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E-Autos versus VerbrennerDer gefühlte Freiheitsverlust

Kommentar von Svenja Bergt

Die Absatzzahlen von E-Autos steigen, aber die meisten Käu­fe­r:in­nen entscheiden sich weiter für Verbrenner. Das hat nicht nur mit dem Preis zu tun.

Mit dem E-Auto unterwegs: Autos waren mal ein Freiheitsversprechen Foto: Manuel Kamuf/imageBroker/imago

Z wischen Uelzen und Paris liegen – je nach Route – etwa 900 Kilometer. Mit dem Auto ist das in einer Nacht locker zu schaffen, aber das muss man gar nicht so genau wissen, bevor man sich auf den Weg macht. Das Auto steht vor der Tür, vollgetankt wird an beliebigen Tankstellen unterwegs, Zahnbürste, Wechselsachen und Handy-Ladekabel in den Kofferraum geworfen – hallo Roadtrip, hallo Croissants mit Blick auf die Sacré-Cœur, hallo Freiheit!

Was, nie gemacht? Aber immer davon geträumt? Macht nichts. So geht es den meisten Autobesitzer:innen. Denn mit dem Auto kauft man nicht nur eine motorisierte Blechkiste auf vier Rädern, man kauft auch ein Set an Möglichkeiten: die Möglichkeit, zur Arbeit zu pendeln, ohne sich dabei entweder im Nahverkehr zwischen anderen Menschen oder auf dem Rad zwischen Autos drängeln zu müssen; die Möglichkeit, mal schnell diesen wunderbaren Tisch auf dem Kleinanzeigenportal zu kaufen und gleich abzuholen; oder eben auch die Möglichkeit, jederzeit – unabhängig von Zug- oder Busfahrplänen, von Flugzeugen, die abheben oder auch mal nicht, von Streiks, Pandemien, Wind und Wetter – sein altes Leben hinter sich zu lassen und am nächsten Morgen in der Patisserie Pain Pain ein Abricot Coco zu kaufen. Ein neues Leben anzufangen – und sei es nur für ein verlängertes Wochenende.

Gerade diese letzte ist nicht nur eine Möglichkeit, sie ist fast schon ein Versprechen, das mit dem Autokauf einhergeht. Nicht umsonst ist in der Autowerbung das Freiheitsthema das Leitmotiv. Und dass E-Mobilität gerade auf dem Land nicht mal ansatzweise dabei ist, sich durchzusetzen, liegt – neben der mittlerweile immerhin sinkenden Preisdifferenz zu Verbrennern – auch daran, dass die Elektros dieses Freiheitsversprechen vermeintlich nicht einlösen können.

Dabei sehen die Fakten erst einmal vielversprechend aus. Zum Beispiel steigt die Ladesäulendichte: Im bundesweiten Schnitt kamen – Stand Juli 2024 – 17,3 E-Autos auf einen öffentlichen Ladepunkt. Im Januar 2023 waren es laut einer Berechnung des Verbands der Automobilwirtschaft (VDA) noch 23 E-Autos pro Säule.

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Planung ist alles

Das liegt nicht etwa daran, dass die Zahl der E-Autos deutlich gesunken wäre, sondern daran, dass die Zahl der Ladesäulen zunimmt: Von September 2023 bis September 2024 meldete die Bundesnetzagentur einen Zuwachs um 26 Prozent auf 145.857 Ladepunkte bundesweit. Und in einer Umfrage des Interessenverbands ACE, Auto Club Europa, vom November äußerten sich 81 Prozent der Befragten positiv über die Ladeinfrastruktur. Man kann daraus schließen: Wer ein E-Auto fährt, kommt in aller Regel damit klar. Doch die Hürde ist, erst einmal diesen Schritt zu gehen.

Geht es mit dem E-Auto ins Ausland, ist Planung alles. Welche Ladesäulenbetreiber gibt es dort? Wo stehen ihre Säulen? Welche Apps und/oder Ladekarten werden benötigt, um Strom zu ziehen? Wie unterscheiden sich die Anbieter tariflich? Gibt es Anbieter, die eine Blockiergebühr erheben, wenn man zu lange an einer Säule parkt? Welche Fahrtroute soll es sein, und gibt es auf dieser Route Ladepunkte der bevorzugten Anbieter? Und wenn nein, was sind die Alternativen, was Routenführung oder Lademöglichkeiten angeht? Welche App hilft beim Übersetzen, wenn die Ladesäule nur die Landessprache spricht? Passt der Stecker des eigenen Fahrzeugs in die anvisierten Lademöglichkeiten? Und gibt es idealerweise vor Ort eine Unterkunft, die eine Ladesäule in der Nähe hat oder einen eigenen Ladepunkt für Gäste?

Das zu klären, ist keine unerfüllbare Aufgabe. Wer es hinkriegt, sich um einen neuen Mobilfunkvertrag zu kümmern oder einen Förderantrag für eine Balkonsolaranlage zu stellen, schafft auch die Planung einer Reise mit dem E-Auto ins Ausland. Aber die gefühlte Spontanität liegt dann eben nicht mehr so nah dran an dem Trip mit dem Verbrenner, sondern eher im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel wie Zügen, bei denen man sich auch im Vorfeld um Routen und Tickets kümmern muss.

Wer ein Gefühl für die Vorbereitungsphase bekommen möchte, kann sich übrigens in Reiseblogs durch zahlreiche Erfahrungsberichte aus verschiedenen Ländern hindurchlesen, die zwischen Verzweiflung (vierte Ladesäule hintereinander defekt, Akkustand im kritischen Bereich, Nervenzusammenbruch in Sicht) und Stolz (alles gar nicht so wild, Reichweitenangst kennen wir nicht, E-Mobilität ist die Zukunft, ihr Verbrenner-Retros) schwanken.

Die Öffis sind gefragt

Und so bleiben die Skep­ti­ke­r:in­nen halt bei ihrem Verbrenner – den bekannten Folgen für Emissionen und Klima zum Trotz. Dem etwas entgegensetzen könnte übrigens ausgerechnet der öffentliche Nah- und Fernverkehr: Das Deutschlandticket ist ein erster Ansatz, den Aufwand für die einzelnen Reisenden zu reduzieren. Ein weiterer wären verlässliche und kurze Taktungen der Züge und eine nahtlose Anbindung über die Landesgrenzen hinaus.

Individuelle Mobilität braucht dann vermutlich noch im ländlichen Raum das eigene Auto, aber nicht unbedingt als Verbrenner: Schließlich laden Hausbesitzer ihren Pkw mit Solarstrom vom Dach quasi kostenlos. Und einer Berechnung der Initiative Klimaneutrales Deutschland zufolge ist die Reichweite der beliebtesten E-Auto-Modelle rund 15-mal so groß wie die hierzulande durchschnittlich am Tag gefahrenen 35 Kilometer pro Pkw. Es geht also vor allem um eine gefühlte Angst vor Freiheitsverlust – die übrigens von rechten Kreisen auch gerne instrumentalisiert wird.

Für den nächsten spontanen motorisierten Frankreich-Trip übrigens nicht vergessen: Für die Einfahrt in eine Umweltzone, zum Beispiel in Paris, sind die kostenpflichtigen Umweltplaketten Crit’Air nötig. Online bestellen, knapp 5 Euro inklusive Versand. Je nach Stadt müssen die schlechten bis mittleren Schadstoffgruppen draußen bleiben. Die Verbrennerwelt bekommt zunehmend Grenzen.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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4 Kommentare

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  • Gegen gefühlte Wahrheit kann man wenig machen.

    Man kann mit dem E-Auto genauso spontan und ohne Planung los, wie mit dem Verbrenner. Das einzige, was passieren kann, ist das man mehr für den Strom bezahlt als nötig. Wer es einfach möchte - Entschuldigung für die Schleichwerbung - zahlt 10 oder 12 Euro an Tesla oder Ionity. Im Anschluss dann 39ct/kwh (im Ausland teilweise weniger und teilweise mehr) an Ladesäulen des jeweiligen Anbieters und ist günstig unterwegs. Bei 900km braucht man halt zwei bis drei Ladestopps und verliert ca. 2-3 x 25 Minuten (je nach Auto). Wer bei einer zehn Stunden fahrt, keine Zeit für 50 bis 75 Minuten Zeit für Pause hat, ist evtl. eher auf der Flucht.

  • Ich habe das Gefühl, dass die Autorin selbst kein E Auto fährt. Auf die ganze Planerei kann man getrost verzichten wenn man nicht gerade auf der Jagd nach den günstigsten Ladetarifen ist. Wenn ich ins Ausland fahre gebe ich die Route in mein Navi ein und die Ladeplanung folgt vollautomatisch. Damit man nirgends auf dem letzten Prozent ankommen muss, gebe ich vor wie niedrig die Restkapazität sein darf. Ist eine gewählte Säule belegt navigiert das Auto um. Ob eine Säule belegt ode defekt ist, sehe ich in der Ladeapp. Hat bisher immer funktioniert. Alles ganz easy.

  • Bis auf Weiteres erscheint mir der Plug-In-Hybrid die beste Lösung. Im "Regionalverkehr" immer elektrisch - bei weiteren Strecken flexibel. Meine Erfahrungen sind nur positiv. - Jaaaa, ich habe ja gesagt: Bis auf Weiteres!

  • Ein wesentlicher Punkt ist aus meiner Sicht noch, dass die Kapazität der Batterien über ihre Lebensdauer hin merkbar abnimmt. Ist natürlich besser geworden und wird sicher noch verbessert werden.

    Viele Autofahrer können nicht alle 4 Jahre einen neuen Wagen kaufen, sondern behalten den aktuellen auch schnell mal über 10 Jahre. Das ist aktuell noch schwierig.