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Neue Gaza-Verhandlungen in ÄgyptenDer Anfang vom Ende des Krieges in Gaza?

Die Hamas hat dem Trump-Plan in Teilen zugestimmt: Sie ist bereit, alle israelischen Geiseln freizulassen. Lässt sich Netanjahu darauf ein?

Was soll aus dem Gaza-Streifen werden? Eine Aufnahme aus Gaza-Stadt am 5. Oktober Foto: Mahmoud Issa/reuters

Die Hamas ist bereit, alle israelischen Geiseln freizulassen – im Tausch gegen die Freilassung von 2.000 Palästinensern aus israelischer Haft, einem Teilrückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen und der Wiederaufnahme von unbegrenzten Hilfslieferungen durch die UNO. Das ist ihre Antwort auf Donald Trumps recht vagen 20-Punkte-Gaza-Plan, den der US-Präsident vorigen Montag im Beisein des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu verkündet hat.

Von einer Entwaffnung, wie sie der Plan fordert, spricht die Hamas nicht. Sie signalisiert jedoch Bereitschaft, die Verwaltung des Gazastreifens abzugeben und über dessen Zukunft zu verhandeln. Diese Gespräche, so betont sie, müssten in einem breiteren palästinensischen Konsens stattfinden. Sprich: auch die palästinensische Autonomiebehörde soll einbezogen werden.

Unter diesen Bedingungen laufen in Kairo nun Verhandlungen. Mit dabei: Trumps Nahost-Gesandter Steve Witkoff, sein Schwiegersohn Jared Kush­ner, israelische Offiziere und Geheimdienstler sowie arabische Vermittler. Obwohl die Hamas den Trump-Plan nicht vollständig akzeptiert, hat sie ein Angebot gemacht, das weder Netanjahu noch Trump ablehnen können: die Freilassung aller israelischen Geiseln.

Kein konkreter Zeitrahmen

Der Trump-Plan enthält nur einen konkreten Zeitrahmen: sein 72-stündiges Ultimatum an die Hamas. Mit den Verhandlungen in Kairo ist das de facto außer Kraft gesetzt. Ansonsten enthält er keine Hinweise darauf, wann genau was geschehen soll. Die Hamas hat bereits signalisiert, dass sie Zeit braucht, um die verbliebenen Geiseln freizulassen oder ihre Leichen zu bergen.

Aber auch andere Details sind noch offen: Wann und wie kommen die Geiseln frei? Bis wohin zieht sich die israelische Armee zurück? Wer sind die 2.000 Palästinenser, die im Gegenzug freigelassen werden – vor allem die 250 mit lebenslangen Haftstrafen? Wohin werden sie freigelassen? Wie wird der freie Zugang humanitärer Hilfslieferungen in den Gazastreifen gewährt, wie wird er dokumentiert und überwacht? Diese Punkte dürften die Verhandlungen in Kairo noch lange beschäftigen. Währenddessen setzt Israel seine Angriffe im Gazastreifen fort, auch wenn der Beschuss von Gaza-Stadt laut Berichten „erheblich nachgelassen“ hat.

Was danach kommt, ist völlig unklar. Netanjahu behält sich vor, die Offensive wieder aufzunehmen, falls die Hamas den Trump-Plan nicht vollständig umsetzt. Er erwartet nicht nur, dass die Hamas kapituliert, sondern auch, dass sich alle Palästinenser der israelischen Besatzung fügen. Er will, dass Israel die Sicherheitskontrolle über dem Gazastreifen behält und konzentriert sich vor allem auf den Teil des Trump-Planes, in dem es um die Entwaffnung der Hamas und die „Demilitarisierung“ Gazas geht. „Entweder passiert das auf die leichte oder die harte Art, aber wir werden es erreichen“, lautet sein Kernsatz.

Die Hamas hingegen will Teile des Plans nachverhandeln. Dazu ist in Kairo ein weiteres Treffen angesagt: Ein innerpalästinensischer Dialog, bei dem es um die Zukunft des Gazastreifens gehen soll. Die Hamas spricht dort mit der palästinensische Fatah und Vertretern der Autonomiebehörde. Es ist ein Versuch, die palästinensischen Ränge zu schließen.

Netanjahus Position bröckelt

Netanjahu ist es gewohnt, stets aus der Position des Stärkeren zu verhandeln. Wenn ihm etwas nicht zusagt, kann er seine Armee jederzeit wieder losschicken – so, wie er das schon beim letzten Waffenstillstand Anfang des Jahres getan hat, den er damals einseitig aufkündigte. Doch sobald die israelischen Geiseln frei sind, verliert er einen zentralen Kriegsgrund. Und Trump? Seine Idee, den Gazastreifen in eine „Ri­viera“ des Nahen Ostens zu verwandeln – in der die Palästinenser wenig zu sagen hätten –, hat er nicht aufgegeben. Gleichzeitig will er sich als Friedensstifter feiern lassen, der diesen Krieg endgültig beendet hat.

Hinzu kommt Israels wachsende internationale Isolation. Die Welt sieht den Nahostkonflikt heute anders als noch vor zwei Jahren und erkennt zunehmend die Rechte der Palästinenser an. Netanjahus Position des Stärkeren bröckelt. Am Ende wird nicht der Wortlaut des Trump-Plans entscheidend sein, sondern die Dynamik, die er auslöst. Vielleicht markiert er tatsächlich den Anfang vom Ende des Krieges im Gazastreifen.

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