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Prostata statt Politik

Die Welt ächzt unter dem Joch enthemmter Giftgreise. Es wird höchste Zeit für ein bisschen gezielte Altersdiskriminierung

Auch der Karneval suchte nach urologischen Ursachen der Zivilisationskrise Foto: reuters

Von Christian Bartel

Der Endsiebziger Donald Trump droht, wahllos Verbündete zu überfallen, wenn er seine goldenen Trump-Schlappen unter dem ovalen Pflegebett im Oval Office nicht sofort finden kann. Alterskohortengenosse Wladimir Putin (72) lässt jedes Mal ein Krankenhaus in der Ukraine bombardieren, wenn seine Botox-Spritze oder die Bettpfanne nicht angewärmt sind. Der 71-jährige chinesische Präsident Xi Jinping droht Taiwan plündern zu lassen, sobald sich ein Glückskeks zu hart für die volkseigenen dritten Zähne erweist oder ihm weniger als ewige Potenz und 10.000-jährige Glückseligkeit verspricht.

Auch in Deutschland hat sich Blackrock-Rentner Friedrich Merz (69) den schütteren Resthaarbürzel auf Krawall für sein spätes Debüt als Wutkanzler bürsten lassen. Schon im Hausflur des Kanzleramts schimpft Ekel Friedrich im Unterhemd auf Linke, Spinner und Gammler, dabei hat der Privatier aus dem Sauerland seine steuerfinanzierte Altersresidenz in Berlin-Tiergarten noch gar nicht bezogen. Bei der klinisch toten FDP bewirbt sich ausgerechnet das Kieler Weinsteinfossil Wolfgang Kubicki (73) als Reichsverweser des liberalen Schrotthaufens. Auch die Linke kam nur dank Mission Silberlocke unter der Fuchtel der rüstigen Jungsteinzeitkommunisten Bartsch, Gysi und Ramelow (zusammen 11.847 Jahre) vom Sterbebett wieder zurück in den Bundestag.

Die Welt befindet sich im Würgegriff einer Handvoll extrem reizbarer Giftgreise. In einem Anfall von bemerkenswerter Schwarmdummheit haben Wahlvolk und Weltgeist ausgerechnet in einer ausgewachsenen Krisensituation das Schicksal des gesamten Planeten einer Rasselbande alter Knacker anvertraut, gegen die ein römisches Konklave als Hort geistiger Spannkraft und das spätsowjetische Politbüro wie ein Kindergarten wirkt.

Zwar leiden die Präsidialsenioren wie viele Männer jenseits der Andropause nur unter üblichen Alterszipperlein wie reaktionärer Inkontinenz oder Demokratiedemenz, doch statt wie ihre kassenversicherten Altersgenossen brabbelnd über die Korridore heruntergekommener Altersheime zu schlurfen, nässen die Seniorchefs die Korridore der Macht mit ihren kleinen Geschäften und großen Deals ein. Der Jugend hinterlassen sie nur verbrannte Erde und dreckige Wäsche mit Altmännermuff.

„Autorité, Ancienneté, Sénilité“ würde der toxische Parolendreiklang der altersstumpfsinnigen Gerontokraten lauten, wenn sie sich noch drei Vokabeln am Stück merken könnten. Doch kohärentes Denken findet in den zerlöcherten Hirnen der Mummelpotentaten kaum mehr statt, stattdessen fegen Ressentiment und Affekt unbeaufsichtigt durchs ruinöse Oberstübchen. Friedrich Merz schmiedet lieber Rachepläne gegen meinungsfreudige Omas als eine handlungsfähige Koalition oder ein vereintes Europa. In der Runde der furchtbaren Dunkelgreise muss der CDU-Oheim trotzdem als Chorknabe von vergleichsweise zartem Gemüt gelten: Putins Empathiezentrum wurde dagegen schon bei seinem Eintritt in den KGB ohne Narkose aus der Großhirnrinde geschabt und verwest heute in einem Gurkenglas unter der Kremlmauer, und unter Trumps Mopp funkt seit jeher nur ein besonders hinterhältiger Teil des Reptiliengehirns zusammenhanglose Hassbotschaften in die Welt. Der US-Präsident kann nur deswegen nicht als Vollfascho gelten, weil ihn sogar diese schlichte Ideologie mental überfordern würde.

Die wahre Herrscherin der entdemokratisierten Männerwelt ist ohnehin nicht die Politik, sondern die Prostata. Der Hang zum Autoritären ergibt sich aus dem Harndrang ihrer Herrscher. Langwierige Verhandlungsrunden lassen deren altersschwache Blasen nicht zu. Bevor ein Kompromiss gefunden werden könnte, wäre die Hose längst schrittfeucht. In dem Alter geht das rambozambo, auch wenn untenrum sonst nichts mehr läuft.

Die Urologie erklärt auch das disruptive Moment von Trumps Politik: Alles muss im Hauruckverfahren gekapert, besetzt, vernichtet und gleichgeschaltet werden, bevor der alte Sack-in-Chief schon wieder raus zum Pullern muss.

Derzeit bemühen sich sämtliche mehr als acht Milliarden Erdenbewohner, auf Zehenspitzen durch die Weltgeschichte zu schleichen, um die Opis mit den Atombomben möglichst nicht beim Mittagsschläfchen zu wecken. Denn unausgeschlafen sind die alten Stinker am unberechenbarsten. Dann verwechseln sie den ukrainischen Präsidenten mit einem Fußabtreter oder den Donbas mit Russland.

Aber Schockstarre ist kein Dauerzustand. Und auch die biologische Lösung ist keine. Das republikanische „Third Term Project“ etwa will den siechen Trump verfassungswidrig auch 2028 wieder ins Amt hieven, notfalls soll sein Kadaver vereidigt werden.

Zudem reifen unentwegt neue Giftgreise heran, um in Regierungsämter zu krauchen. Doch der Gewaltherrschaft der mörderischen Septuagenerians und ihrer Toxic Seniority muss Einhalt geboten werden. Wehrlos ist die Gesellschaft zum Glück nicht. Viagra-Entzug und das Verstecken der Fernbedienung dürfen auch bei Alltagsvergehen keine leeren Drohungen bleiben. Eine prophylaktische Altersdiskriminierung im Jugendalter scheint bei früh vergreisten Bübchen wie Philipp Amthor (73) und Jens Spahn (81) angezeigt. Ganz sicher müssen wir über das passive Wahlrecht nachdenken. Statt an irgendeinen steinalten Steinmeier (69), sollte das Amt des Bundespräsidenten ausschließlich an Minderjährige vergeben werden. Parkfeste feiern und Quatsch einweihen ist ja auch eher was für Kinder.

Der Hang zum Autoritären ergibt sich aus dem Harndrang der Herrscher

Auf jeden Fall aber muss ein verbindliches Moratorium Männer im Rentenalter (oder früher) konsequent von der Macht fernhalten, bis die Welt wieder aus dem Gröbsten raus ist – sagen wir bis zur nächsten Jahrtausendwende. Denn nur ohne Regierungsgewalt kann Großpapa wieder altersgemäßen Beschäftigungen nachgehen: Enten wollen gefüttert, Enkelchen geschaukelt und Falschparker aufgeschrieben werden – und irgendwo auf der Welt ist immer Frühschoppen.

Der derzeitige Alterszwist muss also nicht zwangsläufig im Senizid enden, auch wenn der Brauch des Seniorenmords, wie ihn zahlreiche Stammes­gesellschaften pflegten, gerade als verlockender Ausweg erscheint.

Manchmal brauchen alte Männer einfach nur einen kleinen Stups. Es muss ja keiner von der Klippe sein, wie die weisen Wikinger ihren Ältesten ihn beim „Ättestupa“ gaben, wenn die alten Knacker ihnen allzu sehr auf der Nase herum­tanzten. Es reicht oft schon, wenn man ihnen die Klippe zeigt.

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