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Papst Franziskus und MileiAlles für die versöhnlichen Bilder

Jürgen Vogt
Kommentar von Jürgen Vogt

Der argentinische Präsident Javier Milei hat den Papst einst als „linken Hurensohn“ beschimpft. Nun reist er zu seiner Beerdigung. Was soll das?

Erst beschimpft er ihn, dann macht er sich lieb Kind beim Oberhaupt der katholischen Kirche: der argentinische Präsident Milei Foto: Vatican Media/ap

V ergessen scheint, dass Argentiniens libertärer Präsident Javier Milei Papst Franziskus als „Vertreter des Bösen auf Erden“ und „linken Hurensohn“ beschimpfte, der mit Teufelszeug wie der katholischen Soziallehre „Neid, Hass, Missgunst, Mord und Diebstahl“ schüre. Öffentlich dafür entschuldigt hat sich Milei nicht. Doch schon das Treffen zwischen Papst Franziskus und Javier Milei in Rom im Februar 2024 verlief überraschend herzlich. Der Papst wusste, dass der neue Präsident alles, was mit staatlicher Hilfe für die Armen zu tun hatte, mit dem Rotstift überprüfte. Und Milei, gerade drei Monate im Amt, wollte die versöhnlichen Bilder.

Wenn Milei mit großem Gefolge zur Beerdigung von Papst Franziskus am kommenden Samstag fliegt, dreht sich wieder alles um Bilder. Die Delegation, bestehend aus dem Präsidenten und fünf hochrangigen Ministern, mag für einen verstorbenen Papst aus Argentinien verständlich erscheinen. Doch in Argentinien hat der Parlamentswahlkampf begonnen und die Tatsache, dass Kandidat und Präsidentschaftssprecher Manuel Adorni mit an Bord ist, offenbart den Wunsch nach emotionalen Bildern aus Rom.

Was von Franziskus' Kirche der Armen übrigbleibt, wird sich zuerst in Argentinien zeigen. Zwei der wichtigsten Ämter konnte der Papst trotz heftiger interner Widerstände mit Priestern aus der Bewegung Curas Villeras besetzen. Beide lebten und arbeiteten über 20 Jahre in Armenvierteln. Im Mai 2023 ernannte er Jorge García Cuerva zum Erzbischof von Buenos Aires. Im November 2024 berief er Gustavo Carrara zum Erzbischof von La Plata, der Provinzhauptstadt von Buenos Aires. Carrara hatte sich zuvor bei Milei dafür entschuldigt, dass er ihn bei einem Protestgottesdienst im Juni kritisiert hatte.

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Bei aller Barmherzigkeit ist Armutsbekämpfung auch in Argentinien ein erfolgreiches Geschäftsmodell, wenn es darum geht, neue Schäfchen zu gewinnen. Seit Milei den Basisorganisationen der Vorgängerregierung die finanziellen Zuwendungen weitgehend entzogen hat, versuchen andere, an die knapper werdenden Mittel zu kommen. Dabei konkurriert die Christliche Allianz der Evangelikalen Kirchen der Argentinischen Republik mit katholischen Organisationen wie dem erzkonservativen Opus Dei und eben der Bewegung Curas Villeras, Franziskus' Priestern aus den Armenvierteln.

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Jürgen Vogt
Korrespondent Südamerika
Kommt aus Karlsruhe. Studierte Politische Wissenschaft in Hamburg und Berlin und arbeitete zwölf Jahre als Redakteur und Geschäftsführer der Lateinamerika Nachrichten in Berlin. Seit 2005 lebt er in Buenos Aires. Er ist Autor des Reisehandbuchs “Argentinien”, 2024, Reise Know-How Verlag.
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4 Kommentare

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  • „…Nun reist er zu seiner Beerdigung. Was soll das?“



    Dass der Wahlkampf in Argentinien eine Rolle spielt, mag ein Grund sein. Der andere: es wird einen neuen Papst geben. Die aktuellen katholischen Autokraten von Vance bis Milei haben ein grosses Interesse an der Stärkung des reaktionären rechten katholischen Milieus.

  • Tja, die Heuchlerkaravane ist gestartet. Aber Franziskus lacht sich sicher schon schlapp über all die Unreflektierten und vom Weg abgekommenen.

    • @Sonnenhaus:

      Manchmal hat der Papst mich in seiner Spontaneität an das folgende Gedicht erinnert:

      "Was keiner wagt ..."



      v. Lothar Zenetti

      Was keiner wagt, das sollt Ihr wagen,



      was keiner sagt, das sagt heraus,



      was keiner denkt, das wagt zu denken,



      was keiner ausführt, das führt aus.

      Wenn keiner ja sagt, sollt Ihr's sagen,



      wenn keiner nein sagt, sagt doch nein,



      wenn alle zweifeln, wagt zu glauben,



      wenn alle mittun, steht allein.

      Wo alle loben, habt Bedenken,



      wo alle spotten, spottet nicht,



      wo alle geizen, wagt zu schenken,



      wo alles dunkel ist, macht Licht!

      Lampedusa war ein Ort, an dem er Tacheles sprach, keine geschauspielerte o. inszenierte Heuchelei verbreitete wie andere Personen des öffentlichen Lebens, insbesondere d. Politik:



      "In einem dramatischen Appell rief er zu mehr Solidarität mit den verzweifelt Hilfesuchenden auf. Unsere Wohlstandskultur führe dazu, "dass wir nur an uns selbst denken, sie macht uns gefühllos dem Aufschrei der anderen gegenüber, lässt uns in schönen Seifenblasen leben", sagte der Papst in einer Messe auf dem Sportplatz der Insel. Vor etwa 10.000 Migranten und Inselbewohnern forderte er die Abkehr von einer "Globalisierung der Gleichgültigkeit".



      spiegel.de 2013

  • Vielleicht hilft auch ein Blick auf die Reisen des Papstes:



    Argentinien hat er als Pontifex nicht besucht!



    “Als Jorge Mario Bergoglio verließ er Argentinien, als Papst kehrte er nicht mehr in seine Heimat zurück. Es gibt Gründe, warum er sich in seinem Geburtsland nicht mehr blicken ließ."



    Bei faz.net mit dem Titel:



    "Warum Franziskus Argentinien als Papst nie besuchte"



    Er hatte sicherlich überzeugende Argumente.



    Nix mit Friede, Freude, Eierkuchen.