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Ende der GlobalisierungJe globalisierter, desto mehr Pommes​

Grenzzäune werden höher, neue Kriege werden gekämpft und härtere Zölle verkündet. Ist die Ära der Globalisierung vorbei? Und was kommt danach?

Eine Mauer mehr: Im Januar 2025 hat es ein Migrant über die Grenze von Mexiko in die USA geschafft Foto: Jose Luis Gonzales/reuters

Beinahe jedes Wochenende versinkt Słubice im Stau. Die Kleinstadt ist direkt an der deutsch-polnischen Grenze, gleich gegenüber liegt Frankfurt (Oder). Morgens nach Deutschland zur Arbeit fahren oder nachmittags nach Polen essen gehen ist eigentlich Alltag in der Grenzregion. Doch seit Deutschland im Oktober 2023 wieder Grenzkontrollen eingeführt hat, staut sich der Verkehr auf der polnischen Seite. „Es geht so nicht weiter. Die Bewohner können öfter nicht nach Hause kommen, weil die Straßen so verstopft sind“, schimpft eine Bewohnerin in einem RBB-Beitrag.

Grenzkontrollen in Europa – es klingt und fühlt sich an wie ein Rückschritt in eine längst überwunden geglaubte Zeit nationalstaatlicher Eigenbrötlerei. Dieses Gefühl, kommt nicht nur in polnischen Grenzstädten auf, sondern verdichtet sich durch die Schocks und Krisen der letzten Jahre: der Handelskrieg zwischen den USA und China, die zeitweise totale Isolation während der Coronapandemie, dann Russlands Überfall auf die Ukraine oder zuletzt Donald Trumps Sonderzölle auf Stahl und Aluminium.

Dabei galt es lange als natürlicher Lauf der Dinge, dass die Welt immer vernetzter, entgrenzter, kapitalistischer und schneller wird. Ob zuletzt Trumps erneuter Wahlsieg oder schon die Finanzkrise 2008, seit Jahren stellen Wirt­schafts­ex­per­t:in­nen immer wieder fest: Das Ende der Globalisierung sei gekommen.

Der Diskurs ist weniger eine akkurate Gegenwartsanalyse als ein Symptom des Scheiterns einer letzten großen Zukunftserzählung und damit des Versprechens auf Wohlstand, Freiheit und Frieden. Wie konnte es so weit kommen und, wenn die Globalisierung wirklich am Ende ist, welche Erzählung sollte nachfolgen?

McDonald's in der späten Sowjetunion

Eine kleine historische Anekdote auf der Suche nach Antworten. Moskau, 31. Januar 1990: Seit den frühen Morgenstunden versammeln sich Tausende Menschen auf dem Puschkinplatz, um einem historischen Ereignis beizuwohnen – der Eröffnung der ersten McDonald’s-Filiale in der Sowjetunion. Der Andrang ist enorm, mit 30.000 Kun­d:in­nen am Ende des Tages wird es die bis dato größte Restaurant­er­öffnung der Geschichte sein. Auch der vergleichsweise hohe Preis, der einem halben Tageslohn für eine Mahlzeit entsprach, konnte die Begeisterung für die amerikanische Fastfoodkette nicht brechen. „Wir sind alle hungrig in dieser Stadt“, sagt eine junge Moskauerin in einem Fernsehbeitrag des kanadischen Senders CBC. „Wir brauchen mehr solcher Orte. Es gibt nichts in unseren Läden oder Restaurants.“

Nach Jahren des Mangels, der Abschottung und politischen Stagnation wirkte die Ankunft von McDonald’s wie ein erster Schritt in eine neue bessere Zukunft. Das gelbe M mit den geschwungenen Bögen stand dabei stellvertretend für eine scheinbar unaufhaltsame Entwicklung, die versprach, die gesamte Welt grundlegend zu verändern.

Verbreitete Definitionen fokussieren sich vor allem auf den wirtschaftlichen Aspekt von Globalisierung. Technologische Entwicklungen in Kommunikation und Transport machten günstigen und schnellen Handel von Rohstoffen, Waren und Dienstleistungen in großem Maßstab möglich. Weltweite Märkte entstanden, Pro­du­zen­t:in­nen konkurrierten und kooperierten über nationale Grenzen hinweg.

Folgt man diesem überwiegend wirtschaftlichen Verständnis, ist die These vom baldigen Ende der Globalisierung schwer haltbar. Trotz kurzzeitiger Einbrüche während der Finanzkrise 2007/8 und der Coronapandemie nahm das weltweite Außenhandelsvolumen weiter zu. Auch der KOF-Globalisierungsindex der Universität Zürich, der noch eine Vielzahl weiterer Variablen berücksichtigt, kann zwar eine Verlangsamung, aber insgesamt keine Trendwende zu einem Rückgang weltweiter Vernetzung feststellen. Im letzten analysierten Jahr, 2022, verzeichneten die For­sche­r:in­nen wieder einen starken Zuwachs des internationalen Warenhandels.

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Doch das Beispiel McDonald’s zeigt, dass Globalisierung schon immer mehr war als nur eine nüchterne Beschreibung ökonomischer Trends. Sie war über 30 Jahre lang die dominante Zukunftserzählung und galt als treibende Kraft der Geschichte. Verbunden damit waren zahlreiche Vorhersagen, wie sich unsere Gesellschaft sozial, kulturell und politisch entwickelt.

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McDonald’s war nicht nur eines der stärksten Symbole dieser Entwicklung, sondern auch ein Gradmesser. Noch heute ist die Zahl der McDonald’s-Filialen als eine der Variablen im KOF-Index enthalten.

Für jedes der Versprechen der Globalisierung gab es etliche wissenschaftliche Theorien, die sie untermauern sollten. Ökonomen predigten, dass der Abbau von Zöllen und Handelsbarrieren Milliarden Menschen aus der Armut heben werde. Kriege würden sich einfach nicht mehr lohnen, da die Weltwirtschaft so eng verflochten sei. Grenzen, ja sogar Nationalstaaten würden bald zu Relikten der Vergangenheit, lautete eine populäre These, die Po­li­tik­wis­sen­schaft­le­r:in­nen um die Jahrtausendwende noch ernsthaft diskutierten.

Wohlstand wächst auf Verelendung

Die Globalisierung war eine Zukunftserzählung, aber auch eine Ideologie, welche die unangefochtene Vormachtstellung des Westens nach dem Ende des Kalten Krieges sicherstellen sollte. Vom aggressiv propagierten Freihandel profitierten hauptsächlich internationale Großkonzerne. Statt wirtschaftlichen Aufschwungs bedeutete die weltweite Vernetzung für die meisten Menschen im Globalen Süden Verelendung, Entrechtung und Hunger. Dagegen formierte sich ab Mitte der 90er Jahre eine globale Protestbewegung.

Ihren Höhepunkt fand die Bewegung 2001 beim G8-Gipfel im italienischen Genua. Am Rande des Gipfels protestieren über 300.000 Menschen gegen das Treffen der weltweit mächtigsten Staatsoberhäupter. Die Forderung nach einer alternativen Globalisierung, beantwortete die italienische Polizei mit brutaler Gewalt. Bei einem Vorfall, den der Europäische Gerichtshof 14 Jahre später als Folter verurteilt, überfielen Caribineri eine als Camp umfunktionierte Schule und verprügelten die dort wehrlosen und teilweise noch schlafenden Aktivist:innen. Am zweiten Tag der Proteste tötete ein Carabineri den 23-jährigen Carlo Guiliani durch einen Kopfschuss aus nächster Nähe.

Die Unausweichlichkeit, mit der die Globalisierung die Geschichte vor sich hertreibt, hat damals schon Risse bekommen. Doch weder Glo­ba­li­sie­rungs­ver­fech­te­r:in­nen noch -kritiker:innen hätten sich damals erträumen lassen, dass über 20 Jahre später die Menschen in Moskau statt bei McDonald’s bei Wkusno i totschka Burger essen, weil kaum noch ein westliches Unternehmen nach dem Überfall auf die Ukraine in Russland Geschäfte machen will oder darf. Oder dass europäische Regierungen versuchen, eine eigene Halbleiterindustrie in Europa aufzubauen – um im Fall, dass China Taiwan überfällt, unabhängiger zu sein.

Das Beispiel McDonald’s zeigt, dass die Globalisierung als Zukunftserzählung kaum noch taugt, um glaubwürdige Vorhersagen zu treffen. Auch als Ideologie ist sie gescheitert. Die USA, die EU und China liefern sich Handelskriege und das Wort Globalist ist mittlerweile weltweit zum politischen Kampfbegriff der Neuen Rechten avanciert.

Eine Grenze weniger: Im November 1989 feiern Menschen den Fall der Berliner Mauer Foto: imagebroker/imago

Um zu versuchen den gegenwärtigen Wandel zu verstehen, muss man einen Exkurs in die Sozialforschung wagen. Martina Löw, Soziologin an der Technischen Universität Berlin, sagt: „Das Problem mit dem Globalisierungsbegriff ist, dass es schon im Wortlaut um die Ausweitung der globalen Maßstabsebene geht.“ Wer Globalisierung erforsche, achte nur auf Dinge, die Grenzen überschreiten und weltweite Effekte haben. Dabei geht schnell der Blick dafür verloren, was lokal, regional oder national passiert.

Die Globalisierung als Göttin

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

So bestätigte sich der Globalisierungsdiskurs ständig selbst. Ob das Internet, Finanzströme, Warenhandel oder internationale Politik – viele Prozesse der Globalisierung wirken durch diese Perspektive so, als würden sie in einer raumlosen Sphäre über uns schweben und eine unheilvolle Macht ausüben.

Nicht zufällig wirkt es in vielen Texten so, als hätte die Globalisierung schon fast eine personifizierte, metaphysische Qualität. Wie eine antike Göttin beeinflusst sie das Weltgeschehen, herausgefordert von sterblichen Emporkömmlingen wie Donald Trump und Wladimir Putin.

Dabei ist gerade die räumliche Perspektive entscheidend, sagt die Soziologin Martina Löw. „Globalisierung ist im Prinzip die Neustrukturierung von räumlichen Verhältnissen.“ So führte die Abwanderung der verarbeitenden Industrie aus vielen westlichen Ländern seit den 1970er Jahren zu verwahrlosten Städten auf der einen Seite der Erdkugel und zu gerodeten Wäldern und neu gebauten Industrieparks auf der anderen Seite. Günstige Flugreisen ermöglichten es der Mittelschicht des Globalen Nordens, an Orte zu reisen, die noch vor wenigen Jahrzehnten praktisch unerreichbar waren. Gleichzeitig wurde in den neuentdeckten Traumdestinationen vielerorts die lokale Bevölkerung vertrieben, um Platz für Hotelburgen zu schaffen.

Der gesellschaftliche und technologische Wandel der letzten Jahrzehnte hatte auch einen großen Einfluss darauf, wie wir uns Raum vorstellen. „Die Obsession des 20. Jahrhunderts war der Territorialraum“ erklärt Löw. Egal ob Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur oder Politik – alles schien sich innerhalb des fest abgegrenzten Containers des Nationalstaats abzuspielen. Damals konnten sich die Menschen „Raum kaum noch anders vorstellen, als in dieser Behälterform“, sagt Löw.

Durch die Globalisierung verlor die territoriale Raumlogik an Bedeutung. Besonders die Digitalisierung ermöglichte es Menschen, über Grenzen und Entfernungen hinweg praktisch ohne Zeitverzögerung zusammenzuarbeiten, gemeinsam zu handeln und Beziehungen zu pflegen. Der Aufstieg des „Netzwerkraums“ verleitete nicht wenige Wis­sen­schaft­le­r:in­nen zu der Schlussfolgerung, das Territorium würde bald endgültig untergehen und mit ihm Nationalstaaten und Grenzen.

Doch Löw und ihre Kol­le­g:in­nen beobachten, dass es keine dominante Raumlogik gibt, sondern sich viele Logiken überlagern, widersprechen und in Konflikt miteinander geraten. Territorium und Netzwerk sind nicht zwangsläufig Gegenspieler, sondern arbeiten auch manchmal zusammen.

Die Thronfolge für die nächste dominante Zukunftserzählung bleibt umkämpft. Autoritärer Nationalismus, Klima-Kollaps, Tech-Utopie?

Grenzen sollen sortieren

Eine abstrakte Erklärung, die sich am besten an einem Beispiel erklären lässt. Der Soziologe Steffen Mau und sein Team untersuchen den weltweiten Aus- und Abbau von Grenzinfrastrukturen. Erste Ergebnisse veröffentlichte Mau 2021 in seinem Buch „Sortiermaschinen“.

Entgegen der Globalisierungserzählung nimmt die Zahl von befestigten Grenzen immer mehr zu. Besonders dort, wo das Wohlstandsgefälle besonders groß ist, werden Mauern gebaut. Auf den ersten Blick scheint diese Bestandsaufnahme wie ein weiterer Beweis für das Ende der Globalisierung und das Wiedererstarken von territorialen Logiken. Doch Mau zieht eine andere Schlussfolgerung: Der rasante Ausbau von Grenzinfrastrukturen sei gerade eine Folge der weltweit steigenden Mobilität. Die Aufgabe von Grenzen habe sich durch die Globalisierung geändert, argumentiert Mau. War es früher ihre Hauptaufgabe, ein nationales Territorium von dem anderen abzugrenzen, funktioniere sie heute vor allem als „Sortiermaschine“, die erwünschte Menschen reinlässt und unerwünschte ausgrenzt.

Erwünscht sind in der Regel Reiche, Menschen, die das Glück hatten, in einem Land mit einem starken Pass geboren zu sein, oder verwertbare Arbeitskräfte. Für alle anderen, und das ist der Großteil der Weltbevölkerung, bleiben die Grenzen geschlossen.

Die Grenzen sind dabei nicht nur Zäune und Checkpoints, sondern eine ganze Reihe an bürokratischen und politischen Maßnahmen: Visa, mit denen Einreiseberechtigungen verteilt werden, Asylverfahren, Ausländerbehörden, Erstaufnahme-Einrichtungen, Flüchtlingsunterkünfte und Abschiebeflüge. Auch politische Abkommen, wie der sogenannte Flüchtlings Deal zwischen der EU und der Türkei, sind Teil moderner Grenzen.

So gesehen hat die Netzwerklogik vollständig Einzug gehalten in die Grenzpolitik, deren Kernaufgabe die Wahrung der territorialen Souveränität des Nationalstaats ist. Was widersprüchlich klingt, ist es nicht. Steffen Mau bezeichnet diese Entwicklung als Schließungsglobalisierung.

Doch auch in der Welt der Grenzen folgt nicht alles der Logik der globalen kapitalistischen Verwertung. „Grenzen werden gerne gebaut, da sie eine symbolische Funktion nach innen haben“, erklärt Zoé Perko, wissenschaftliche Mitarbeiterin in Maus Forschungsprojekt. Ein gutes Beispiel sei, dass Deutschland vorübergehend wieder Kontrollen zu seinen Nachbarländern durchführt. Vergleichbare Fälle hätten gezeigt, dass solche Maßnahmen sicherheitspolitisch wenig Sinn ergeben, sondern eher eine wirtschaftliche Belastung seien, weil Pend­le­r:in­nen und Last­fah­re­r:in­nen stundenlang im Stau stehen. Trotzdem sei diese Art symbolischer Grenzpolitik beliebt, weil Po­li­ti­ke­r:in­nen aus dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Kapital schlagen.

Das Beispiel Grenzen zeichnet ein zutiefst widersprüchliches Bild der Gegenwart, in dem mehrere gegenläufige Entwicklungen gleichzeitig stattfinden. Menschen reisen immer mehr, werden immer vernetzter, gleichzeitig schotten sich Nationalstaaten weiter ab und pochen auf ihre Souveränität.

Der Exkurs in die Sozialforschung zeigt, die Globalisierung, wie sie sich viele Menschen in den 90er und 2000er Jahren vorgestellt haben, hat es nie gegeben. Das Ende der Globalisierung ist vor allem das Scheitern der letzten großen Zukunftserzählung. Doch auf die Frage, wohin sich die Welt nun entwickelt, finden sich auch in der Forschung noch keine eindeutigen Antworten. „Es scheint mir sehr unklar zu sein, welche Kräfte in diesem Gefüge die dominanten werden“, sagt Martina Löw.

Die Thronfolge für die nächste dominante Zukunftserzählung bleibt umkämpft. Da wäre „die Epoche des autoritären Nationalismus“, die der Journalist Thomas Assheuer anlässlich Trumps Wahlsieg in der Zeit vorhersagt, oder das Zeitalter des Klimakollapses, auf das wir uns laut dem Bewegungstheoretiker Tadzio Müller einstellen müssen. Einen ganz anderen Schlag haben die Tech-Utopien aus dem Silicon Valley: Klimakatastrophe halb so schlimm, die bald entwickelte allmächtige künstliche Intelligenz wird es schon richten. Oder die Roboter sorgen für ein Ende der Zivilisation, bevor das Klima es kann.

Die meisten dieser Erzählungen haben überzeugende Argumente. Doch keine hat genügend Anhänger, um weltweit das politische Handeln bestimmen zu können – sei es nun in Form internationaler Politik oder einer Protestbewegung dagegen.

Die Ungewissheit der Zukunft sorgt besonders bei jungen Menschen für Verunsicherung, das zeigen auch die Ergebnisse der im Oktober veröffentlichten Shell-Jugendstudie. Doch das Ausbleiben allmächtiger Erzählungen wie der Globalisierung kann auch Räume zum Denken und Handeln öffnen. In der Logik der Antiglobalisierungbewegung gab es nur den Sieg über den Leviathan des globalen Kapitalismus oder den Untergang. Ähnlich sah es die Klimagerechtigkeitsbewegung: entweder das 1,5-Grad-Ziel schaffen oder Klima­apokalypse, dazwischen gab es wenig.

Doch gerade dieses Dazwischen ist, was unsere Gegenwart und Zukunft ausmachen wird. Ob die Epoche des Nationalismus anbricht, hängt davon ab, wie viele dagegen Widerstand leisten. Wie dramatisch die Klimakatastrophe ausfällt, davon, wie robust wir unsere Städte auf Hitzewellen und Dürren vorbereiten können, und inwieweit wir die Zerstörung unserer Ökosysteme aufhalten können.

Ohnehin sind wir ohne einen Nachfolger der Globalisierung besser dran. Zukunftserzählungen neigen dazu, das eigene Handeln zu lähmen, da es im großen Lauf der Dinge sowieso keinen Unterschied macht. Statt wertvolle Ressource dafür zu verwenden, andere Menschen von der eigenen Zukunftserzählung zu überzeugen, lohnt der Fokus auf die Handlungsmöglichkeiten im Jetzt.

Wie die Be­woh­ne­r:in­nen der Grenzstadt Słubice, die sich vom globalen Mauertrend nicht entmutigen lassen. Gegen die Grenzkontrollen und den Dauerstau haben sie eine Bürgerinitiative gegründet. Sie organisieren Demonstrationen, starteten eine Petition und blockierten Grenzübergänge aus Protest kurzerhand selbst.

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10 Kommentare

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  • - Es formierte sich in den 90ern keineswegs eine Protestbewegung gegen Globalisierung, sondern dagegen, die Globalisierung ablief. Wie der Handel (v.a. mit dem globalen Süden) ausgestaltet wurde. Gegen Globalisierung im Allgemeinen ist der äußerste rechte Rand.



    - Der Term "Globalist", der vom äußersten rechten Rand gepusht wird, steht IMO nicht im Kontext Globalisierung, sondern im Kontext der rechtsextremistischen VTs wie dem "großen Austausch". Oder auch Multikulti etc.



    - Nationalisten brauchen Nationen, deshalb ist alles Internationale, egal ob offene Grenzen oder Institutionen wie die EU auf der Abschussliste des rechten Randes. Man kann Leuten einfach viel besser Märchen über die Überlegenheit der Nation / des Volkes / der Ethnie oder früher der "Rasse" verkaufen

  • Mal ehrlich: Wem nutzt die Globalisierung ? Nach dem zweiten Weltkrieg standen die Alliierten vor der Frage: Marshall oder Morgenthau ? Industrialisierung oder Förderung der Landwirtschaft ? Durchgesetzt haben sich die multinationalen Konzerne, die nicht zuletzt ein Super- Spielfeld für ihren Markt bei gleichzeitig nach Arbeit und Wohlstand dürstender Bevölkerung, die zudem im Wettbewerb um die beste Kriegstechnologie viel Wissen beitragen konnte, vorfanden. Wenn es etwas aufzuräumen gibt, sich neue Märkte entwickeln, ist das ein gefundenes Fressen für diejenigen, die etwas investieren können, Nachhaltigkeit, Klimaschutz sind eher weniger wichtig, solange es noch freie Flächen für Parkplätze und/ oder Strassen gibt genügend, nicht zu teure manpower zur Verfügung steht. Da hatte Morgentau -auch als Teil einer Demobilisierung- keine Chance. Ökonomie -wie sie hier verstanden wird- dient immer nur den Kapitalinteressen und eben nicht vorrangig den Auskommen einer Bevölkerung: Und jetzt haben wir den fast unauflöslichen Kladerradatsch von abhängigen und in ihrer Lebensgestaltung kaum noch freien 'Wählern' und Investoren, die kaum noch etwas finden, womit sie Profite machen können.

  • Globalisierung ist doch keine Ideologie, sondern letztendlich ein wirtschaftliche Wachstumspotenzial, was u.a. geholfen hat, Milliarden Menschen aus bittersten Armut zu befreien.



    Globalisierung (wirtschaftliche Sicht) ist fest etabliert- das kann und sollte man nicht zurückdrehen.



    Globalisierung aus soziologischer Sicht ist eine offene Baustelle. Für Ängste, Obsessionen, Ideologie, Werte und Moral gibt es noch keine einheitliche Sicht, daher ist es plausibel, dass Menschen in Krisen primär den „eigenen Raum“ schützen,

  • Schöner Epochenrückblick, dennoch möchte ich einige Ergänzungen abgeben 😉



    Im Text oder in der Slideshow vermisse folgende Begriffe oder Ereignisse, die ich für diese Zeit für bedeutsam halte:



    - 1973: Ende von Bretton Woods



    - 1989: Washington Consensus



    - 1992: "Ende der Geschichte" von Francis Fukuyama



    - 2001-2021: Anschläge wie "9/11" und der u.a. in Afghanistan geführte "war on terror" waren auch m.M.n. spezifisch für diese Epoche und zeigten gewisse Kehrseiten der Globalisierungs-Ära auf.

  • Die Globalisierung ist so alt wie die Menschheit selbst. Solange der Mensch Füsse hat, werde auch Zäune und auch Gewalt ihn nicht aufhalten können. VIelleicht vorübergehend.

    • @Takker:

      Sehe ich auch so. Die Ausbreitung des Homo Sapiens über die gesamte Welt ist die eigentliche Globalisierung gewesen. Danach gab es nur noch graduelle Entwicklungen...

    • @Takker:

      Viel zu menschlich gedacht. Die Deglobalisierung ist eher so alt wie die Menschheit selbst. Menschen einzäunen und Gebühren verlangen dafür, dass sie im Zaunbereich leben müssen. Was für ein grandioser Masterplan unserer animalischen Zeitgenossen. Einfach hoher IQ.

    • @Takker:

      Richtig, stimme ich zu. Dennoch finde ich es interessant, wie sehr das Mobilitätsbedürfnis der (einfachen) Menschen ermöglicht oder auch verhindert wurde im Laufe der Geschichte. Einerseits durch technische Erfindungen, andererseits durch geschriebene wie ungeschriebene Gesetze.

      Beispiel: Heute sind es Grenzzäune oder schlichtweg der Mangel an Geld, die einigen Menschen die Mobilität verwehren, früher hingegen war es bspw. die Leibeigenschaft oder Sklaverei.

      • @vøid:

        Ich würde eher sagen der Grad u



        Der möglichen Mobilität und deren Einschränkungen werden in erster Linie durch die Nationalität bestimmt.

        Mit dem falschen Pass hilft es nichts wenn man genug Geld für einen Flug hat, es bleibt meist nur das überteuerte und oft tödliche Schlauchboot.

        Bei wirklich wohlhabenden gilt das natürlich nicht.

        Aber Geld ist trotzdem nicht der vorrangige Faktor, denn vergleichen Sie mal die Preise für einen Flug ohne Gepäck und was Schlepper verlangen.