piwik no script img

RechtsextremismusAntifaschistischer Protest kann teuer werden

Im bayerischen Rosenheim zog ein Rechtsradikaler in den Stadtrat ein. AktivistInnen demonstrierten – und sollen nun bis 2.100 Euro Strafe zahlen.

Berüchtigt als „Corona-Rebell“: Der Rechtsextremist Stefan Bauer Foto: Alexander Pohl/imago

München taz | Weil sie laut gegen die Vereidigung eines Rechtsradikalen im Rosenheimer Stadtrat protestierten, hat die oberbayerische Stadt jetzt drastische Strafen gegen 14 AktivistInnen verhängt. Sie erhielten Hausverbot für die Sitzungssäle des Rathauses und sollen Bußgelder in Höhe von bis zu 2.100 Euro pro Person zahlen, wie örtliche Medien berichteten.

Bei den Protesten ging es um den berüchtigten „Coronarebellen“ Stefan Bauer, der schon öfter für Aufsehen oder – präziser gesagt – Skandale gesorgt hatte. Ihm gelang es mit seinem Verhalten, sogar aus seiner Partei, der AfD, ausgeschlossen zu werden. Und in Bayern selbst der AfD zu rechts zu sein, dazu gehört schon einiges. Schließlich gilt der Landesverband als besonders völkisch und klar auf Linie des Faschisten Björn Höcke. In der Landtagsfraktion sitzen auch rechtsextreme Burschenschaftler wie Daniel Halemba.

Und doch, Stefan Bauer duldete man seit 2021 nicht mehr in den eigenen Reihen. Er erhielt sogar Hausverbot in den Räumlichkeiten der Partei. Vorausgegangen war dem Parteiausschluss ein knapp einminütiges Video, das Bauer ins Netz gestellt hatte. Es zeigt ihn, wie er im Außenbereich der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Mauthausen in Oberösterreich steht und üble Kommentare absondert.

Ende Januar zog er in den Stadtrat ein

„Wenn man momentan sieht, wie die Freiheiten von uns Bürgern eingeschränkt werden, dann kann einem schon ganz anders werden“, sagt er in die Kamera und fährt fort, man hoffe nicht, dass jemand vorhabe, wieder Konzentrationslager einzurichten – „auch nicht für Leute, die die Impfung verweigern oder die sich nicht testen lassen wollen“. Das Ganze beschließt er mit einem besonders ekelhaften Vergleich: „Wir brauchen kein neues Zyklon B, sei es als AstraZeneca oder als Biontech. Nein, das brauchen wir nicht.“ Zyklon B war das Giftgas, das die Nationalsozialisten in den Gaskammern eingesetzt haben, um ihre Opfer zu ermorden.

Dieser Mann nun, der gern eine Schirmmütze auf dem kahlen Haupt trägt, zog Ende Januar – obwohl nicht mehr Mitglied der Partei – auf AfD-Ticket in den Rosenheimer Stadtrat ein. Der Grund: Einer der bisherigen drei AfD-Stadträte, Hans Raß, war im November gestorben. Der AfD-Kandidat, der bei der Kommunalwahl 2020 die viertmeisten Stimmen erhalten hatte, lebt inzwischen allerdings nicht mehr in der Stadt.

So kam die Nummer fünf, Stefan Bauer, zum Zuge und durfte für Raß nachrücken. Dass er der AfD nicht mehr angehört, spielt dem bayerischen Wahlrecht zufolge keine Rolle. Bei den Kommunalwahlen können Wählerinnen und Wähler nicht nur einer Liste, sondern auch einzelnen Kandidaten ihre Stimme geben. Bauer, der auf Platz sieben der AfD-Liste angetreten war, hatte so 3.726 Stimmen erhalten.

„Alle zusammen gegen den Faschismus“

Als Bauer nun, ganz in Weiß gekleidet, seinen Eid ablegen sollte, skandierten etliche Menschen im Saal: „Alle zusammen gegen den Faschismus!“ Oberbürgermeister Andreas März (CSU) rief die Polizei, ein Aufgebot von 40 Beamten begleitete die Störenfriede nach draußen, damit Bauer seinen Eid ablegen konnte. In einem Fernsehbeitrag des Regionalsenders RFO lässt sich die Szene beobachten.

Doch damit nicht genug. Einige Wochen nach dem Vorfall erhielten die DemonstrantInnen nun Post und wurden über die verhängten Strafen informiert. Sie halten die Reaktion des Rathauses für unverhältnismäßig. CSU-Mann März dagegen verteidigt das harte Vorgehen. Politischer Protest sei erlaubt, müsse aber im Rahmen der demokratischen Spielregeln erfolgen, zitiert ihn der Sender Radio Charivari Rosenheim.

Die Initiative für Erinnerungskultur, die sich in Rosenheim vornehmlich um die Verlegung von Stolpersteinen kümmert, die an Opfer der Nazis erinnern, schickte März eine Protestnote. In einem offenen Brief sprechen die Vertreter der Initiative von „einer vollkommen überzogenen Reaktion auf den friedlichen Protest gegen einen Rechtsextremen, der nun in die Lage versetzt wurde, die Stadtpolitik mit zu beeinflussen“.

Neue App #ROmember

Unter den DemonstrantInnen, die jetzt mit den Strafen belegt worden sind, waren offenbar auch zwei Mitarbeiter der Initiative, die sich ehrenamtlich um die Erinnerungskultur in Rosenheim verdient gemacht hatten. Einer von ihnen soll auch an einem neuen digitalen Angebot der Stadt beteiligt gewesen sein. Die App #­ROmember wurde gerade erst gelauncht und bietet einen interaktiven Zugang zur Geschichte der Nazis in Rosenheim. Gemeint sind die Nazis im Nationalsozialismus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Wer die Demokratie und ihre Abläufe angreift und zu verhindern sucht, muss mit einer angemessenen Reaktion rechnen. Ein paar Euro sind da das Mindeste.

  • 1. Beispiele, wo unzulässiger rechtsradikaler Protest zu Unrecht nicht bestraft wurde, fehlen mir bei einigen Postings hier.



    2. Die Aktivisten und deren Lobbyisten haben ein schräges Verständnis von "Frieden": der Begriff wird zur Unkenntlichkeit relativiert.



    3. Störungen von Parlamentssitzungen kenne ich aus Berlin 1948 oder bei der Revolution der Bolschewiky gegen die Bürgerliche Demokratie in St. Petersburg 1918.



    4. Um die Demokratie anzugreifen, muss man nicht rechtsradikal sein. Das können Radikalinskys aus anderer Kinderstube auch. Einige merken gar nicht, wie sehr sie bei diesem Ziel mit der AfD zusammenarbeiten.

  • Wen wundert es? Es gibt doch viele Beispiele dafür, dass man "den Rechten" sehr viel durchgehen lässt aber einem "Linken" sehr genau auf die Finger schaut. Das ist schon eine Tradition, schon lange so.



    Die "Linken" bzw die Aufklärer hatten schon immer das Problem, dass sie einfach "etwas anderes" wollen und das ist unbequem. Dafür muss man seinen Arsch bewegen und das will selten jemand wenn nicht genügend Feuer drunter brennt.

  • Auch „gegen Rechts“ gilt es die rechtlichen Regeln des Rechtsstaates zu beachten, sonst verkommt das Recht schnell zur Gesinnungsjustiz. Insofern wussten die lautstarken Protestierer, dass sie im Unrecht waren. Politisch ist es legitim sie jetzt medial und auch finanziell zu unterstützen, aber der moralische Unterton im Bericht ist nicht angebracht.

    • @vieldenker:

      Und ob dieser Unterton angebracht ist! Gerade in Bayern wird alles was nicht (stramm) rechts ist verfolgt. Das ist allenthalben sichtbar, auch bei der Justiz. Das MUSS man anprangern, batsa.

  • Im Artikel vermisse ich Angaben, wie lange die DemonstrantInnen skandiert haben, und, was eine leichtere Art der Reaktion des Sitzungsleiters hätte sein können.

  • "Ihm gelang es mit seinem Verhalten, sogar aus seiner Partei, der AfD, ausgeschlossen zu werden. Und in Bayern selbst der AfD zu rechts zu sein, dazu gehört schon einiges. Schließlich gilt der Landesverband als besonders völkisch und klar auf Linie des Faschisten Björn Höcke."

    Ich denke nicht, dass er der AfD zu rechts war, sondern zu aufmüpfig, zu unberechenbar, zu wenig untergeordnet. Ich denke, die haben eine klare Strategie und das Prinzip von Befehl und Gehorsam.

  • Leider nichts neues in Bayern. Hier werden wir von einer CSU regiert deren Anhängerschaft ihrerzeit noch Angela Merkel als "linksradikal" bezeichnet hat.

    Ich weiß das hören unsere kosmopolitischen linken in Leipzig und Berlin nicht so gerne aber wir kämpfen hier seit Generationen ziemlich allein gegen Faschistische Strömungen und vielleicht wäre ein Wenig Unterstützung aus den ja sonst so antifaschistisch-aktivistisch bevölkerten Gegenden einmal hilfreich. Stattdessen kommen höchstens abfällige Kommentare von wegen selbst schuld in Bayern zu leben.

    Viele von uns haben hier ein Zuhause gefunden, haben unsere Familien hier, und wir weigern uns weg zu gehen und den reaktionären Kräften in CSU und AfD das Feld zu räumen und in die muckeligen "linken Ecken" zu ziehen. Das Bayern ein Problem für alle in dieser Gesellschaft ist sollte ja nicht erst seit der CSU-Orban Freundschaft bekannt sein also wie wärs mal damit hier her zu kommen und uns da zu unterstützen wo's nicht erst seit gestern brennt.

  • In einer Demokratie, in Deutschland müssen aus guten Gründen alle Parlamentssitzungen, auch kommunale stets öffentlich sein. Es halten sich also immer potentiell zahlreiche unbeteiligte im Raum auf und ohne Regeln geht es nicht. Die hier Verurteilten haben keine Meinung kundgetan sondern die ganze Sitzung für alle Beteiligten gestört und den Ablauf unmöglich gemacht.



    In Rosenheim vertritt ein Stadtrat rund 1450 Bürger, die nicht wahlberechtigten mitgerechnet. Wenn die Zahl im Artikel stimmt und er mehr als 3700 Stimmen erhielt, sind das viele Bürger mit einem Anspruch, im Rat gehört zu werden und vertreten zu sein. In jeder beliebigen Frage und zu jedem beliebigen Punkt kann er mit 43:1 überstimmt werden und die Redezeit ist für einen von 44 begrenzt. Das muß denen, die ihn nicht wollen, genug sein.



    Die Alternative, wie sie bei Imamoglu angewandt wurde, weise zumindest ich auch für die Politiker, die ich ablehne, klar zurück. Es gibt hier offenbar einige, die das, wenn gegen die "richtigen" geht, anders sehen.

    • @Axel Berger:

      die Causa Imamoglu mit dem Protest gegen eine offen völkisch auftretende Person im Stadtrat Rosenheim zu vergleichen mag der Bayer, gell?

    • @Axel Berger:

      Wo sehen Sie denn hier eine Ähnlichkeit in den Demonstrationen gegen den Rechtsextremisten im Rat und dem Vorgehen des islamistischen Diktators Erdogan gegen Imamoglu?

    • @Axel Berger:

      Ihre Relativierungen sind unanständig!

    • @Axel Berger:

      Ihre Argumentation vereinfacht die Lage in Rosenheim und lässt zentrale Punkte außer Acht. Dass öffentliche Sitzungen Regeln brauchen, ist unstrittig – doch antifaschistische Parolen sind eine klare politische Meinungsäußerung, keine bloße Störung. Ob die ganze Sitzung unmöglich wurde oder nur die Vereidigung erheblich gestört war, bleibt fraglich. Vor allem aber ignoriert Ihr Kommentar die Verhältnismäßigkeit der Bußgelder bis 2.100 €, die im Zentrum der Kritik stehen. Ein demokratisches Mandat bedeutet nicht, dass Bürger*innen kein Recht mehr hätten, gegen extremistische Positionen zu protestieren – gerade wenn die reine Möglichkeit des Überstimmens vielen als Antwort auf die Normalisierung rechter Ideologien nicht genügt. Der Vergleich mit dem Fall İmamoğlu hinkt: Hier ging es um juristische Verfolgung, dort um Sitzungsprotest. Die Unterstellung, die Protestierenden befürworteten undemokratische Mittel, ist unbelegt und ein Strohmann-Argument