Deutsche Olympia-Bewerbungen: Kreativer Wettkampf um Nachhaltigkeit
Ob München, Berlin, Hamburg oder Ruhrgebiet: Alle Bewerbungskonzepte geben sich als nachhaltig aus. Hamburg ist dabei am kreativsten geworden.

D ie deutschen Olympia-Bewerbungen muss man loben. Alle vier, ob Hamburg, Berlin, München oder das Ruhrgebiet, versprechen die nachhaltigsten Olympischen Spiele aller Zeiten und werben mit ihren tollen, ressourcenschonenden Konzepten, die alles, aber bloß keine gigantischen Neubauprojekte nur für ein zweiwöchiges Sportevent beinhalten. Besonders Hamburg ist dabei kreativ geworden, wie man die vorgegebenen Nachhaltigkeitsansprüche gewährleisten kann.
In München, da haben sie Glück, können sie immerhin auf das alte Olympia-Gelände von 1972 zurückgreifen. Andere Anlagen, zum Schießen oder Reiten etwa, stehen auch noch von 1972 herum. Nur ein bisschen muss der bestehende Olympiapark erweitert werden. Und ein nagelneues olympisches Dorf braucht es. Das aber werde in der anschließenden Nachnutzung ein „klimaneutrales und barrierefreies Mehrgenerationenquartier für mehr als 10.000 Menschen“, verspricht die bayerische Landeshauptstadt.
Wie München hat auch Berlin den Vorteil, immerhin schon das Herzstück Olympischer Spiele vorwiesen zu können – ein passendes Stadion. Ansonsten soll, wie auch bei den anderen deutschen Bewerbern, ganz viel „temporär“ entstehen – ob nun ein Beachvolleyballfeld vor dem Brandenburger Tor oder ein Basketballplatz auf dem Tempelhofer Feld.
Wie nun aber, in einem Gesamtpaket erarbeitet, die Nachhaltigkeitsbilanz aussehen würde, ist bislang völlig offen. Obwohl es an Vorbereitungszeit nicht mangelte, befindet sich die Nachhaltigkeitsstrategie derzeit noch „in Erarbeitung“.
Auch Brisbane wollte nachhaltig sein
Im Herzen von Essen oder Köln soll man sich wohl eine große Gerüstkonstruktion vorstellen, mit der das Ruhrgebiet versucht, wegen seines fehlenden Olympiastadions mit einem nachhaltigen Kniff den Anforderungen des Internationalen Olympischen Komitees zu genügen. Dann, so verspricht NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), seien sogar 95 (!) Prozent aller benötigten Sportstätten entweder schon vorhanden oder würden nur temporär und damit nahezu CO2-neutral errichtet.
Ob diese Nachhaltigkeitsversprechen wirklich glaubhaft sind, kann schon jetzt angezweifelt werden, wo es allerorten noch an detaillierten Planungen fehlt: Auch in Brisbane, wo schon in sieben Jahren die Olympischen Spiele stattfinden, wollte man vor allem auf die bestehende Infrastruktur setzen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Im März zog der zuständige Premierminister des Bundesstaates Queensland die Reißleine: Mit der Nutzung mehrerer bestehender Stadien und Hallen wird es nichts, allein das nun doch komplett neu zu bauende Olympiastadion wird wohl 2,1 Milliarden Euro verschlingen – und das mitten im als Natur- und Kulturerbe deklarierten Victoria-Park.
Dagegen ist das Hamburger Bewerbungskonzept auf feinsinnige Art unerreichbar nachhaltig: Zwar hat die Stadt kein passendes Olympiastadion, will aber auch gar keins bauen. Tja! Man habe sich halt letztens mit den Fußballern des HSV wegen des Volksparkstadions zusammengesetzt und plötzlich gemerkt, dass in, Pi mal Daumen, 20 Jahren das vor erst 27 Jahren neu gebaute und vor zwei Jahren für 30 Millionen Euro sanierte Stadion ein wirtschaftlicher Totalschaden sein wird, der einen Neubau nötig machen wird.
Also die elegante, total nachhaltige Lösung: Es wird kein Olympiastadion neu gebaut, sondern lediglich eine neue HSV- und Multifunktionsarena, in der dann aber zuerst die Olympischen Spiele stattfinden. Und gerade noch gut genug sein wird im Jahr 2040 oder 2044 das offenbar schon kurz vorm Bröckeln stehende Volksparkstadion immerhin noch für die Schwimmwettbewerbe. Ökologisches Olympia-Herz, was willst du mehr?
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