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Smartphone-Verbot in der SchuleDeutlich weniger Zombies

An der Stadtteilschule unserer Tochter wurde nach den Ferien eine Null-Handy-Regelung eingeführt. Alle haben es bis jetzt überlebt.

Durchaus im Bereich des Möglichen: Smartphone-Verbot in der Schule Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

A n alle, die fürchten, die Welt drehe sich nicht weiter, wenn man selber – oder das Kind – mehrere Stunden am Stück kein Smartphone in der Hand hat: An der Stadteilschule unserer Tochter wurde nach den Ferien eine Null-Handy-Regelung eingeführt und alle haben es bis jetzt überlebt.

Die Kinder und Jugendlichen inklusive Jahrgang 10 dürfen auf dem Schulgelände keine „smarten“ Geräte mehr nutzen und/oder sichtbar tragen (ausgenommen die Oberstufe innerhalb ihres eigenen Gebäudes). Ansonsten müssen Mobiltelefone abgeschaltet in den Schultaschen bleiben oder sollen – revolutionäre Idee – gar nicht erst mit in die Schule gebracht werden.

Hätte ich den Nerv, mich für irgendetwas zusätzlich zu engagieren, dann wäre es – neben einer Initiative für humorvolles gendern – DAS gewesen!

Ich liebe unsere Schule dafür, dass sie den Schritt gegangen ist. Genauso wie ich es feiere, dass einige Lehrkräfte das lustige Gender-i benutzen und die Kinder in Anschreiben mit „Liebe Schülis“ ansprechen. Das erspart Zeit, Druckertinte und so unangenehme Worte wie Schüler*innensprecher*innen.

Handyverbot auch für Lehris?

Anscheinend wird das Handyverbot sogar durchgesetzt. Die eingesammelten Gurken können jeweils erst ab 16 Uhr abgeholt werden. Beim dritten Verstoß müssen die Eltern persönlich antanzen. Hoffentlich kaufen diese ihren Kindern keine Zweit-und Drittphones für diesen Zweck.

Die Lehris von Olivia (16) sind auf der großartigen, handyfreien Klassenreise beim Einsammeln der Geräte jedenfalls nicht so blöd gewesen, auf die musealen iPhones der ersten Generation reinzufallen, die einige extra zum Abgeben dabei hatten. Die Rückmeldungen von Schulseite beim El­tern*­in­nen­abend zur neuen Handyregelung waren allesamt positiv: Deutlich weniger Zombies, mehr analoges Spielen (Ball) – und es soll sogar zu direkten Gesprächen und Blickkontakt gekommen sein.

Ich wüsste allerdings gerne, ob die Handyregelung auch für die Lehrpersonen gilt. Auf die Gefahr hin, böse Briefe zu bekommen – Lehrer, die sich kritisiert fühlen, schreiben nämlich fast genauso gerne empörte Briefe wie Hundemenschen, nur in länger –, möchte ich anmerken, dass so manche Lehrperson selber über mangelhafte Medienkompetenz verfügt und kein besseres Vorbild in Sachen Smartphonenutzung abgibt als die meisten Eltern.

Olivia hat schon in der Grundschule oft auf die Frage „Was hat denn Eure Lehrerin dazu gesagt?“ geantwortet, diese sei mit ihrem Handy beschäftigt gewesen. Tatsächlich ist es auch für mich als Autorin bei Lesungen in Schulen oder auf Festivals keine Seltenheit, dass Lehrkräfte oder Eltern neben den Kindern sitzen und auf ihren Handtelefonen herumdaddeln. Das regt mich auf!

Der Nokia-Knochen würde es auch tun

Genau wie es mich aufgeregt hat, als in Klasse 5 die Lehrerin unserer Tochter die Einrichtung eines WhatsApp-Klassenchats befürwortete, mit dem sich die Kinder über Hausaufgaben austauschen sollten. Man stellte Zehnjährigen ein unmoderiertes Mobbingforum zur Verfügung bei einem Dienst, dessen allgemeine Geschäftsbedingungen damals ein Mindestalter von 16 Jahren vorschrieben. Argh!

Warum geht man davon aus, dass es zum Heranwachsen heute dazugehört, ein Smartphone zu bekommen, als sei es ein unverzichtbarer, neuer Körperteil? Wenn es darum geht, dass die Kinder im Notfall mal telefonieren können, würde doch ein alter Nokia-Knochen völlig ausreichen.

Das wäre allemal sicherer, als auf dem Schulweg beim Überqueren der Straße oder auf dem Fahrrad auf ein digitales Endgerät zu starren. Weil mich die Handypest zu sehr aufregt, hier zum Schluss lieber noch etwas vom gerechten Gender-i: Umlautungen wie „Arzt/Ärztin“ behalten die Grundform der femininen Variante, also einfach „Ärzti“ oder beispielsweise „Bischöfi“. Schön, oder?

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Birte Müller
Freie Autorin
Geboren 1973 in Hamburg. Seit sie Kinder hat schreibt die Bilderbuchillustratorin hauptsächlich Einkaufszettel und Kolumnen. Unter dem Titel „Die schwer mehrfach normale Familie“ erzählt sie in der taz von Ihrem Alltag mit einem behinderten und einem unbehinderten Kind. Im Verlag Freies Geistesleben erschienen von ihr die Kolumnensammlungen „Willis Welt“ und „Wo ein Willi ist, ist auch ein Weg“. Ihr neuestes Buch ist das Kindersachbuch „Wie krank ist das denn?!“, toll auch für alle Erwachsenen, die gern mal von anderen ätzenden Krankheiten lesen möchten, als immer nur Corona. Birte Müller ist engagierte Netzpassivistin, darum erfahren Sie nur wenig mehr über sie auf ihrer veralteten Website: www.illuland.de
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