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Deutsche Olympia-BewerbungenKreativer Wettkampf um Nachhaltigkeit

André Zuschlag
Kommentar von André Zuschlag

Ob München, Berlin, Hamburg oder Ruhrgebiet: Alle Bewerbungskonzepte geben sich als nachhaltig aus. Hamburg ist dabei am kreativsten geworden.

Übergeben: Hamburg hat vergangene Woche sein Bewerberkonzept eingereicht Foto: Danuiel Bockwoldt/dpa

D ie deutschen Olympia-Bewerbungen muss man loben. Alle vier, ob Hamburg, Berlin, München oder das Ruhrgebiet, versprechen die nachhaltigsten Olympischen Spiele aller Zeiten und werben mit ihren tollen, ressourcenschonenden Konzepten, die alles, aber bloß keine gigantischen Neubauprojekte nur für ein zweiwöchiges Sportevent be­inhalten. Besonders Hamburg ist dabei kreativ geworden, wie man die vorgegebenen Nachhaltigkeitsansprüche gewährleisten kann.

In München, da haben sie Glück, können sie immerhin auf das alte Olympia-Gelände von 1972 zurückgreifen. Andere Anlagen, zum Schießen oder Reiten etwa, stehen auch noch von 1972 herum. Nur ein bisschen muss der bestehende Olympiapark erweitert werden. Und ein nagelneues olympisches Dorf braucht es. Das aber werde in der anschließenden Nachnutzung ein „klimaneutrales und barrierefreies Mehrgenerationenquartier für mehr als 10.000 Menschen“, verspricht die bayerische Landeshauptstadt.

Wie München hat auch Berlin den Vorteil, immerhin schon das Herzstück Olympischer Spiele vorwiesen zu können – ein passendes Stadion. Ansonsten soll, wie auch bei den anderen deutschen Bewerbern, ganz viel „temporär“ entstehen – ob nun ein Beachvolleyballfeld vor dem Brandenburger Tor oder ein Basketballplatz auf dem Tempelhofer Feld.

Wie nun aber, in einem Gesamtpaket erarbeitet, die Nachhaltigkeits­bilanz aussehen würde, ist bislang völlig offen. Obwohl es an Vorbereitungszeit nicht mangelte, befindet sich die Nachhaltigkeitsstrategie derzeit noch „in Erarbeitung“.

Auch Brisbane wollte nachhaltig sein

Im Herzen von Essen oder Köln soll man sich wohl eine große Gerüstkonstruktion vorstellen, mit der das Ruhrgebiet versucht, wegen seines fehlenden Olympiastadions mit einem nachhaltigen Kniff den Anforderungen des Internationalen Olympischen Komitees zu genügen. Dann, so verspricht NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), seien sogar 95 (!) Prozent aller benötigten Sportstätten entweder schon vorhanden oder würden nur temporär und damit nahezu CO2-neutral errichtet.

Ob diese Nachhaltigkeitsversprechen wirklich glaubhaft sind, kann schon jetzt angezweifelt werden, wo es allerorten noch an detaillierten Planungen fehlt: Auch in Brisbane, wo schon in sieben Jahren die Olympischen Spiele stattfinden, wollte man vor allem auf die bestehende Infrastruktur setzen.

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Im März zog der zuständige Premierminister des Bundesstaates Queensland die Reißleine: Mit der Nutzung mehrerer bestehender Stadien und Hallen wird es nichts, allein das nun doch komplett neu zu bauende Olympiastadion wird wohl 2,1 Milliarden Euro verschlingen – und das mitten im als Natur- und Kulturerbe deklarierten Victoria-Park.

Dagegen ist das Hamburger Bewerbungskonzept auf feinsinnige Art unerreichbar nachhaltig: Zwar hat die Stadt kein passendes Olympiastadion, will aber auch gar keins bauen. Tja! Man habe sich halt letztens mit den Fußballern des HSV wegen des Volksparkstadions zusammengesetzt und plötzlich gemerkt, dass in, Pi mal Daumen, 20 Jahren das vor erst 27 Jahren neu gebaute und vor zwei Jahren für 30 Millionen Euro sanierte Stadion ein wirtschaftlicher Totalschaden sein wird, der einen Neubau nötig machen wird.

Also die elegante, total nachhaltige Lösung: Es wird kein Olympiastadion neu gebaut, sondern lediglich eine neue HSV- und Multifunktionsarena, in der dann aber zuerst die Olympischen Spiele stattfinden. Und gerade noch gut genug sein wird im Jahr 2040 oder 2044 das offenbar schon kurz vorm Bröckeln stehende Volksparkstadion immerhin noch für die Schwimmwettbewerbe. Ökologisches Olympia-Herz, was willst du mehr?

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André Zuschlag
Redakteur taz nord
Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.
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4 Kommentare

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  • Hamburg hat kluge Bürger die rechnen können und den Zustand der Stadt kennen.



    Das haben sie schon vor Jahren gezeigt, als eine Olympiade schon einmal von den Bürgern abgelehnt wurde.



    Da sich in Hamburg bis auf ein paar Shoppingmalls nichts, aber auch gar nichts verbessert hat, werden die Bürger auch dieses Mal -sollten sie denn gefragt werden- kein Olympia in Hamburg wünschen.



    Was den Rest des Nordens angeht, sind mir die Worte des SH- Landesfürsten im Ohr: "Schleswig-Holstein ist ein armes Bundesland"

  • Das einzig Nachhaltige das die Olympiaoffiziellen interessiert, ist der gigantische Profit. Die Nachhaltigkeitsideen der Politiker*innen sehen etwas anders aus: Publicity für den nächsten Wahlkampf. Und den Bürger*innen versuchen alle gemeinsam zu suggerieren, dass alles wäre eine riesige Ehre, eine Chance, unvergesslich. Und viele fallen auf diese Schimäre herein...

  • Bloss keine Massen-Events in Hamburg - die Stadt ist voll genug mit Besuchern, Müll und Staus!! Für Anwohner bedeutet solch ein Event oft erzwungene Umwege, Kontrollen, übervolle Öffis, massenhaft Müll, höhere Preise und Anderes.



    Mir ist auch der G20-Gipfel unseres Ex-Kanzlers noch in übler Erinnerung. Also bitte fragt erstmal die HamburgerInnen!

  • Was braucht Deutschland, was brauchen Hamburg, aber auch Berlin? Wohnungen, bezahlbare Wohnungen, Sport- und Spielstätten für die Menschen, die dort lebe. Schwimmbäder, damit Kinder schwimmen lernen können und Menschen mit Behinderungen sich leichter und schmerzfreier bewegen können.

    Was das Land nicht braucht, ist Olympia, ein Loch, in dem Steuergelder verschwinden.