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Eine Alternative zur KartoffelBrotige Type

Kommentar von Raweel Nasir

Aus einer migrantischen Perspektive kommt man vom Brot schnell auf brotig. Und wer ist am brotigsten? Von einem doch sehr deutschen Adjektiv.

Wohl deutsches Brot: Bernd, wieder mal leicht missmutig Foto: Paul-Philipp Braun/epd/imago

M it dem Wort Brot kann man mehr beschreiben als nur des Deutschen Lieblingsprodukt! Okay, besser gesagt, mit dem Wort „brotig“. Welche Assoziationen hast du, wenn du das Wort brotig hörst? Denkst du vielleicht an trocken wie Brot? Das trifft es schon ganz gut! Ich persönlich denke an: wenig bis keinen Eigengeschmack und irgendwie fade. Vielleicht auch ein bisschen langweilig und nichtssagend. Und vielleicht auch so, als würde noch was fehlen, als wäre es für sich allein genommen nicht komplett.

Kürzlich saß ich mit guten Freun­d:in­nen zusammen (alle nichtweiße Deutsche) und ein Kommilitone einer Freundin (ein weißer Deutscher) kam zur Sprache. Um ihr Unbehagen im Umgang mit dieser Person zum Ausdruck zu bringen, sagte sie: „Ach, die Person ist mir manchmal einfach etwas zu brotig!“

Wir mussten lachen und sie fragen, was sie genau damit meint. Sie konnte es nicht richtig ausdrücken, aber wir hatten eine ungefähre Ahnung. Einerseits natürlich, weil wir die Person kannten, aber vor allem, weil wir uns vorstellen konnten, was sie mit „brotig“ meint.

Schnell stellten wir fest, dass wir so einige brotige Menschen kannten und wenig über­raschend: Es waren alles weiße Deutsche

Schnell stellten wir fest, dass wir so einige brotige Menschen kannten, und wenig überraschend: Es waren alles weiße Deutsche, auch bekannt als Almans. Das soll natürlich nicht abwertend oder verallgemeinernd klingen. Wir alle lieben Almans mindestens genau so viel wie wir Brot lieben!

Aber manche von ihnen sind halt manchmal etwas brotig.

Abendessen, Abendbrot

Aus einer migrantischen Perspektive ist die deutsche Liebe zum Brot generell, sagen wir mal, interessant. Während sich viele migrantische Personen auf ein warmes Frühstück und Abendessen freuen, kann der Anblick einer deutschen Brotzeit etwas traurig wirken. Uyen Ninh (eine Vietnamesin, die in Deutschland lebt) hat dieses Phänomen sehr passend in einem Insta-Reel verarbeitet, als sie ihr Abendessen mit dem ihres deutschen Freundes verglich. Und wenn wir schon dabei sind: viel Erfolg, migrantischen Menschen zu erklären, warum es eigentlich Abendbrot heißt, wenn es gar nicht jedes Mal Brot zum Abendessen gibt! Auch ich, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, war als Kind davon verwirrt.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Was für alle unverständlich ist, egal ob migrantisch oder nicht, Kind oder erwachsen, niemand kann uns erklären, warum das deutsche Kindermaskottchen ein depressives Brot ist, was nicht gerade zum Anbeißen einlädt. Und ist Bernd das Brot eigentlich ein Schwarzbrot oder ein Sauerteigbrot oder ein Kastenweißbrot?

Aber zurück zum Wort brotig. Wenn das Wort als Adjektiv für Menschen verwendet wird (und hierbei möchte ich betonen, dass durchaus offen wäre, dieses Wort für jede Person zu verwenden, egal welcher Hintergrund), dann denke ich dabei nicht an arabisches Fladenbrot, französische Baguettes oder südasiatisches Naan. Auch ein wichtiger Punkt, das Wort soll selbstverständlich nicht als Beleidigung verwendet werden, sondern eine liebevolle und scherzhafte Beschreibung sein. Schließlich ist Brot lecker, nahrhaft und eine gute Grundlage für weiteren Belag!

Brotig eignet sich besonders gut als Ablösung für das Wort kartoffelig. Die Kartoffel ist ja schon längst seit der Pandemie und der neuentdeckten Leidenschaft, Sauerteigbrot zu züchten, out. Wer denkt noch bei dem Wort Kartoffel an Deutsche? Ich nicht! Beim Wort Brot sieht das schon anders aus!

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8 Kommentare

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  • "wenig bis keinen Eigengeschmack und irgendwie fade"



    Putzig, so empfinde ich Brot meistens im Ausland (nur Europa & USA, so weit bin ich noch nicht herumgekommen). Irgendwie haben die alle nur lahmes Weißbrot auf dem Tisch.



    Wenn deutsches Brot als Metapher für "wenig bis keinen Eigengeschmack und irgendwie fade" herhalten soll, hat der Sprecher offensichtlich noch kein richtiges Brot genossen. Hat wahrscheinlich immer nur nach dem vermeintlich "sicheren" Weißbrot gegriffen; das kennt man ja von Muttern. 😉



    Aber seit wann halten Metaphern schon einer genaueren Betrachtung stand?

  • "Das trifft es schon ganz gut! Ich persönlich denke an: wenig bis keinen Eigengeschmack und irgendwie fade."



    Offensichtlich hat der Autor noch nie echtes Brot gegessen. Das ist alles andere als fade. Komplexes Zusammenspiel aus Säure, Erdigkeit, Süße und Röstaromen. Und es gibt über 3000 Sorten mit jeweils einzigartigem Geschmack.



    Jedenfalls viel bunter und gesünder als der pappige, quasi geschmack- und nährwertfreie Klimakiller Reis.



    Hochachtungsvoll, eine stolze "brotige" Kartoffel!

  • Das ist interessant!



    Bisher habe ich mich mit Freunden und Bekannten wenig über Andere Bekannte unterhalten, im Sinne von Ihrer speziellen Art, die mit Ihrer Herkunft zusammenhängt.



    Die Perspektive des Migrationshintergrunds fehlt mir naturgemäß.



    Das Andere, bei der Begegnung mit Menschen als Teil einer anderen Gesellschaft, fand ich bisher auf eine aufschlussreiche Art fremd.



    Natürlich gibt es Viele Schimpfwörter über Deutsche und es gibt Gründe genug, über deutsche Taten in der Vergangenheit zu schimpfen.



    Ich habe, vom europäischen Gedanken eher stets das Verbindende gesucht.



    Viele suchen heute ja stets das Trennende.



    Das ist in der Politik so, wie auch im Privaten, wie ich hier lesen darf.



    Das finde ich bedauerlich. Allerdings sehe ich mich ja auch nicht in einem Topf mit einem "afd" Wähler, der möglicherweise den gleichen Pass hat, aber nicht Teil meiner Gesellschaft ist.



    So ist es natürlich auch speziell hierzulande Teil einer Community mit Migrationshintergrund zu sein.



    Deutsch ist für mich vegetarisch, im Gegensatz zum migrantischen Familienteil, wo es kein Essen ohne Fleisch gibt.



    Deutsch ist für mich auch bio, wichtiger als das Herkunftsland.



    Bernd mag ich!

  • Bernd das Brot ist ein Kastenweißbrot mit viel zu kurzen Armen. Mist.

  • Ist doch schön. Rassistisches denken macht vor niemandem Halt. Sogar die Argumentationsmuster sind die selben und somit ein so weiteres Beispiel, dass wir unabhängig von Hautfarbe und kulturellem Hintergrund soviel mehr gemeinsam haben als das was uns trennt. Die Unterschiede zwischen uns allen sind nur kleine Ausläufer an den Rändern, dass aller meiste Teilen wir.

  • Bernd ist natürlich ein Weissbrot. Aussen knusprig, innen fluffig.

  • Ganz amüsant. Ich verstehe als Deutscher nicht Meze - wie die Vorspeise so allgemein präsentiert wird. Schmeckt alles gleich langweilig. Dazu noch Fladen. Bäh, ungesunder Teig.

  • Dönrig. Gern und üblich mit Separatorenfleisch. So beliebt! Gibt es seit über 200 Jahren. Ursprung Türkei. Genauer: Anatolien.

    Während Brot bereits seit 7000 Jahren unterwegs ist. Erfunden zu einer Zeit als es erst 10 Millionen Menschen auf der Welt gab. Waren es die Ägypter, die damit begannen? Tatsächlich wurde jedoch schon vor 30.000 Jahren Mehl gemahlen. Das wäre dann das Paläolithikum, die Altsteinzeit gewesen. Eine Zeit, in der die Deutschen noch auf den Bäumen hockten. 28.000 Jahre vor den Germanen.

    Brot gab und gibt es überall auf der Welt. Deutschland gilt allerdings als Brotland Nr. 1. Kosmopoliten wissen: Eine German Bakery gibt es überall wo fortschrittliche Zivilisationen zu Hause sind.

    Warum? Das übliche halt: weil die Deutschen es am besten können. Die Vielfalt der Arten ist unglaublich. Abzuraten ist allerdings definitiv von Industriebroten, doch gutes Brot bleibt weiterhin der Favorit.

    Ein empfehlenswerter taz-Artikel vor einigen Tagen:

    taz: "Das gute Brot"



    taz.de/Schwieriges-Handwerk/!6081486/

    Kartoffeln sind übrigens auf die Inkas zurückzuführen. Auch vor etwa 7000 Jahren. Hier sind die Deutschen keine Weltmeister.

    Ausnahmsweise.