Beerdigung des emeritierten Papstes: Die ihn liebten

Auch wenn die Trauerfeier für den emeritierten Papst Benedikt verhältnismäßig klein ausfällt: Tausende sind am Donnerstag auf den Petersplatz in Rom gekommen.

Ein Mann in grauer Kutte kniet auf dem Boden und betet, neben ihm eine Frau und vor ihm ein Kinderwagen

Gläubige bei der Messe Foto: Domenico Stinellis/ap

ROM taz | Es ist wenige Minuten vor neun, als sich der Nebel über dem Petersdom lichtet, just zu dem Zeitpunkt, zu dem der Sarg in hellem Zypressenholz auf den Platz vor der Kathedrale getragen wird, empfangen von langanhaltendem Applaus der Gläubigen.

Zu Tausenden sind sie gekommen, um dem Requiem für Benedikt XVI. beizuwohnen, haben seit dem frühen Morgen an den Sicherheitsschleusen unter den Kolonnaden geduldig die Kontrollen über sich ergehen lassen, bei denen, ganz wie am Flughafen, auch Mineralwasserflaschen und Parfumflacons eingezogen werden.

Eine derer, die in der Schlange warten, ist Elvira. Die etwa 30-jährige junge Frau fallen die gewellten roten Haare auf die Schultern. Sie trägt einen Lederrucksack von „Victoria’s Secret“ auf dem Rücken. Sie habe hier einfach nicht fehlen können, sagt Elvira, aus Catania ist sie angereist. Schließlich werde hier „der wohl größte Papst aller Zeiten“ zu Grabe getragen, erklärt sie dann, und ihre Augen leuchten. „Etwas ganz Besonderes“ sei Joseph Ratzinger gewesen, ein großer Theologe, zugleich aber auch „ein Mann von tiefer Demut“. Und Franziskus, der ihn heute zu Grabe trägt? Elviras Mund verzieht sich leicht, sie zuckt die Achseln. „Gar kein Vergleich“, befindet sie, offenkundig kann sie mit dem gegenwärtigen Papst nicht viel anfangen, „der will doch bloß allen gefallen, es allen recht machen“.

Auch eine sportliche, schlanke Dame in Trachtenjacke outet sich als Ratzinger-Fan. Anders als die Tracht vermuten ließe, kommt sie nicht aus Bayern, sondern aus Köln. Die Katholikin ist extra aus dem Rheinland eingeflogen, weil sie an diesem Tag einfach nicht fehlen mochte, „Benedikt war ein ganz Großer“ in ihren Augen. Während sie sich die kurz geschnittenen grauen Harre zurückstreicht, bringt sie, ganz ohne Nachfrage, ihr Bedauern darüber zum Ausdruck, „dass jetzt alles, auch Benedikts Wirken, auf die Missbrauchsfälle reduziert wird, so als sei er ganz allein daran schuld gewesen“, Missbrauch gebe es schließlich „in allen Vereinigungen“. Anders als die junge Frau aus Catania aber mag die Kölnerin höchstens „eine klitzekleine Spannung“ zwischen Ratzinger und dem gegenwärtigen Papst Jorge Mario Bergoglio ausmachen.

Bei Johannes Paul II. waren es mehr

An ihr vorbei kommt ein junger Bayer auf den Platz, er träge kurze Lederhosen, dicke Wollstrümpfe, ein buntgesticktes Wams. Auf dem Fuß folgt ihm ein Mann mit französischer Fahne über den Schultern, ein junges Paar aus Polen, aus Warschau, gekommen, um einen Mann zu würdigen, „der als Papst, als Theologe ungeheuer viel für die Kirche geleistet hat“. Und dann sind da noch zu Hunderten die Mönche, die Nonnen, die Priester – 3.700 von ihnen haben sich als „Mitzelebrierende“ der Messe angemeldet – die auf den Platz streben, von einem Vatikan-Gendarm in Uniform in den ihnen reservierten Block dirigiert.

Doch so rege der Andrang ist, so deutlich bleibt er doch hinter dem Massenansturm zurück, als am 8. April 2005 Papst Johannes Paul II. beerdigt wurde. Als etwa drei Millionen Menschen dem aufgebahrten Wojtyla im Petersdom die letzte Ehre erwiesen und dafür teils auch bis zu 20 Stunden angestanden hatten, als Hunderttausende der Totenmesse beigewohnt und Rom in den Ausnahmezustand versetzt hatten.

Als am Donnerstag dagegen das Requiem für Ratzinger begann, pünktlich um 9.30 Uhr, war der Petersplatz noch nicht komplett gefüllt. Selbst im Vatikanstaat war, anders als bei früheren Papstbegräbnissen, kein Feiertag verfügt worden – den dort Beschäftigten wurde lediglich freigestellt, „während der Arbeitszeit“ an den Trauerfeierlichkeiten teilzunehmen, sofern die „Funktionsfähigkeit der Büros“ gewährleistet sei.

Mancher Primat jedoch ist Ratzinger nicht zu nehmen: Er ist der erste Papst überhaupt, der von seinem Nachfolger zu Grabe getragen wurde, der erste auch, auf dessen Begräbnis kein Konklave, keine Wahl des neuen Papstes folgt. Für dieses Primat hatte Benedikt XVI. selbst gesorgt – mit seinem Rücktritt im Februar 2013. Der letzte vor ihm, der sich aus diesem Amt einfach aufs Altenteil zurückgezogen hatte, war im Jahr 1294 Papst Coelestin V. gewesen. Dafür schickte ihn Dante in seiner Göttlichen Komödie in die Hölle, während Ratzinger weitere fast zehn Jahre friedlich und abgeschieden im Vatikan, im Kloster Mater Ecclesiae, verbrachte und jetzt von Papst Franziskus ausgesegnet wurde.

Erster war Ratzinger auch darin gewesen, dass er seine Rolle als Zurückgetretener selbst definierte, ohne Franziskus groß zu fragen, dass er sich den Titel „Papa emeritus“, „emeritierter Papst“ verlieh, dass er aus eigenen Stücken beschloss, auch im Ruhestand weiter das päpstliche Weiß zu tragen.

Söder und Bayrische Fahnen

Jetzt aber, bei den Trauerfeierlichkeiten, war durchaus wahrzunehmen, dass nicht ein bis zuletzt amtierender, sondern „nur“ noch ein Papst a.D. beigesetzt wurde. Nur zwei Delegationen, aus Italien und Deutschland, das mit dem Bundespräsidenten, dem Bundeskanzler, der Bundestagspräsidentin vertreten war, waren offiziell geladen, nur eine Handvoll weiterer Staatsoberhäupter – aus Polen, Ungarn, Slowenien, Portugal – hatte sich eingefunden, ganz anders als seinerzeit für Wojtyla. Für den waren nicht nur George Bush, Jacques Chirac, Juan Carlos II., Kofi Annan, Tony Blair oder Lula nach Rom gekommen, sondern auch Ayatollah Khamenei und der afghanische Präsident Hamid Karzai.

Thomas Kopka, Gläubiger

„Heute beerdigt Gott die Kirche“

Dafür war diesmal auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder angereist, wehten am Ende der Messe deutsche und bayrische Fahnen über dem Petersplatz, wurde ein Transparent mit der Schrift auf Deutsch „Danke Papst Benedikt“ hochgehalten, denn auch dieses Primat hatte Ratzinger: Er war spätestens seit dem Tod Hadrians VI. im Jahr 1523 – den wegen seiner Geburt in Utrecht allerdings auch die Niederländer für sich reklamieren – der erste Deutsche auf dem Stuhl Petri.

Gewiss nicht der Erste war er jedoch als Papst, der mit der Moderne fremdelte, der zeitlebens gegen die Säkularisierung und den „Relativismus“ ankämpfte. Allerdings durfte er für sich beanspruchen, dass er wiederum der Erste war, der sich vor dem Groß- und Dauerskandal sexualisierter Missbrauch in der Kirche nicht einfach wegduckte, sondern, wenn auch viel zu zögerlich, den „Schmutz in der Kirche“ zum Thema machte.

Auch für Thomas Kopka, der zur Beerdigung aus Bielefeld nach Rom gefunden hat, steht die Missbrauchsfrage im Mittelpunkt. Der wohl 70-Jährige stellt sofort klar, er sei kein Katholik, sondern bloß „als Beobachter“ hier. Dann zeigt er auf den Petersdom,“ der wäre doch für Jesus sofort der Tempel gewesen, aus dem die Pharisäer vertrieben gehörten“. Heute, so Kopka, werde nicht nur Ratzinger zu Grabe getragen, „heute beerdigt Gott die Kirche“. Das ganze Zeremoniell erinnert ihn an die Trauerfeierlichkeiten für Königin Elisabeth II., „das war ja auch das Ende einer Epoche, und genauso ist es jetzt hier im Vatikan“. Ganz so weit will die Katholikin aus Köln in der bayrischen Trachtenjacke nicht gehen. So sehr sie Ratzinger bewundert habe, erklärt sie jedoch, so sehr sei es jetzt höchste Zeit, demnächst „einfach mal einen viel Jüngeren zum Papst zu wählen, damit sich endlich was tut, damit endlich frischer Wind in die Kirche kommt“.

Doch erst einmal nimmt der gebrechliche 86-jährige Franziskus von dem 95-jährigen Benedikt Abschied. Zum Ende der Messe legt der sichtlich bewegte Papst seine Hand auf den Sarg seines Vorgängers, und als der Sarkophag zurück in die Basilika getragen wird, zur Beisetzung in den Grotten von Sankt Peter, brandet wieder Beifall auf.

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