Rücktritt zweier Chefs der BBC: Der amerikanische Medienkulturkampf ist in Europa angekommen
Zwei Chefs der BBC treten wegen Fehler in einer Doku über Trump zurück. Der freut sich. Und auch US-Firmen, die gerade britische Medien aufkaufen.
U S-Präsident Donald Trump hat der britischen BBC mit Klage gedroht. Ein paar Stunden vorher konnte er seine Freude über den Rücktritt des Direktors und der Nachrichtenchefin des Senders nicht verhehlen. In seinem Post auf Truth Social erwähnte er die BBC zwar nicht namentlich, sondern schrieb bloß von „sehr unehrlichen Leuten“, die „dazu noch aus dem Ausland kommen – einem Land, das viele für unseren Verbündeten Nummer eins halten.“
Dies sei „eine schreckliche Sache für die Demokratie“. Seine Pressesprecherin Karoline Leavitt übernahm die Hardliner-Rolle und sprach von „100 Prozent Fake News“. Die BBC sei eine „Propagandamaschine“, und das natürlich von ganz links außen.
Damit ist der US-Medienkulturkampf endgültig in Europa angekommen. Worum es eigentlich geht, ist schon fast egal. Ja, die BBC hat Mist gebaut. In einem Zusammenschnitt aus Trumps Rede vom 6. Januar 2021, als seine Anhänger das Kapitol in Washington stürmten, dengelte die BBC Passagen aneinander, die in dem stundenlangen Sermon über 60 Minuten voneinander entfernt lagen.
So entstand der Eindruck, Trump habe noch direkter und unmissverständlicher zum Umsturz aufgestachelt, als es wirklich der Fall war.
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Doch Trump ist geschickt. Ganz so direkt hat er die Message eben nicht ausgegeben. Der BBC–Bericht lief eine Woche vor den Präsidentschaftswahlen 2024 im Politmagazin „Panorama“. Was Trump seither gemacht hat, bestätigt die Tendenz des Beitrags: von der Begnadigung aller wegen der Riots Verurteilten bis zum juristischen Vorgehen gegen die seinerzeit gegen die Kapitol-Stürmer*innen Ermittelnden.
Tim Davie, der jetzt zurückgetretene BBC-Director-General, agiert dagegen ungeschickt. Ja, die BBC hat als öffentlich-rechtlicher Sender nicht tendenziös zu sein, aber sie darf – klar gekennzeichnet – kommentieren. Sie darf auch Fehler machen. Dass sich das kaum zu entwirrende interne Gezacker um die „Panorama“-Nummer elend hinzog (wer sagt oder entschuldigt sich wofür, wie und wann?) und dann auch gleich ins politische Feld gespült wurde, was letztlich zum Rücktritt führte, war aber hausgemachtes Schicksal.
Umstrittene Berufung
Dabei wollte Davies alles richtig machen. Er selbst hatte den Rücktritt seines Vorvorgängers George Entwistle miterlebt. Der musste 2012 abtreten, weil er die Ausstrahlung einer BBC-Recherche über den früheren Starmoderator und pädophilen Serientäter Jimmy Saville blockierte. Der Beitrag lief damals bei ITV, der privaten Konkurrenz. Davie übernahm in der Folge für gut vier Monate schon mal interimistisch den Chefposten. Ab 1. September 2020 stand er dann endgültig an der Spitze der BBC.
Seine Berufung war damals umstritten, der Premierminister hieß Boris Johnson, und Davie galt als tendenziöse, wenn nicht gar parteiliche Berufung. Schließlich hatte der Cambridge-Absolvent mal für die Konservativen in der Londoner Lokalpolitik kandidiert. Davie erklärte ganz wie gewünscht von Anfang an die „Ausgewogenheit“ zum Maß aller Dinge. Und ging damit in die Falle.
Denn natürlich konnte es die BBC weder Johnson noch seinen zahlreichen Nachfolger*innen im Amt des Premierministers recht machen. (Nur zur Erinnerung: Das ist auch nicht die Aufgabe eines Mediums, öffentlich-rechtlich hin oder her.)
Es folgten Gaza und Auseinandersetzungen, wie die BBC mit LGBTQ-Themen umgeht. In einem Gaza-Film der BBC entpuppte sich ein Protagonist als Sohn eines Hamas-Funktionärs, der nächste durfte dann schon nicht mehr ins Programm und lief – Entwistle lässt grüßen – später im ebenfalls öffentlich-rechtlichen Channel 4. BBC-Mitarbeitenden wurde die Teilnahme an Gaza-Demos verboten, und rund um die Anstalt tobte die Deutungsschlacht, ob die BBC zu pro-israelisch oder doch antisemitisch berichte.
Auftritt: Boris Johnson
Letzte Woche wurde dann die „Bias“-Mängelliste eines ehemaliger externen BBC-Beraters durchgestochen. Im Detail überprüft ist das alles noch nicht, aber es war das Signal zum Sturm von rechts. Die konservative britische Presse zog alle Register, mittendrin ein gewisser <i>Daily Mail</i>-Kolumnist namens Boris Johnson.
Johnson forderte am Freitag Davies Kopf, der Widerspruch der aktuellen Labour-Regierung war halbherzig. Dass neben der Daily Mail vor allem der Daily Telegraph auf Davie und die BBC eindrosch, wundert nicht. Das Blatt steht kurz vor der Übernahme durch das US-Konsortium RedBirdCapital, an dem Trumps Großunterstützer Larry Ellison beteiligt ist. Der hat in den USA schon Paramount gekauft, lässt CBS auf Linie bringen und will aus dem Telegraph eine rechte New York Times machen.
Für die BBC geht es jetzt ums Ganze. Die ebenfalls zurückgetretene News-Chefin des Senders, Deborah Turness hat am Montag zwar kategorisch ausgeschlossen, dass es in der BBC eine „systematic bias“, also eine einseitige Wahrnehmung, gebe. Doch die Debatte ist längst entgleist, wohinter natürlich Kalkül steckt. 2027 muss die alle zehn Jahre neu verhandelte „Royal Charter“ der BBC verlängert werden. Sie bildet die Rechtsgrundlage der Anstalt und soll im nächsten Durchgang deren Finanzierung völlig neu regeln.
Wer auch immer in dieser Situation den Schleudersitz an der BBC-Spitze übernimmt, hat eine immense Verantwortung. Denn Donald Trump hat recht: Die Rücktritte bei der BBC, und wie es dazu kam, sind eine schreckliche Sache für unsere Demokratie.
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