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Abkehr von feministischer AußenpolitikWadephul justiert sein Haus neu

Der neue Außenminister hält nicht viel von feministischer Außenpolitik. Frauenrechtsorganisationen möchten deshalb das Gespräch mit ihm suchen.

Außenminister Wadephul (CDU) will „eigene Akzente setzen“ und die feministische Außenpolitik seiner Vorgängerin nicht fortsetzen Foto: Ralf Hirschberger/afp pool/dpa

Berlin taz | Eine Überraschung war es nicht, dass der frisch vereidigte Außenminister Johann Wadephul (CDU) mit der feministischen Außenpolitik seiner Amtsvorgängerin Annalena Baerbock (Grüne) brechen will. „Jeder muss doch seine eigenen Akzente setzen können“, sagte er jüngst den Sendern RTL und ntv.

Im Koalitionsvertrag der Ampel hatte es noch geheißen, dass Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Mädchen und Frauen im Sinne einer feministischen Außenpolitik weltweit gestärkt werden sollten. Die UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“, die als Meilenstein zur Ächtung sexueller Kriegsgewalt gilt, wollte die Ampel „ambitioniert“ umsetzen und weiterentwickeln. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD hingegen kommt der Begriff der feministischen Außenpolitik nicht mehr vor. Erwähnt werden zwar die Resolution 1325 sowie die Istanbul-Konvention gegen Gewalt gegen Frauen – allerdings am Ende des Kapitels und in wenigen dürren Worten.

In der ersten Sitzung des neuen Kabinetts wurde zudem beschlossen, neben 24 weiteren Beauftragtenposten auch den der Diplomatin Gesa Bräutigam abzuschaffen, die unter Baerbock Botschafterin für feministische Außenpolitik war. Auf die Frage, was mit der Leitlinie zu feministischer Außenpolitik passiert, die Baerbock Anfang März 2023 zusammen mit der damaligen Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) vorgestellt hatte, heißt es vom Auswärtigen Amt: Die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ umzusetzen, bleibe „ein bedeutender Teil“ der ­Außenpolitik.

Wadephul, der als Vertrauter von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gilt, sagte zudem, er wolle sich für die Förderung von Frauen in seinem Ministerium einsetzen. „Ich bin auch absolut überzeugt, dass die Art und Weise, wie Frauen an manche Themen herangehen, eine zu geringe Wertschätzung erfahren hat in der Vergangenheit. Ich bin auch der Auffassung, dass im Auswärtigen Amt Frauen mehr und schneller verantwortungsvolle Positionen wahrnehmen müssen“, sagte er t-online. Die neue Hausleitung unter Wadephul allerdings besteht aus vier Männern und nur einer Frau, ­Staatsministerin ­Serap Güler.

Baerbocks widersprüchliches Erbe

In seiner Rede zum Amtsantritt umriss Wadephul, worauf er seine Politik künftig ausrichten will: „Ich spreche von einer sicherheits-, interessen- und wirtschaftsgeleiteten Außenpolitik“, sagte er. Ihm sei daran gelegen, „angesichts der gegenwärtigen geopolitischen Realitäten und Krisen weltweit eine grundnüchterne Prioritätensetzung vorzunehmen“.

Monika Hauser, Vorständin der Frauenrechtsorganisation medica mondiale, sagte der taz: Wadephul habe gesagt, er wolle sich auf die „großen Konfliktherde“ wie die Ukraine, Nahost und Iran konzen­trieren. Das seien Dinge, die ihn „deutlich mehr“ beschäftigten als feministische Außenpolitik. „Aber es ist ein großer Irrtum, zu denken, dass diese ­Beschäftigung im Widerspruch zu feministischer Außenpolitik steht“, so Hauser. Weil Po­li­ti­ke­r:in­nen das über Jahrzehnte so gesehen hätten, sei die Welt erst in der Lage, in der sie ist. Eine wertegeleitete Außenpolitik und die Priorisierung von Frauen- und Menschenrechten müssten weiterhin vorne stehen.

Auf die Frage, inwiefern Baer­bock ihre eigenen Prinzipien der feministischen Außenpolitik umgesetzt habe, sagte Hauser: „Das ist eine schwer zu beantwortende Frage.“ Baerbock habe mit Putins Krieg gegen die Ukraine und der Eskalation in Nahost in einer schwierigen globalen Lage das Amt angetreten und versucht, einen innovativen Ansatz zu verfolgen. „Wir schätzen, dass Baerbock die feministische Außenpolitik eingeführt und Maßnahmen zur strukturellen Verankerung im Auswärtigen Amt durchgesetzt hat. Dennoch hätten wir uns mehr gewünscht, insbesondere bei der Finanzierung von Frauenrechtsarbeit und der Transparenz hinsichtlich der Umsetzung.“ Gleichzeitig, so Hauser, erkenne sie an, dass „stille ­Diplomatie“ manchmal nicht nach außen getragen werden könne.

Hauser erklärte, mit Mitgliedern des Netzwerks 1325 – darunter Amnesty Interna­tio­nal, Deutscher Frauenrat und UN Women – auf Wadephul zugehen zu wollen. „Wir fordern eine feministische Politik, die Gewalt gegen Frauen als das anerkennt, was sie ist: ein globales Machtinstrument. Und die die Rechte von Frauen konsequent ins Zentrum stellt“, sagte sie.

Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes schrieb, es sei „enttäuschend und besorgniserregend“, dass viele ­Signale im Koalitionsvertrag auf eine Abkehr von feministischer Außenpolitik hindeuteten. Es sei nun „an der Opposition und der Zivilgesellschaft, diese umso vehementer einzufordern. Wenn Mädchen und Frauen verlieren, verlieren alle.“ Mit einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik gewinne im Umgang mit Krisen und Konflikten hingegen die gesamte Gesellschaft.

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16 Kommentare

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  • Die Diskussion scheint mir sich mehr um die Marke zu drehen als um die tatsächlichen Inhalte. Letztere klingen nämlich gar nicht so verschieden, während die "Argumente" der Kritiker*_:Innen sich dann doch mehr wie Forderungen nach verbale Götzendienst anhören.

    Wenn Wadephuls "Abkehr von der feministischen Außenpolitik" vor allem darin besteht, dass er sich als Mann nicht das haushohe moralische Ross seiner Vorgängerin zu eigen macht, sollten gerade die härtesten Feministinnen dagegen eigentlich wenig einzuwenden haben. ;-)

  • Kann mir jetzt bitte jemand verraten, was denn diese feministische Außenpolitik sein soll?



    Im Text steht dazu "schwierige Frage" und dass sich die Regierung für ein Thema stark gemacht hat, was dieses Land ja gar nicht betrifft, sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe.



    Wenn niemandem eine Antwort einfällt könnten wir die feministische Außenpolitik als den inhaltsleeren Wahlkampfslogan werten, der sie immer war. Dann müssen wir nicht so tun als "verlieren" wir hier irgendetwas und uns auf andere Dinge konzentrieren, z.B. dass die Regierung das Informationsfreiheitsgesetz abschaffen möchte.

  • Ach was! Vagel Bülow

    “Jeder muss doch seine eigenen Akzente setzen können“, sagte er jüngst den Sendern RTL und ntv.“

    Das will ich meinen!



    Jetzt also nach uns aller Trallafitti Annalena - der Nußknacker von achtern Diek twüschen denn Meeren* Abi an der einst Lateinschule von 1540! OTL 🪖 d.R. ut Ditmarschen - wo es doch noch hück heet ”Waar die Gaar‘ - de Buur de kümmt!“.un “Leever duad as Slav!“ 👨‍🌾



    Un Hola! 🙀 - Promoviert über ☝🏿 Da schau her!



    “Die Vereinbarung der Betriebspartner“

    Das Betriebsverfassungsgesetz schreibt in § 2 Abs. 1 vor, dass die Betriebspartner, also Arbeitgeber und Betriebsrat, unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes zusammen arbeiten sollen.

    Der § 74 BetrVG regelt die Grundsätze für die Zusammenarbeit: Arbeitgeber und Betriebsrat sollen mindestens einmal im Monat zu einer Besprechung zusammentreten. Sie sollen über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten machen.“



    Kann Verhandeln wenigstens ✍️! & 🌊 & 🐂

  • Baerbock hat feministische Außenpolitk gemacht?

    Ich dachte Baerbock ist auf der Gegenseite, so sie im Herbst 22, als die Frauen im Iran getötet wurden oder in Foltergefängnissen landeten als sie für ihre Freiheit kämpften, im Bundestag von sich gab, der Terror gegen die Frauen im Iran habe nichts, aber auch gar nichts mit Religion zu tun.

    Echt jetzt??

    Der Terror im Iran und ähnlichen Diktaturen basiert auf Religion, einzig und allein auf Religion. Und Chameini gilt als Großayatollah als Vertreter Gottes.

    Kompetenter Widerspruch folgte umgehend:

    EMMA: "Die Islamische Republik Iran, die 1979 von Ayatollah Khomeini ins Leben gerufen wurde, basiert auf „göttlichen Vorschriften“. Dazu gehört auch die skandalöse Geschlechterordnung, die ausschließlich theologisch fundiert ist. Konstitutiv ist dabei die Dominanz von Männern, die Gehorsamspflicht von Frauen gegenüber ihren Ehemännern, die institutionalisierte Diskriminierung von Frauen und ein Gesetz, dass die Verhüllung des weiblichen Körpers und Haares vorschreibt. Zuwiderhandlungen werden stets mit Repressionen bestraft."

    Wadephul kann es nur besser machen.

    www.emma.de/artike...gion-zu-tun-339811

  • Feminismus ist weiß Göttin nicht alles. Er ist ein wichtiger Bestandteil universaler Gleichberechtigung und ihrer Unterstützung.



    Aber auch in der Außenpolitik nicht alles. Ich muss die Union oder Wadephul und seine Ansätze nicht mögen, um ihm als indirekt Gewählten das zuzugestehen.



    Klug wäre es dabei wohl schon, auch die Feminismus-Karte nicht ganz zu vergessen.

    • @Janix:

      Mir gefällt ihr Kommentar bisher am Besten von allen.

  • Vor allem fordert man vermutlich Steuergeld für die eigene NGO.

  • In einem anderen Artikel hier in der TAZ wurde heute zurecht gefragt, wie sich der von AB behauptete feministische Ansatz im Umgang mit der unfassbaren Gewalt gegen palästinensische Frauen, Kinder und Zivilisten ausgewirkt hat.

    Leider gibt es hier dazu keine gute Erläuterung außer der Einschätzung von Fr Hauser : „… dass „stille ­Diplomatie“ manchmal nicht nach außen getragen werden könne.“



    Dann sollte das Motto lauten: Tue Gutes und rede darüber!

    Fr Baerbock’s Politik war mM nach der von Hrn. Maas ein weiterer diplomatischer Totalausfall.



    Hr Wadephul tritt da in sehr kleine Fußstapfen und wird nicht Viel benötigen, um es besser zu machen

  • Menschenrechte reichen. Sie umfassen alle Menschen, da braucht man keine bestimmten Gruppen mehr explizit hervor zu heben.

    Im Gegenteil: Wer dies tut, der steht im begründeten Verdacht, das Prinzip universeller, für alle Menschen gleiche Menschenrechte zu unterminieren. Und genau das sah man auch bei Bearbock und man wird es auch bei Wadephul sehen, der ehrlicherweise gar nicht erst von Menschenrechten spricht, sondern gleich von den wirklichen deutschen Interessen: „Ich spreche von einer sicherheits-, interessen- und wirtschaftsgeleiteten Außenpolitik“.

    "In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt."

    (Egon Bahr, vor einer Klasse von Gymnasiast:innen)

    • @Uns Uwe:

      Nein, denn du unterstellst, dass wir alle bereits 'gleich' seien und das ist, insbesondere wenn man sich die internatonalle Lage im Zeitverlauf ansieht, keineswegs so. Wer sowas schreibt, ist in meinen Augen ein verblendeter "alter, weißer Mann" der von seiner eigenen priviligierten Lage nicht abstrahieren kann.

    • @Uns Uwe:

      Sorry, hier geht es ganz explizit um Frauenrechte:

      Z. B. das Thema Genitalverstümmelung.

      Immer mehr Frauen sind von Genitalverstümmelung betroffen. Etwa 8.000 Mal pro Tag wird der Eingriff durchgeführt – mit Werkzeugen wie Messern, Rasierklingen oder auch Glasscherben. 200 Millionen Frauen weltweit leben laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits mit den Folgen weiblicher Genitalverstümmelung.

      Und laut der Organisation "End FGM European Network" sind es in der EU mehr als eine halbe Million Frauen.

      Wäre übrigens auch mal ein Job für den Innenminister. Von Faeser kam da ja nichts.



      Mehr als 100.000 verstümmelte Mädchen leben in Deutschland, 17.000 sind derzeit potenziell gefährdet.

      Die meisten Frauen weltweit sind weit entfernt von irgendwelchen Menschenrechten. Der Alltag ist Sklaverei.

      www.emma.de/artike...explodieren-339201

    • @Uns Uwe:

      Nur kann die Geltung von Demokratie und Menschenrechten zu verankern sehr gut für die Interessen von Staaten und ihrer Menschen sein.



      Wir wollen sicher nicht in einem Staatensystem leben, wo zwei bis vier große Elefanten alles niedertrampeln.

      • @Janix:

        Stimmt. Und wir wollen sicher keine Bundeswehr in Afghanistan, die vorgibt, dort Frauenförderung zu betreiben und in Wahrheit eigentlich nur Rohstoffförderung schützen soll. Das ist wohl das, was Egon Bahr richtig beschreibt.

  • Frau Baerbock hat zu keinem Zeitpunkt erläutert, was unter "feministischer Außenpolitik" zu verstehen sein soll. Wenn dem neuen Außenminister - so wie mir - das Verständnis für diesen Terminus fehlen sollte, dann ist eine Abkehr ja nur folgerichtig.

    Im übrigen hat es sich seine Vorgängerin bei so vielen anderen Staaten derart verscherzt, dass Herr Wadephul erst einmal wider eine vermittelnde Linie ins Außenministerium bringen muss.

    Weniger "erhobener Zeigefinger" und dafür mehr "grundnüchterne Prioritätensetzung" sind doch ein vielversprechender Ansatz.

  • Huch, wo war denn bitte eine "feministische Außenpolitik" sichtbar in der letzten Regierung?

    • @Thomas O´Connolly:

      An jeder Ecke auf den Wahlplakaten ;)



      Sonst schwierig. Aber Feminismus wird ja oft unsichtbar gemacht.