hätten die Be­am­t*in­nen der Bargteheider Polizeistreife, die am Sonntag den Schaden als Erste aufnahmen, allerdings anders gesehen. „Sie haben uns noch vor Ort gesagt, dass das nicht so gravierend ist, dass man es als politischen Angriff sehen kann“, sagt Tjorben. Deswegen hat er am Montagmorgen selbst die für politische Straftaten zuständige Staatsschutzabteilung der Polizei in Lübeck angerufen. „Als ich angerufen habe, wussten die noch von nichts“, sagt er.

Der Vorstand des AJH kritisiert in einer Mitteilung, dass die Bargteheider Polizei den Angriff auf das Jugendzentrum nicht ernst genug genommen habe. Nach dem Einbruch in der Nacht zu Sonntag hätten die Be­am­t*in­nen den Tatort nur kurz begutachtet und Fotos gemacht, ohne Spuren wie Schuhabdrücke im Feuerlöscherstaub oder am eingeschlagenen Fenster zu sichern.

Die für die Bargteheider Polizei zuständige Pressestelle in Ratzeburg beantwortete eine taz-Anfrage bis Redaktionsschluss nicht.

Das selbstverwaltete, antifaschistische Autonome Jugendhaus ist ein Containerbau in einem kleinen Wäldchen am Rand der Kleinstadt Bargteheide. Ursprünglich als Geflüchtetenunterkunft gebaut, beherbergt der Bau seit 2005 das AJH, das es schon seit 1984 gibt.

Der Angriff auf das Jugendhaus ist nicht der erste Vorfall dieser Art. In den vergangenen zwei Jahren hat es wiederholt Sachbeschädigungen, kleinere Brände und rechtsextreme Schmierereien gegeben. Im April dieses Jahres tauchten mehrere große, mit Wandfarbe gemalte Hakenkreuze sowie rechtsextreme Codes am Gebäude auf. Nach einem größeren Feuer im Juni dürfen aus Sicherheitsgründen bis heute keine öffentlichen Veranstaltungen stattfinden, erst seit einigen Wochen können die im Haus aktiven Jugendlichen die Innenräume wieder für kleinere Treffen nutzen.

In den vergangenen zwei Jahren hat es wiederholt Sachbeschädigungen, kleinere Brände und rechtsextreme Schmierereien gegeben

In keinem der Fälle konnte die Polizei bisher Tatverdächtige ermitteln. In einigen Fällen ermittelte der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz, nicht aber beim größeren Brand im Juni.

Die Stadt Bargteheide hat indes vorgeschlagen, Videoüberwachung auf dem Gelände zu installieren. Das lehnen die Jugendlichen aus dem AJH ab: „Wir halten diesen Schritt für falsch und wirkungslos“, schreiben sie. Politisch motivierte, geplante Angriffe ließen sich nicht durch Kameras verhindern. Tä­te­r*in­nen könnten die Überwachung leicht umgehen, etwa indem sie sich vermummten. Zudem würde die Technik die Jugendlichen und Be­su­che­r*in­nen des AJHs überwachen und „unter Generalverdacht stellen“. Sie fordern stattdessen die Finanzierung einer Alarmanlage an den Fenstern und einen neuen Zaun.

Der Vorstand des AJH fordert die Stadt Bargteheide und die Polizei dazu auf, mehr für den Schutz des Jugendzentrums zu machen. „Wir fordern, endlich wirksame Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die Ursachen der rechten Angriffe klar zu benennen und gemeinsam mit uns nach Lösungen zu suchen, die den Charakter des AJH als offenen, selbstbestimmten Ort bewahren“, schreiben sie.

Tjorben sagt, er hoffe, dass die Stadt durch den jüngsten Angriff wachgerüttelt wird. „Das Autonome Jugendhaus soll ein Schutzraum sein“, sagt Tjorben, „es darf nicht sein, dass er immer wieder Ziel von rechten Angriffen wird“.

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5 Kommentare

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  • Seit wann müssen Angriffe gravierend sein um als politisch zu gelten???

    Sollten die Bargteheider Polizisten dass wirklich so gesagt haben, dann massenweise Schande über sie.



    Die müssen es einfach besser wissen.

  • Sollte in solchen Fällen nicht generell der Staatsschutz eingeschaltet werden?



    Wenn die örtliche Polizei behauptet, sie habe die politische Dimension des Anschlags nicht erkannt oder nicht für ausreichend befunden, ist sie blind, arbeitsscheu oder zeigt rechtsextreme Tendenzen. In allen drei Fällen sollte sich das Innenministerium schleunigst um eine Verbesserung der Situation bemühen - um es ganz diplomatisch auszudrücken.

  • Auf gar keinen Fall möchte ich den Eindruck erwecken, dass ich die Polizei im Allgemeinen irgendwelcher Tendenzen beschuldigen wollte. Aber es fällt immer wieder auf, dass -gerade auch- in unteren Diensträngen ziemlich lasch mit rechtsextremen Verdachtsmomenten -wenn die überhaupt als solche anerkannt werden- umgegangen wird. Auch die Justiz ist davon nicht verschont, es gibt genug Beispiele. Seit Seehofers Weigerung eine umfassende, neutrale Forschung im Polizeiapparat durchzuführen und der seither bestehenden Gleichgültigkeit dieser Notwendigkeit gegenüber hat sich die Situation verschlechtert. Leider ist das für das Image der Behörde sehr negativ. Um das auszuräumen und die Sensibilität intern zu fördern, sollte diese Studie nun mit Nachdruck und schnell erstellt werden. Doch der csU Mann Dobrindt wird das -zuungunsten der Polizei und der Gesellschaft- blockieren.

  • Für mich ließt sich das, als stünde Strafvereitelung im Amt im Raum. Wenn selbst Brandanschläge dort nicht als rechtsextremer Terrorismus verfolgt werden, sehe ich da eine mittelbare Tatbeteiligumg: Hier werden wohl Täter geschützt. Was sagt die Staatsanwaltschaft dazu?

  • Müssten nicht schon die Hakenkreuze in Kombination mit der Sachbeschädigung die Polizei zum Hinzuziehen des Staatsschutzes verpflichten?



    Es braucht endlich Gesetzte, welche derartige "Fehleinschätzungen" durch Polizisten mit empfindlichen Strafen, inklusive ihrer Zuständigen Vorgesetzten, zu belegen. Damit unter den Tisch kehren keine Option mehr ist.



    Macht man in anderen Branchen ja auch. Leider ist der Beamtenstand in Dtl. ja heilig, und so fühlen sich die quasiadeligen immer wieder dazu ermächtigt, den Rechtsstaat mit Füßen zu treten.