Gesetzentwurf passiert Kabinett: Dobrindt stattet Bundespolizei mit Tasern aus
Der CSU-Innenminister will 10.000 solcher Waffen anschaffen, dabei ist der Einsatz umstritten. Die Grünen vermissen eine aufrechte Debatte.

Konkret geht es um eine Erweiterung des „Gesetzes über die Ausübung unmittelbaren Zwangs durch Vollzugsbeamte des Bundes“ (UZwG). Der Taser soll die bisherige Ausrüstung –Einsatzstock, Reizstoffsprays, Dienstpistole – ergänzen.
Das Gerät stehe „für moderne Sicherheitspolitik“, es schütze die Polizei und wirke deeskalierend in Gefahrensituationen, erklärte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU). Dies sei bei Erprobungen festgestellt worden, die von der Bundespolizei seit fünf Jahren durchgeführt würden. Demnach hätten 200 speziell geschulte Einsatzkräfte die Geräte bei über 40.000 Einsätzen mitgeführt. In 132 Fällen sei der Einsatz angedroht worden, in 16 Fällen kam es laut BMI zur tatsächlichen Anwendung.
Mit einem Taser können Polizist*innen aus geringer Distanz zwei Elektroden abschießen, die unter der Haut schmerzhafte Muskelkontraktionen sowie eine vorübergehende Handlungsunfähigkeit bewirken. „Wenn man eine Person beispielsweise mit einer Schlag- oder Stichwaffe auf Distanz halten muss, dann ist der Taser eine mögliche Wahl der Mittel“, sagte Dobrindt.
10.000 Geräte sollen beschafft werden. Im Bundeshaushalt 2025 schlägt die Beschaffung mit 5 Millionen Euro zu Buche, in den kommenden Jahren sollen vergleichbare Beträge aufgewendet werden.
Bestimmte Gruppen sind für die Wirkung besonders anfällig
Tests hätten „keine Hinweise auf gesundheitliche Risiken“ ergeben, teilte das BMI mit. In keinem Fall sei es zu behandlungsbedürftigen Verletzungen gekommen, mehrere wissenschaftliche Studien würden die Sicherheit der Geräte bestätigen.
Dabei sind sie vor allem deshalb umstritten. Denn verschiedene Gruppen, darunter ältere Menschen, Schwangere sowie Personen mit gesundheitlichen Problemen und solche, die unter Drogeneinfluss stehen, sind für die Wirkung des Tasers besonders anfällig. In den vergangenen sieben Jahren wurden in Deutschland elf Todesfälle nach polizeilichen Taser-Einsätzen dokumentiert.
„Taser sind ein genauso gefährliches Werkzeug wie die Schusswaffe“, sagte Thomas Feltes, emeritierter Professor für Kriminologie und Polizeiwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, der taz. Die gesundheitlichen Risiken eines Einsatzes seien „nicht kalkulierbar“. So könne von Beamten nicht eingeschätzt werden, ob das Gegenüber gesundheitliche Einschränkungen habe.
Zudem sinke die Hemmschwelle „durch eine von der Politik implizierte geringere Gefährlichkeit des Tasers im Vergleich zur Schusswaffe“, so Feltes. Recherchen aus den USA zeigten außerdem, dass die Geräte nicht immer zuverlässig funktionieren würden. Somit könnte es für Beamte zu kritischen Situationen kommen, „weil der Taser die Gefahr nicht behebt, sondern die Polizisten gefährdet“.
Bisher setzen zehn Bundesländer Taser im Streifendienst ein, einige lehnen den Einsatz jedoch mit Verweis auf die Nachteile ab. Dobrindt räumte ein, dass die Befürworter vor allem in den Reihen der Polizei selbst zu finden seien.
SPD-Politiker Wiese begrüßt Kabinettsbeschluss
Doch auch vom Koalitionspartner kommt Zustimmung. „Ich begrüße es, dass die Bundesregierung das entsprechende Gesetz zum flächendeckenden Einsatz von Tasern nun beschließt und hatte mich auch in den Koalitionsverhandlungen dafür eingesetzt“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, der taz. Gerade in gefährlichen Einsatzlagen könne der Taser ein wichtiges Mittel sein, „um Gewalt zu deeskalieren und die Sicherheit sowohl der Einsatzkräfte als auch der betroffenen Personen zu erhöhen“.
Die Grünen hingegen melden Bedenken an. „Innenminister Dobrindt tut so, als sei die Diskussion zum Taser-Einsatz abgeschlossen – dabei ist bis heute noch nicht einmal das Pilotprojekt beendet, geschweige denn ausgewertet“, bemängelt der innenpolitische Sprecher der Partei im Bundestag, Marcel Emmerich.
„Statt auf belastbare Daten und eine fundierte Folgenabschätzung zu warten, werden nun Fakten geschaffen und so Menschen in Gefahr gebracht.“ Das Vorgehen sei „nicht nur sicherheitspolitisch überhastet, sondern auch grundrechtlich fahrlässig“.
Der Bundestag muss dem Gesetzentwurf noch zustimmen, der Termin steht aber noch nicht fest. Die rund 45.000 Bundespolizist*innen sind unter anderem für Grenzschutz, Bahnpolizei und Luftsicherheit zuständig.
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