Neuaufstellung der Deutschen Bahn: Staatskonzern könnte erstmals eine Chefin bekommen
Die neue Koalition will Vorstand und Aufsichtsrat der Deutschen Bahn neu aufstellen. Erste Namen für den neuen Vorstandsvorsitz machen die Runde.

Doch längst wird über potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten für den Spitzenjob spekuliert. Die Besetzung des Chefpostens ist Sache des Kanzlers. Dafür dürfen die Gewerkschaften bei der Auswahl des Personalvorstands ein gewichtiges Wort mitreden. So war die Aufgabenteilung zwischen Eigentümer und Gewerkschaftsseite bisher.
Einer der Namen, die gelegentlich als Nachfolgeoption genannt werden, ist der des scheidenden Verkehrsministers Volker Wissing, einst FDP. Der mittlerweile parteilose Politiker hat sich im Konzern einen guten Ruf verschafft, weil er sich als erster Ressortchef seit Langem verlässlich für den Schienenverkehr eingesetzt hat. Realistisch erscheint diese Personalie allerdings nicht. Es fehlt die Managementerfahrung. Im Aufsichtsrat könnte Wissing ob seiner Fachkenntnis eher eine Chance haben.
Gestandene Manager von außen anzuheuern, dürfte im laufenden Sanierungsprozess auch nicht die erste Lösung darstellen. Fragt man Headhunter, ist das Anforderungsprofil des Bahnchefs schon umfangreicher als das bei einem nicht ständig im Licht der Öffentlichkeit stehenden Unternehmensvorstand. Gefragt ist neben den betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten auch der Umgang mit Ministern, Abgeordneten, Landräten und Medien. In Frage käme vielleicht ein erfolgreicher Bahnmanager aus dem Ausland.
Konkurrenz fordert Problemanalyse
Näher liegt daher eine interne Lösung. Lange wurde die Vorständin des Güterverkehrs, Sigrid Nikutta, als potenzielle Lutz-Nachfolgerin gehandelt. Die frühere Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe gilt als ehrgeizig und durchsetzungsstark. Allerdings hat sich die von ihr geführte Cargosparte zu einem notorischen Verlustbringer entwickelt. Bisher hat Nikutta nur tiefrote Zahlen präsentieren können. Außerdem hat sich die Vorständin mit der Gewerkschaft EVG über den Sanierungskurs verkracht. Zeitweilig habe man nicht mehr miteinander gesprochen, sagen Insider. Inzwischen ist der Streit beigelegt.
So könnte eine andere Vorständin zur Favoritin werden. Sie heißt Evelyn Palla, ist für den Regionalverkehr zuständig und seit 2022 im Konzernvorstand. Zuvor war sie unter anderem für die Österreichische Staatsbahn tätig und hat einiges an Auslandserfahrung. Die 52-jährige Betriebswirtin hat den Regionalverkehr wieder in die Gewinnzone geführt. Aus 22 Millionen Miesen wurden im vergangenen Jahr über 100 Millionen Euro Gewinn. Damit hat sie gezeigt, dass sie Sanierung kann. Fleiß hat sie auch an den Tag gelegt und nebenher den Lokführerschein gemacht. „Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt, im Führerstand zu sitzen“, sagt sie.
Die private Konkurrenz warnt vor einer überstürzten Personaldebatte. „Bevor die Politik die Top-Jobs bei der DB neu besetzt, muss sie ihr eigenes Strategiedefizit aufarbeiten“, verlangt Neele Wesseln vom Verband Die Güterbahnen. Die Wettbewerber fordern erst einmal eine gründliche Analyse vergangener Versäumnisse, bevor Personal ausgetauscht wird.
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