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Queerness im FußballWenn Musiala und Wirtz ein Paar wären …

Bei der EM sollen 78 Spielerinnen kicken, die offen lesbisch, bisexuell oder queer sind. Dies ist eine Selbstverständlichkeit. Und bei den Männern?

Verstehen sich prächtig: Wirtz und Musiala (r.) im Einsatz für die Nationalmannschaft Foto: imago

M an stelle sich vor, Florian Wirtz und Jamal Musiala küssten sich nach einem gewonnenen Spiel und würden dann Händchen haltend in die Kabine laufen. Und die Fans würden sich freuen, wenn es private Urlaubsbilder von Kylian Mbappé und Dani Olmo auf Insta zu liken gäbe. Süß, die beiden! Man stelle sich weiter vor, dass das überhaupt kein Problem wäre, weil schließlich Olmos Nationaltrainer Luis de la Fuente – heute zwar mit seiner Frau verheiratet – als aktiver Spieler auch mal mit einem Kollegen liiert war. Und jeder weiß: wenn man immer nur unter Jungs ist und so etwas Männliches wie Fußball zum Lebensmittelpunkt wählt, ist das völlig normal, dass man sich irgendwann in einen der Mannschafts­kameraden verliebt.

Klingt absurd? Skandalös? Wie ein Traum? Bei der Fußball-EM in der Schweiz scheint Queerness im Fußball total normal zu sein. „Neuer Rekord“ titelt das L-Mag, das Magazin für Lesben. Es würden (mindestens) 78 Spielerinnen antreten, die offen lesbisch, bisexuell oder queer sind, darunter sieben Paare. Ach ja, aber da reden wir ja auch von Frauen. Frauen, die Fußball spielen. Das ist ja ganz was anderes!

Je­de:r weiß: Schwule können kein Fußball spielen, aber alle Fußballerinnen sind sicher lesbisch. Eine Aussage, die natürlich kompletter Nonsens ist, aber immer noch in vielen Köpfen umherschwirrt. Und für einige als Beweis genug gilt, warum sich bisher kein aktiver deutscher Fußballprofi öffentlich geoutet hat. Es gibt ihn einfach nicht. Oder versteckt er sich eventuell? Weil homophobe Fangesänge im Männerfußball an der Tagesordnung sind? Und in manchen Kreisen darüber debattiert wird, ob ein pinkes Nationaltrikot „schwul“, im abwertenden, homophoben Sinne, sei?

Aufmerksamkeit für Liebes-Duell

Da ist es doch ganz angenehm erfrischend, dass im Frauenfußball (fast) normal darüber geredet wird, wenn Lea Schüller ihre Liaison mit der italienischen Stürmerin Martina Piemonte offenlegt. Oder Ann-Katrin Berger und Jess Carter ihre Verlobung feiern. Ganz selbstverständlich ist das übrigens auch nicht.

Wie ein Skandal von 1994 aus der Schweiz zeigt: die Frauen des FC Wettswil Bonstetten im Kanton Zürich feierten damals im Klubhaus einen Geburtstag. „Fest der Lesben“ nannte der Vorstand das, weil manche ihre Freundinnen mitgebracht hatten. Wenig später wurde das Team vom Spielbetrieb ausgeschlossen. In einer anschließenden SRF-Talkrunde diskutierte man zum Thema: „Lesben im Damenfussball. Angst vor homosexueller Ansteckung?“

Die Zeiten kommen (hoffentlich) nicht wieder. Und doch sorgte bei dieser EM etwa das „Liebes-Duell“ – Zitat Bild-Zeitung – zwischen der Dänin Pernille Harder und der Schwedin Magdalena Eriksson, die seit Jahren ein Paar sind, immer noch für große mediale Aufmerksamkeit. Die Sichtbarkeit ist gegeben, die Akzeptanz lässt zu wünschen übrig. Frauenfußball-Ikone Megan Rapinoe behauptete übrigens mal: „Ohne lesbische Spielerinnen gewinnt man keine Meisterschaften.“ Interessante These. Ob die wohl auf schwule Fußballer auch zutrifft?

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Ruth Lang Fuentes
Autorin
Geboren 1995 in Kaiserslautern, bis Januar 2023 taz Panter Volontärin. Sie studierte Mathematik in Madrid und Heidelberg. Schrieb dort für Studierenden- und Regionalzeitung. Seit 2022 schreibt sie im Wechsel mit Aron Boks die taz.FUTURZWEI-Kolumne "Stimme meiner Generation".
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6 Kommentare

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  • Schon beschämend dass sich in der gesamten Herrenbundesliga kein einziges öffentliches Bekenntnis zur Homosexualität gab. Ich erinnere mich dass es vor wenigen Jahren mal ein gemeinschaftliches Coming out einer Gruppe von Spielern geben sollte, unterstützt von einem Verein, aber schlussendlich entschieden sie sich weiter anonym zu bleiben. Wohl aus Furcht vor negativen Fanreaktionen oder verbauten Karrierechancen.

  • Das Bild zur Überschrift ist der Knaller :)



    Sehr witzig. Und ich bin Herrenfußball-Fan....

  • Ich weiß nicht, wo der Artikel genau hin will.

    Im Männerfußball wird es auf absehbare Zeit keine schwule Paare geben, wahrscheinlich nicht mal einen offen schwulen Superstar.

    Selbst wenn die allgemeine Stimmung in der Fanszene weniger homophob wäre, gibt es aller Wahrscheinlichkeit nur sehr wenige schwule Spieler. Weil die allgemeine Atmosphäre für junge schwule Spieler in der Kabine und auf den Tribünen nicht sehr einladend ist und eher ein anderer Karriereweg eingeschlagen wird.

    Ganz anders bei den Frauen - da ist der Frauenfußball ein Safe Space für junge lesbische Frauen. Und das setzt sich dann fort bis in die Topmannschaften mit einem überproportional hohen Anteil an lesbischen/bisexuellen Spielerinnen.

  • Gelungener Artikel. Nur den Schluss finde ich unglücklich.



    "Frauenfußball-Ikone Megan Rapinoe behauptete übrigens mal: „Ohne lesbische Spielerinnen gewinnt man keine Meisterschaften.“ Interessante These."



    Diese These entspricht exakt dem homophoben Denken, des in weiten Teilen des Männerfußballs herrscht. In deren Augen sind Lesben grundsätzlich Frauen die Männer sein wollen, also 'Kerle'.



    Und harte Kerle sind im Männerfußball schon immer Fanlieblinge. Gennaro Gattuso, Mark Wilmots, Paul Gascoigne, Maik Franz, Marco Materazzi - die Liste ließe sich endlos fortsetzen, besonders harte Spieler wurden schon immer vergöttert.



    Insofern ist Megan Rapinoe's Aussage eher kritisch einzuordnen, ich würde sie gar als Bärendienst am Frauenfußball einstufen.

  • ich hätte es eher vermieden einige Fussballer, in diesem Zusammenhang, beim Namen zu nennen. Es gibt mit Sicherheit Idioten die das aufschnappen und "zitieren".

    Es ist natürlich Privatsache ob man sein Sexleben in die Öffentlichkeit trägt. Warum sollte man das tun? Weil es modern ist?



    Oder weil man sich gerne Hetze aussetzen möchte?

    Mal ehrlich, darüber das Frauen lesbisch sind, wird von entsprechenden Männern nur deshalb nicht gehetzt weil sie denken: "Macht nichts, Sex mit zwei Lesben ist auch nett"

    Zum Glück gibt es genug tolerante Menschen denen egal ist wer, warum, mit wem sein Sexleben gestaltet.

  • Statt irgendwelcher Freude über neue Rekorde wäre es mir (selbst lesbisch) viel lieber, wenn es endlich normal würde, nicht mehr darüber zu reden. Weil es den Leuten völlig egal sein kann mit wem die Spieler und Spielerinnen Händchen halten. Es ist für das Spiel völlig unerheblich. Ohne Druck können wir erst leben, wenn sich niemand mehr dafür interessiert.