Nakba-Demo in Berlin: Neue Recherche erhärtet Zweifel an Berliner Polizei
Ein Polizist, von Palästina-Demonstrant:innen fast totgeprügelt? Bisher unbekannte Videos unterstreichen, dass diese Darstellung nicht stimmen kann.

Dass die Darstellung der Polizei so nicht stimmen konnte, berichtete die taz bereits im Mai. Nun hat eine Recherche des gemeinnützigen Vereins Forensis, die von NDR und Süddeutscher Zeitung publiziert wurde, diesen Verdacht erneut erhärtet. Der Recherche liegen bisher unveröffentlichte Videoaufnahmen zugrunde, die die fraglichen Szenen aus der Vogelperspektive und nahezu lückenlos zeigen. NDR und SZ haben die Rohaufnahmen des bei Forensis zu findenden Videos verifiziert.
Erneut ist in den Aufnahmen der später verletzte Polizist mit der Dienstnummer BE24111 zu sehen, wie er sich mit Kolleg:innen unter Gewaltanwendung in die Menge begibt, um einen Demonstranten festzunehmen. Als der Polizist den Festgenommenen auf dem Boden fixiert, schubst ein zweiter Polizist einen weiteren Demonstranten auf den fraglichen Polizisten.
Kurz darauf steht dieser wieder und schlägt auf den Kopf eines umherstehenden Protestierenden. Als sich die Polizist:innen aus der Menge entfernen, hält sich der fragliche Polizist plötzlich die Hand, mit der er eben noch zugeschlagen hat. Dann sackt er zusammen. Ein gezielter Angriff auf die Polizei ist zu keinem Zeitpunkt zu sehen.
Versammlungsfreiheit soll eingeschränkt werden
Eine Sprecherin der Polizei sagte der taz, die neuen Aufnahmen seien der Polizei bekannt. Inwiefern auch gegen den Polizisten ermittelt wird, der bereits zuvor beim Einprügeln auf Demonstrant:innen gefilmt wurde, wollte die Sprecherin aber nicht sagen. Die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Berlin würden „in alle Richtungen“ geführt.
Auch Pressesprecher Sebastian Büchner von der Generalstaatsanwaltschaft kennt die neuen Aufnahmen. „Wir führen ein offenes Ermittlungsverfahren, in dem es nicht darum geht, die Mitteilung der Polizei zu bestätigen“, sagte er der taz. „Wenn sich Verdachtsmomente gegen die Polizei ergeben, werden wir dem nachgehen.“ Eingestellt worden sei das zunächst gegen unbekannte Demonstrant:innen eingeleitete Verfahren wegen eines besonders schweren Falls von Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung aber noch nicht.
Die Debatte um die Einschränkung der Versammlungsfreiheit geht in Berlin derweil munter weiter. Die schwarz-rote Koalition plant eine starke Ausweitung von Polizeibefugnissen. Zudem wollen SPD und CDU den Begriff der „öffentlichen Ordnung“ wieder in das Versammlungsgesetz aufzunehmen. Kritiker:innen befürchten, dass mit dem juristisch sehr vagen Begriff nicht nur Versammlungen verboten oder eingeschränkt werden könnten, die eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, sondern auch solche, die gesellschaftlich schlicht nicht gerne gesehen werden – also zum Beispiel palästinasolidarische Proteste.
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