Überwachungssoftware Palantir: Protest gegen bundesweiten Einsatz von Überwachungsprogramm
Die Grünen kritisieren den geplanten bundesweiten Einsatz der Überwachungssoftware Palantir. Sicherheitspolitiker Konstantin von Notz droht mit Klage.

Eigentlich hatte die Ampelregierung Palantir einen Riegel vorgeschoben, wollte stattdessen ein eigenes IT-System entwickeln, mit denen es effizienter die eigenen Datenberge auswerten kann. Doch nun macht der Bundesrat Druck, die Software auch bundesweit zumindest als „Interimslösung“ einzusetzen. Der schwarz-rote Koalitionsvertrag hat sich hierzu nicht festgelegt, aber durchaus Spielräume für KI-gestützte Auswertung gelassen und allerhand weitere harte Law-and-Order-Maßnahmen gefordert.
Der grüne Sicherheitspolitiker Konstantin von Notz sagte der taz dazu: „Palantir ist seit Jahren aus vielerlei Gründen hochumstritten.“ So hätten deren Programme die in sie gesetzten sicherheitspolitischen Erwartungen nie erfüllt, weswegen auch europäische Polizeibehörde Europol mittlerweile vom Einsatz Abstand genommen habe.
Von Notz verwies darauf, dass der Einsatz mit erheblichen europa- und verfassungsrechtlichen Risiken behaftet sei und Palantir-Software auf Landesebene wiederholt erfolgreich beklagt wurde – „gerade mit Blick auf das in höchstem Maße erratische Agieren der Trump-Administration und durchaus fragwürdige Verbindungen der Unternehmensleitung muss die Frage des Einsatzes unseres Erachtens ohnehin gänzlich neu bewertet werden“, so der grüne Bundestagsabgeordnete.
„Nicht im Einklang mit Verfassungsrecht“
Er könne die Verantwortlichen der neuen Regierung daher nur warnen, Palantir auf Bundesebene doch noch Tür und Tür zu öffnen. „Die mit dem Einsatz verbundenen Risiken waren und sind gewaltig.“ Außerdem sehe er den Einsatz von Palantir mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, aber auch mit klaren europarechtlichen Vorgaben wie dem AI Act weiterhin „nicht in Einklang zu bringen“.
Seine Partei versperre sich nicht grundsätzlich dem Einsatz von Programmen für eine bessere automatisierte Datenanalyse, sondern sähen durchaus deren Notwendigkeit für die Arbeit der Sicherheitsbehörden, betonte von Notz. Man müsse aber sicherstellen, „dass der Einsatz rechtskonform erfolgt und nicht absehbar von Karlsruhe umgehend wieder kassiert wird“.
Laut dem am 21. März vom Bundesrat verabschiedeten Entschließungsantrag wollen die Länder für die Überwachungssoftware neben Daten von Sicherheitsbehörden, auch die von Gesundheits-, Waffen- und Ausländerbehörden einbeziehen. Ebenso könnten Mautdaten und allerhand biometrische Daten einbezogen werden. In den von der Software durchsuchten Datenbergen können zudem Personen auftauchen, die nur mit Verkehrsdelikten gespeichert sind oder nur eine Zeugenaussage bei der Polizei gemacht haben.
Kein grünes Aufbegehren im Bundesrat
Entsprechend haben Polizeiwissenschaftler*innen und Datenspezialist*innen immer wieder erhebliche Bedenken angemeldet – besonders mit Blick auf das US-militär- und -geheimdienstnahe Unternehmen von Thiel. Diskutiert wurde auch immer wieder, ob der Trump nahestehende Milliardär in der Software nicht doch ein Hintertürchen eingebaut hat – auch wenn das Unternehmen und auch Behörden dies abstreiten.
Trotz allem haben auch fünf Landesregierungen mit grüner Beteiligung dem Entschließungsantrag im Bundesrat zugestimmt – entgegen der grünen Beschlusslage: Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bremen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Eingebracht hatten den Antrag Bayern, Sachsen-Anhalt und Berlin, beigetreten war Hessen.
Die Zustimmung, die in der Berliner Bundestagsfraktion für Irritationen gesorgt haben dürfte, bedeutet nun allerdings noch nicht automatisch, dass jetzt auch Palantir-Software in allen diesen Ländern kommen muss: Das hängt zum einen von der künftigen Bundesregierung, aber auch den Diskussionen in den Länderregierungen.
So lehnt im schwarz-grün regierten Schleswig-Holstein beispielsweise der Grünen-Landtagsabgeordnete Jan Kürschner eine Palantir-Nutzung ab, wie er der taz sagte: „Hinter Palantir steht maßgeblich Peter Thiel, der auch die Agenda von Donald Trump und Elon Musk unterstützt. Der Anschaffung einer Überwachungssoftware eines Anbieters aus dem Umfeld Donald Trumps zur Steuerung unserer Polizei stehen daher durchgreifende Gründe entgegen.“
Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot steht einer Nutzung von Palantir eigentlich die mehrfach ebenfalls postulierte „digitaler Souveränität“ entgegen. Dennoch ist die Nutzung der Software des US-Konzerns nicht aus dem Spiel – zumal die CSU das Innenministerium bekommen soll. Und die Christsozialen nutzen Thiels Software ja bereits unter dem Namen „VeRA“ („verfahrensübergreifende Recherche und Analyse“) in Bayern.
Von Notz will in jedem Fall sehr genau verfolgen, ob die Koalition den Einsatz von Palantir auch auf Bundesebene forciert: „Die im Koalitionsvertrag angekündigte Gesetzgebung werden wir als Grüne sehr intensiv begleiten – nötigenfalls auch mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.“
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