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Überraschung bei U18-WahlDie Linke ist stärkste Kraft

Bei der U18-Wahl stimmten 20,8 Prozent der Jugendlichen für die Linke. Die AfD landet bei nur 15,5 Prozent – hinter SPD und Union.

Ist da ein Linksruck drin? Der verstärkte Wahlkampf im Netz scheint sich zu lohnen Foto: Stefan Puchner/dpa

Berlin taz | 166.443 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben in der vergangenen Woche bei der U18-Wahl ihre Stimme abgegeben. Nun steht das Ergebnis fest. Stärkste Kraft bei den unter 18-Jährigen ist die Linke mit 20,8 Prozent der Wähler*innenstimmen. Danach folgt die SPD mit 17,9 Prozent. Die Union kommt auf 15,7 Prozent, fast gleichauf liegt die AfD mit 15,5 Prozent. Bündnis 90/Die Grünen erreichen 12,5 Prozent der Stimmen bei den unter 18-Jährigen. Die Tierschutzpartei erhielt 3,8 Prozent, FDP und BSW bilden mit je 3,4 Prozent das Schlusslicht.

2021 sahen die Ergebnisse noch anders aus. Damals waren die Grünen mit 31,8 Prozent noch stärkste Kraft, die SPD kam auf 29 Prozent. Die Linken lagen damals nur bei 11,4 Prozent, vor ihnen lag die FDP. Bei der diesjährigen U18-Wahl wurde die AfD in allen ostdeutschen Bundesländern stärkste Kraft.

So wurde abgestimmt: Linke, SPD, Union, AfD, Grüne, Tierschutzpartei, FDP, BSW, sonstige

Maximilian Lorenz, Referent beim Deutschen Bundesjugendring, haben die Ergebnisse der diesjährigen U18-Wahl überrascht: „Bei der Europawahl haben die Jugendlichen recht ähnlich wie die Erwachsenen abgestimmt, jetzt allerdings hat die Linke sehr viele Stimmen von den Kindern und Jugendlichen bekommen.“

Wahlumfragen unter Erwachsenen sehen die Partei zwar inzwischen bei bis zu 7 Prozent, aber das sind noch immer rund 13 Prozent weniger als bei der U18-Wahl. „Es scheint, dass soziale Themen für junge Menschen eine wichtige Rolle spielen“, sagt Lorenz, „also gute Ausbildung, faire Arbeitsbedingungen und soziale Gerechtigkeit.“ Ein Wahlkampf, der Migration einseitig problematisiere, lasse viele Themen junger Menschen außen vor.

Auch Grund­schü­le­r*in­nen dabei

Die Wahl hat in 1.812 selbstorganisierten Wahllokalen stattgefunden – überall dort, wo junge Menschen und Erwachsene eine Stimmabgabe auf die Beine gestellt haben. Grundsätzlich können alle jungen Menschen unter 18 Jahren an der Wahl teilnehmen. Laut Bundesjugendring machen zwar zum Teil auch Grund­schü­le­r*in­nen mit, der Fokus liege aber auf selbstorganisierten Jugendlichen ab 14 Jahren. Zahlreiche Jugendverbände beteiligten sich an der Organisation der Wahllokale vor Ort – zum Beispiel Jugendfeuerwehren, die Falken oder auch der Bund der Katholischen Jugend.

Repräsentativ ist die U18-Wahl nicht. „In den Regionen, in denen es starke und ausreichend unterstützte Strukturen in der Jugendarbeit und insbesondere der Jugendverbände und -ringe gibt, können auch mehr Jugendliche an der Abstimmung teilnehmen“, erklärt Lorenz. Unter anderem in Bayern und Nordrhein-Westfalen etwa habe es besonders viele Wahllokale gegeben.

Zudem stellt sich die Frage, welche Jugendlichen mit Zugang zu einem U18-Wahllokal gewählt haben. Ina Weigelt, Jugendforscherin am Deutschen Jugendinstitut, hält es für wahrscheinlich, dass progressiv orientierte Jugendliche, die an die Demokratie glauben und an Politik interessiert sind, eher daran eher teilgenommen hätten als Jugendliche, die der Demokratie gegenüber negativ eingestellt sind.

Dass die Grünen massiv an Stimmen bei den jungen Menschen verloren haben, liegt laut Weigelt auch daran, dass Klima- und Umweltschutz im Wahlkampf und in der gesellschaftlichen Debatte derzeit kaum vorkämen. „Das Wahlverhalten von jungen Menschen ist volatiler als bei Erwachsenen“, erklärt Weigelt. „Sie sind nicht an Parteien gebunden, dafür spielt der Zeitgeist für sie eine größere Rolle.“

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Nur einige Tage, bevor die U18-Wahlwoche am 7. Februar begann, hat die Union im Bundestag zusammen mit der AfD gestimmt. Das Thema war medial omnipräsent. Weigelt hat den Eindruck, dass junge Menschen das zum Nachdenken angeregt habe. „Die Rede von Heidi Reichinnek nach der Abstimmung, die viral gegangen ist, hat bestimmt viele junge Menschen bei der Wahl mitgeprägt.“

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34 Kommentare

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  • Hinweis zur Prozentrechnung: 7% sind nicht 13% weniger als 20%, sondern 65% weniger (bzw. 13 Prozentpunkte).

  • Es haben ja Reichinnek wie Habeck gute Reden gehalten, die eine revolutionäre, der andere bedachter, beide nachvollziehbar.



    Guckt mensch bei der Frage, ob jetzt Grüne oder Linke in die Programme, so steht das stärkere Sicherheitskonzept und Ökologie gegen die sozialere Steuersystematik und internationale Solidarität und werden viele etwas finden.

    (Ich hoffe, es war das und nicht, wie häufig jemand in Tiktok auftritt)

  • Wie heißt es doch sinngemäß so schön:



    "Wer mit 20 Jahren nicht links ist, hat kein Herz. Wer mit 50 Jahren immer noch links ist, hat keinen Verstand!"

  • So wie Greta Thunberg vor einigen Jahren der strahlende Star der Teenager auf TikTok und Co war, ist es momentan Heidi Reichinnek. Wie im Artikel geschrieben, ging ihre Rede viral. Und dass sie keine Anzugträgerin ist, sondern in dieser Altersklasse eher als tätowierte "junge Wilde" rüberkommt, bringt ihr die virtuellen Stimmen der Unterachtzehnjährigen. Fragen sie diese nach dem Parteiprogramm der Linken, herrscht bei der Mehrheit dann Schweigen im Walde, genauso wie bei den Programmen der anderen Parteien. Andererseits, das was Regierungen dann letztendlich machen, hat später auch nicht mehr viel mit den Wahl- und Parteiprogrammen ihrer Parteien zu tun...

  • Das macht mir Hoffnung sage ich als Rentner.

  • Beobachtete, wie junge Linke frisch und fröhlich um die Häuserblocks zogen, um Wahlkampf zu machen. Geht doch!

    Vor allem das Thema Wohnungsnot zieht bei jungen Wählern. Eine Schande, dass die großen Parteien, vor allem die SPD, das Thema systematisch vernachlässigten. Hoffe deshalb auf 8 bis 9 Prozent für die Linke.

  • Zu politischen Präferenzen der Jungend schrieb die taz 2024:

    "Junge Menschen informieren sich zunehmend über soziale Medien wie Instagram, Tiktok, Youtube ... Mit provokativen und emotionalisierenden Inhalten gewinnen Parteipersönlichkeiten geschickt die Aufmerksamkeit von jungen Wählenden. Dabei spielen die Algorithmen eine wichtige Rolle ...

    Simple Botschaften verfangen ...

    Zudem haben viele junge Menschen das Gefühl, dass es kaum noch Unterschiede zwischen den großen Parteien gibt. In einer solchen Lage ist es für einige verlockend, eine Partei zu wählen, die sich klar von den anderen abgrenzt – auch wenn das bedeutet, extremere Positionen zu unterstützen. "

    Der Erfolg der Linken jetzt bestätigt das.

    • @Frauke Z:

      Noch viel Weg zu gehen die Linke hat.

    • @Frauke Z:

      Schau Dir die Auswirkungen dessen an, was die Menschheit bisher so gewählt hat und definiere dann "extrem".

  • Ergänzung:

    Wenn ich die genannten Zahlen von 2021 zusammen rechne, sind es 90,4 %, oder anders gesagt, in den 9,6 % sind u.a. Union und AFD... die nun 31,2 % haben... wo der Autor da einen Linksruck sieht weiß ich auch nicht...

  • "Ist da ein Linksruck drin? Der verstärkte Wahlkampf im Netz scheint sich zu lohnen"

    Ähm... 2021 hatten SPD, Linke und Grüne (alles wohl links) zusammen 72,2% jetzt haben die Parteien 51,2. Selbst wenn ich die SPD rausnehme oder andere Zahlenspiele betreibe: Nur weil die Linke nun viele Prozent haben, ist das noch lange kein Linksruck, wenn in Summe alles was Links von der FDP 4 Jahre später weniger hat als davor.

  • Als Linkenwähler, wie mich, ist das natürlich hervorragend und man würde sagen: lasst die Kinder wählen. Leider fürchte ich, dass es mit dem sehr guten Auftritt der Linken in tiktok und anderen social media zu tun hat und nicht mit der Klugheit der Kids. Nicht, dass die Erwachsenen klüger abstimmen würden, sie lassen sich nur von anderen Medien beeinflussen.



    Interessant wäre es eine Umfrage unter Menschen, die sich nachweislich stark informieren und die entsprechende Medienkompetenz haben, um sich nicht von in den Medien breitgetretenen Hetzkampagnen beeinflussen zu lassen. Menschen, die z.B. auch Kriminalstatistiken lesen können, sich mit Framing-Effekten auskennen.

  • klasse, wenn es so weitergeht, überflügelt die LINKE noch die spd.



    nicht grade bei dieser, aber der dann folgenden wahl wahrscheinlich, besosnders, wenn z.b. die spd mit der union koaliert + dabei selbst noch mehr federn läßt als bei der ampel, wo die fpd als bürglicher klotz am bein die politik der spd + der grünen ruiniert hat.



    tja, so kommts, wenn man mit dem bürgertum in ein koalitions-bett steigt.

  • Wenn jetzt noch Oma und Opa für ihre Enkel wählen, dann wäre doch schon viel geholfen.

    • @Narrenfell:

      Vorsicht, die Veranstaltung war ausdrücklich nicht repräsentativ.

      Wenn man ihren Vorschlag absolut setzt, könnte es der AfD helfen.

    • @Narrenfell:

      Frei nach dem Motto: "alle lieben Putin".

  • 6G
    621634 (Profil gelöscht)

    Bei der letzten Bundestagswahl U18 waren die Grünen auch deutlich besser als bei der Bundestagswahl. Das hat absolut nichts zu sagen

  • und mit dem 18. Geburtstag wird dann das erste Mal gewechselt (seieh letzte Wahl FDP und A..). Danach nochmal bei der Familengründung / bei Kindern.



    Und dann bei der Rente.

    Oder wie?

    PS hat auch jemand eine Wahl bei den Auszubildenden gemacht?

  • Das Ergebnis ändert sich, sobald man Steuern bezahlt.

    • @DiMa:

      Also sobald man Steuern zahlt, wählt man gegen seine eigenen Interessen? Wer Steuern zahlt sollte erst recht Die Linke wählen, weil sie die einzigen sind, die die Mehrheit steuerlich entlasten wollen und die mit den Steuern sinnvolles für die Menschen tun.

    • @DiMa:

      Das Programm der Linkspartei würde über 90% der Bevölkerung steuerlich entlasten. Das kann also nicht der Grund sein.

      • @Wonko the Sane:

        Mit so tollen Ideen wie 12% Vermögenssteuer und 90% Abgaben (75% Spitzensteuer und keine Beitragsbemessungsgrenze mehr) . Preisfrage: Selbst wenn die Volkswirtschaft das länger als ein paar Wochen überleben würde (das ist auzuschließen) wie lange kann man damit das Linke Utopia aufrecht erhalten?



        Ist halt immer das Problem mit dem Sozialismus ist halt - der Sand geht sehr schnell aus.

      • @Wonko the Sane:

        Das spricht für die Unglaubwürdigkeit des Programms.

    • @DiMa:

      Am finanziellen kann's kaum liegen, sonst bekämen FDP, CDU und AfD keinen Fuß auf den Boden, siehe www.zew.de/presse/...-entlasten-wuerden



      Eine Gegenfinanzierung durch durch Sozialstaatsabbau trifft ja auch wieder die Menschen, die Arbeiten gehen müssen.

      Jugendliche sind wahrscheinlich schlicht politischer interessiert als irgendwer in den 40ern/50ern.



      Letzteren fehlt meist Zeit und Muße sich damit zu beschäftigen, und statt Fortschritt sollte möglichst alles so bleiben wie es ist. Selbst wenn es schlecht ist, ist man zumindest damit vertraut.



      Jugendliche haben ihr Leben noch vor sich, sind noch nicht so festgefahren im täglichen Trott.

  • Kämen bei den Erwachsenen doch nur auch 25% aller abgegebenen Stimmen aus Berlin.

    • @Šarru-kīnu:

      Wenn ich mir die Verteilung der Wahllokale anschaue dann sieht es eher so aus als kämen die meisten stimmen aus NRW und Bayern, ist aber jetzt nur geschätzt. Woher nehmen sie diese konkrete Zahl von 25%?

      www.u18.org/

  • Dann möchte ich mal aus einer anderen Blase berichten:

    In der Klasse meiner Tochter haben alle den Wahl-o-maten gemacht.

    Meine Tochter war der einzige Schüler, bei dem die Grünen herauskamen.

    Alle anderen hatten SPD, CDU oder die AfD, die wohl gut vertreten war.

    Die Linke hatte niemand als Ergebnis.

    Schon meiner Tochter war ihr Ergebnis peinlich.



    Ich musste sie aufbauen.

    • @rero:

      Kann ich mir gut vorstellen. Wenn ein Land stärker nach Rechts rückt, warum soll dieser Rechtsruck auch vor einer jüngeren Altersgruppe halt machen?

      Peinlich sein muss das ihrer Tochter jedoch nicht, vielleicht ist sie einfach kein toter Fisch, der mit dem Strom schwimmt, wie der Volksmund so sagt.

    • @rero:

      Der Wahl-o-mat ist unsinnig. Er soll Uninformierten eine Entscheidungshilfe sein, setzt aber bei den Fragen schon voraus, dass man informiert ist, um eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Ein kompletter Widerspruch.

      • @Bartleby208:

        Den Wahl-o-maten will ich nicht überinterpretieren.

        Ich habe mal ausprobiert, allein Gewichtungen zu variieren.

        Man kriegt sofort ein ganz anderes Parteiengefüge als Ergebnis.

        Es ist aber eine Schule, die zur letzten Bundestagswahl eine Schumwahl veranstaltete.

        Damals lag die FDP dort bei mehr als 20 %.

        Sie war mindestens zweitstärkste Partei.

    • @rero:

      schule wechseln?

      • @Pflasterstrand:

        Um in eine andere Blase zu kommen?

        Es ist Berlin.



        Da gibt es nicht viele Oberschulen, an denen es gut läuft.



        Das ist die beste.

  • Leider geht weder aus der Meldung noch aus dem verlinkten Text hervor, wie die Verteilung der einzelnen Altersgruppen unter den Teilnehmern war und ob es ein Mindestalter für die Teilnahme gab... schade! Wäre interessant zu erfahren gewesen...

  • Angesichts des grundlegenden und aufrechterhaltenen Missverständnisses von Wahlen als Instrument demokratischer Mitbestimmung kann es kaum verwundern, dass die mediale Repräsentation von Wahlen als Wettbewerb alles daran setzt, diesen zuzuspitzen und Duelle, Quadrelle und andere Elefantenrunde aneinanderreiht, als würden hier Männer und Frauen um den Thron zukünftiger KanzlerInnenschaft kämpfen. Da scheint es ein Akt echter politischer Bildung zu sein, dass sich die WählerInnen bei der U18-Wahl zunächst über Wahlrecht und Parteiprogramme informieren. Ob diese Bildung aber nachwirkt oder ob die TeilnehmerInnen als Ü17-WählerInnen die permanente Enttäuschung ihrer demokratischen Hoffnungen ertragen werden, wird die Zukunft erweisen. Die Geschichte der repräsentativen Demokratie in Deutschland (und anderen Ländern) legt nahe, dass die fatalistische Unterwerfung unter das Regiert-werden alle 4 Jahre bestätigt werden wird. In den Worten von Volker Pispers (1995): „Das ist doch wie ein Mensch, der immer um den selben Häuserblock spaziere geht, in jeder Runde in den selben Scheißhaufen tritt und sich dann eine Runde lang darüber aufregt, warum seine Schuhe so stinken.“