piwik no script img

Abschiebungen nach AfghanistanAfghanisches Konsulats-Personal schmeißt hin

Um nach Afghanistan abschieben zu können, lässt Dobrindt Taliban-Vertreter ins Land. Aus Protest kündigt nun das bisherige Konsulatspersonal in Bonn.

Die deutsche Regierung nähert sich kontinuierlich an die Taliban an, um Abschiebeflüge nach Afghanistan zu ermöglichen Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Berlin taz | Das Personal des afghanischen Generalkonsulats in Bonn hat geschlossen gekündigt. Mit dem Schritt will die Belegschaft dagegen protestieren, dass die Bundesregierung dort Taliban-Vertreter tätig werden lässt. Das geht aus einer Pressemitteilung der Betroffenen hervor, die der taz vorliegt. Darin heißt es, das Personal sehe sich „außerstande, unseren Dienst unter diesen neuen Umständen fortzusetzen.“

Der Fall ist komplex: Die Konsular-Mitarbeitenden, die nun kündigen, waren noch vor dem Fall Kabuls an die Taliban auf ihre Posten gekommen. Sie waren damit Vertreter der alten, liberaleren afghanischen Regierung, die es seit der Machtübernahme durch die Taliban 2021 nicht mehr gibt. Trotzdem versah das diplomatische Personal in Bonn und auch in einem weiteren Konsulat in Berlin bislang weiter seinen Dienst, wurde von der Regierung in Kabul aber nicht mehr als offizielle Vertreter anerkannt. Die afghanische Vertretung in München ist dagegen schon seit einiger Zeit auf Linie der Taliban.

Die deutsche Bundesregierung unterhält bislang keine offiziellen Kontakte zum islamistischen Taliban-Regime. Allerdings nähert sie sich diesem Schritt kontinuierlich an, um Abschiebeflüge nach Afghanistan zu ermöglichen. Diese waren Wahlversprechen der Union und Teil der von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Kanzler Friedrich Merz (CDU) groß angekündigten Asylwende.

Als Gegenleistung für einen Abschiebeflug im Juli, sowie zur Anbahnung weiterer Flüge erlaubte Dobrindt im Sommer zwei Taliban-Vertretern die Einreise. Einer von ihnen soll dem Konsulat in Bonn zugewiesen werden – was dessen Mitarbeitende nun zum geschlossenen Rücktritt bewegte.

Frauen und Homosexuelle unterdrückt

In der Erklärung schreibt das bisherige Konsulatspersonal, man kündige aus Protest gegen die Entscheidung der Bundesregierung. „Dieser Schritt widerspricht den Werten, die wir hochhalten.“ Und weiter „Unsere Hoffnung bleibt stark, dass Afghanistan eines Tages ein System erleben wird, das auf dem Willen, der Würde und den Träumen seines Volkes aufgebaut ist.“

Die Taliban hatten nach ihrem Siegeszug 2021 eine brutale Diktatur in Afghanistan wiedererrichtet. Insbesondere Frauen und Homosexuelle werden von den Islamisten massiv unterdrückt. Menschenrechtsorganisationen berichten von Folter und Todesstrafen in den Gefängnissen. Abschiebungen in das Land werden von Be­ob­ach­te­r*in­nen als menschenrechtswidrig eingeschätzt.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Ein Taliban-Vertreter "... soll dem Konsulat in Bonn zugewiesen werden – was dessen Mitarbeitende nun zum geschlossenen Rücktritt bewegte."



    Wie praktisch ist DAS denn? Bestimmt stehen etliche - vielleicht alle? - Mitarbeitenden dieses "Exilkonsulats" auf der Schwarzen Liste der Taliban. Die kann deren Vertreter dann ja gleich mitnehmen, - für ein abschreckendes "Bestrafungsritual" in Kabul.



    Daneben weiterhin das unsägliche Hinhalten so genannter Ortskräfte und anderer gefährdeter Personen, die mit deutschen Zusagen nach Pakistan gelockt wurden ( illegal geflohen, wären diese armen Menschen vielleicht längst in Sicherheit).

    Es kann einem eisekalt werden.

    • @Woodbine:

      Die Politiker der Union sorgen gerade dafür das unsere Soldaten in der Zukunft unnötig in Gefahr gebracht werden. Ich mag mir nicht vorstellen und das wird kommen, das wir wieder mitten in einem nächsten Konflikt wieder stecken, jene Menschen vor Ort werden sich das mehrmals überlegen ob sie uns helfen sollen oder nicht mit ihren vor Ort Kenntnisse, ich würde in Zukunft Deutsche Soldaten nicht helfen sondern eher meiden wenn ich ehrlich bin, wieso sollte ich mein Leben und das Leben meiner Familie, für solche Menschen riskieren und denen vertrauen, die mich im nächsten Moment wie eine heiße Kartoffel fallen lassen werden, selbst wenn meine Familie in Lebensgefahr steckt. Wir haben leider für unsere Soldaten, wirklich nur gefährliche und keine weitsichtigen Politiker mehr.

  • Danke an das Afghanisches Konsulats-Personal, für den Rückgrat von wahren Demokraten den sie besitzen. Typisch Union, die Fahne immer von Menschenrechten vermeintlich hochhalten, aber dann aus ideologischen Gründen wenn es darauf ankommt nichts mehr darauf geben auf das woran wir glauben. Da zeigt die Union wieder Ihr wahres Gesicht wie viel Ihnen wirklich unsere Verfassung mit ihren Werten wert ist, mehr Heuchelei und Doppelmoral geht nicht.

  • „ Das Personal des afghanischen Generalkonsulats in Bonn hat geschlossen gekündigt.“

    Interessant. Wer war denn der Arbeitgeber - die Talibs oder die B-Regierung?

    Kann mir nicht vorstellen, dass die Talibs das Personal des afghanischen Generalkonsulats bezahlt haben.