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Sendung mit der MausDie Sendung mit dem Holocaust

Die aktuelle Folge erklärt den Holocaust anhand der Geschichte des Malers Felix Nussbaum. Ist das geeignet für Kinder?

Die von Felix Nussbaum erdachten Pit und Peggs treffen eine Giraffe Foto: WDR

Die jüngste Ausgabe der Sendung mit der Maus ist eine ganz besondere. Das erfährt man schon vor dem Start. Im Vorvorspann, in dem wie üblich die Themen der Ausgabe angerissen werden, steckt eine Triggerwarnung. Da spazieren zwei Mo­de­ra­to­r:in­nen durch einen Park, in dem ein Mahnmal an die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung erinnert. Sie erklären, dass sie aus Anlass des internationalen Gedenktages der Holocaust-Opfer diese Sendung dem jüdischen Maler Felix Nussbaum widmen.

Und sagen in aller Deutlichkeit: „Falls ihr die Sendung allein guckt oder mit euren Geschwistern, oder eure Eltern denken, hm, das ist ein Thema, das noch ein bisschen zu schwer ist“, dann solle man lieber in der Mediathek gucken. Denn dort gibt es eine komplett Holocaust-freie Alternativausgabe der „Maus“. Sind die NS-Verbrechen ein geeignetes Thema für die „Lach- und Sachgeschichten“, die der WDR immer wieder sonntags sendet? Das ist eine äußerst schwierige Frage.

Die Antwort bleibt auch nach dem Schauen der Sendung Ansichtssache. Aber um es vorwegzunehmen: Wenn eine Kindersendung sich dem Holocaust widmet, dann sollte sie es genau so machen. Die Redaktion fand glücklicherweise einen Zugang, der mausgerechter nicht sein könnte.

Der Holocaust wird erklärt anhand ermordetem Maler

Die Maus in der Mediathek

Die Holocaust-Ausgabe der „Sendung mit der Maus“, findet sich in der ARD-Mediathek.

Dort kann man auch die aktuelle Alternativausgabe anschauen. In der geht um klassiche Maus-Theme wie verrückte Zeichnung, die Herstellung von Bleistiften, Shaun das Schaf. Auch der anhand der Felix-Nussbaum-Zeichnungen erstellt Trickfilm mit Pit und Pegg ist dort zu sehen – ganz ohne Holocaust-Anspielung.

Und wo wir schon dabei sind. Die Sondersendung zu „50 Jahre Elefant“, die vor zwei Wochen lief, sollte man auch nicht versäumt haben.

Um zu erklären, was die Nazis mit Juden gemacht haben, wird die Geschichte des Malers Felix Nussbaum erzählt. Der 1904 in Osnabrück geborene Jude hatte schon als kleiner Junge einen so starken Drang zum Malen, dass man ihn wunderbar Kindern nahebringen kann. Er versuchte, als er in den 1930er Jahren nach Belgien geflüchtet war, unter anderem, seinen Lebensunterhalt mit einem Trickfilm zu verdienen. Der wurde nie realisiert – bis jetzt.

Denn nun hat das Maus-Team die Geschichte von „Pit und Peggs“ umgesetzt. Es ist eine fünfminütige Traumreise durch eine Welt, in der Autos noch ein fluffiges Spektakel waren. Und in der eine weiße Giraffe das Fleckenmuster einer Krawatte zugepustet bekommt. Das ist trotz des schweren Themas dieser Sendung wirklich zum Lachen. Und eine Hommage an Felix Nussbaum, die sich auch Erwachsene ansehen sollten.

Davor und danach aber spart das „Maus“-Team nichts aus. Die Moderatorin Clarissa führt die Zu­schaue­r:in­nen zu Stolpersteinen, wie man sie in jeder Stadt finden kann, sie gibt einen kurzen Abriss vom Erstarken des Nationalsozialismus und der zunehmenden Drangsalierung der Jüd:innen, sie zeigt Bilder von hetzendem Nazipöbel und der Pogromnacht, folgt dem „Felix“ bei seiner Flucht durch Italien, Frankreich und Belgien, schildert die Zustände im Internierungslager in Frankreich: „Viele seiner Mitgefangenen werden krank oder sterben.“ Erklärt Deportation: „Das heißt, dass Menschen gegen ihren Willen verschleppt werden.“ Und schließlich Auschwitz: „Das ist ein Vernichtungslager, in dem Menschen umgebracht werden. Auch Felix und seine Frau werden dort ermordet“, sagt die Moderatorin. Stets trifft sie den richtigen Ton.

Die Frage bleibt: Ist das ein Thema für Kinder? Und ab wann? Letztlich können das nur die jeweiligen Eltern entscheiden. Eins aber ist sicher: Man sollte Kinder egal welchen Alters diese Sendung nicht allein schauen lassen. Denn sie wirft Fragen auf. Sie drängt nach Einordnung, Ergänzung und langen Gesprächen – aber das ist ja immer so bei der „Maus“.

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19 Kommentare

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  • Für viele Kinder :sicher!



    Aber das eigentlich spannende sind die Erwachsenen. Da gibt's eine erschreckend große Fraktion, die so eine Sendung braucht. 10% können mit dem Wort Holocaust nichts anfangen. Bei etwa 25% (mindestens) hörte der Geschichtsunterricht in der Schule mangels Zeit und wg Lehrermangel und Stundenausfall vor Behandlung der Nazizeit auf. Und danach kam nicht mehr viel Information dazu. Und dann sind da noch die mit geringen Sprachkenntnissen und Schulunterricht nach anderen Lehrplänen im nahen und fernen Ausland. Mit ZDF history, arte, phoenix uäm sind die nur schwer zu erreichen.

  • Ich erinnere mich noch aus meiner Kindheit an eine Episode zur Reichspogromnacht. War sehr einfühlsam, scheinen es wieder gut gemacht zu haben.

  • Hatte mich gestern Abend noch mit einer Pädagogin über die Sendung ausgetauscht. Sehr gut gemacht, nur der Übergang vom Zeichentrickfilm zurück in die Realität des damaligen Geschehens hätte besser gelöst werden können.

  • Es war/ist eine wirklich gute Sendung, nicht überfordernd, ehrlich, liebevoll - und, wie so oft schaffen es die Macher:innen der Maus auch hier, ein schweres Thema, eines der schwersten überhaupt, in einer Form zu zeigen, die nicht überrumpelt, nicht künstlich emotionalisiert, sondern die Bildungsfernsehen in bester Weise ist.

  • Das klingt nach einer guten Sendung.



    Meine Großtanten haben mir im Kindesalter bereits die furchtbaren Geschichten von der "Kristallnacht" erzählt. Das hat mich geprägt, bis heute in meiner Haltung zu Faschismus und Rechtsextremismus.



    Offenbar hatte "der kleine Fritz " und seine Freunde in der CDU, FDP, BSW und "afd" keine so lebenserfahrene Verwandtschaft.



    Ihnen sei die Sendung empfohlen.



    Teil unserer Familiengeschichten waren der jüdische, dekorierte Veteran aus dem ersten Weltkrieg, der im Vernichtungslager endete.



    Aber auch Einige, die es in die USA geschafft haben.



    Wir müssen denjenigen Ländern dankbar sein, die in der Zeit der schlimmsten Verbrechen in diesem Land human gehandelt haben und deutsche Flüchtlinge aufnahmen.



    Wir Deutschen haben eine historische Verpflichtung gegenüber der Welt, den Rechtsextremismus zu bekämpfen und Flüchtlinge aufzunehmen.



    Wer diese Schuld nicht anerkannt und danach handelt, dem sind die Schuhe eines Bundeskanzlers ein paar Nummern zu groß.



    Schämen Sie sich, Herr Merz und Alle, die mit rechter Hetze Wahlkampf machen wollen!

  • Eine ganz wunderbare Sendung! Spannend, und nicht nur für Kinder.

    Wahrscheinlich werden die Rechten wieder versuchen, das zu diskreditieren. Sei's drum, diese Menschen haben kein Herz, und schlichtweg Angst vor der Wirklichkeit.

  • Demnächst in der AfDiktatur ist leider damit zu rechnen, dass sämtliche Filme und Literatur zum Thema auf den Index der jugendgefährdenden Medien gesetzt werden!

  • Ich habe die Erfahrung gemacht dass Kinder die zu früh über spezifische "Gewalttaten" (Mord, sexualisierte Gewalt ect. ) von und unter Ereachsenen, aufgeklärt werden, in eine emotionale Überforderung kommen. Es ist wie eine kleine Traumatisierung. Traumata machen aber eher Handlungsunfähig und blockieren die Selbstwirksamkeit. Da bleibt nur zu wünschen dass alle Eltern vor dem anschalten mitbekommen dass sie ihre Kinder diesmal besser begleiten sollten beim Medienkonsum der bisher wahrscheinlich noch harmlosesten Kindersendung der Welt.

    • @Sarah Weller:

      Mal ganz ehrlich, ich glaube diese Sendung ist so gut gemacht, dass sie deutlich weniger traumatisiert als wenn das Haustier stirbt.

    • @Sarah Weller:

      Also, ich erinnere mich, dass es um 2000 herum auch einmal eine Sonderausgabe "Die Nachkriegs-Maus" gegeben hat...

  • Ich habe mit meinem damals zirka 7-jährigen Sohn den Film "Mich kriegt ihr nicht", eine Dokumentation über die Abenteuer des jüdischen Künstlers Manfred Weil, während der Nazi-Diktatur, gesehen. Ich kannte den Regisseur und wusste, dass keine grausamen Bilder enthalten waren. Es hat gut funtioniert, weil dort ein sehr sympathischer Opa erzählt, wie er die Nazis immer wieder an der Nase herum geführt hat, fast wie Till Eulenspiegel. Es wurden dabei auch sehr ernste und traurige Dinge erzählt. Aber es war gut für junge Betrachter, dass der liebe Mann, der völlig ungerecht von den bösen Nazis bedroht wurde, letztlich überlebt hat. Das ist aus meiner Sicht eine kindergerechte Geschichte. Wenn die Identitätsfigur am Ende stirbt ist es viel schwerer zu verarbeiten.

  • Die Zeitzeugen des letzten Krieges sterben aus. Das ist die letzte Chance, bevor in wenigen Jahren das Thema aus Schulbüchern gestrichen wird, weil man das ja "so oder so sehen könnte".

  • Als Elternteil, das von dieser Folge Maus echt auf dem falschen Fuß erwischt wurde, bin ich da zwiegespalten. Die Folge war wunderbar gemacht und doch erwartet man das einfach nicht, wenn man eine Kindersendung guckt, da wir bei der Maus einfach davon ausgehen, dass es für Kinder geeignet ist, haben wir ohne großes Nachgucken worum es geht angeschaltet und auf einmal musste ich meinem Vierjährigen erklären, was ermorden bedeutet... Ich hätte ein Sonderformat da passender gefunden.

  • Vielen Dank an das Mausteam für diese einfühlsame Sendung. Ich war zuerst etwas erschrocken, als dieses Thema im Beisein meiner 6 und 10 Jahre alten Kinder anfing und gleichzeitig froh, dass ich dabei saß.

    Es waren aber keine tröstenden Worte notwendig, auch wenn außerhalb der beschützten Umgebung die erste Berührung mit menschlichen Exzessen schon zum Nachdenken anregte. Das hat man den beiden angesehen.

    Wenn das Thema in der Schule wieder drankommt, ist es vielleicht gut, die Sendung nochmal gemeinsam anzuschauen.

  • Nach drei Schulstunden über Foltermethoden der Nazis haben wir als Kinder einen kostenlosen Tagesausflug ins KZ gemacht. Vor der Renovierung zur Parkanlage für Sonntagsausflügler, wie zBsp. in Auschwitz. Die Genickschussanlage, das mehrere Meter hohe Massengrabhügel, der ständige kalte Wind und die riesigen Loren haben mir besonders viel Angst gemacht.



    Dann die Geschichtslehrerin, die Augenzeuge von allerlei Unmenschlichkeit und Kriegsgreul war und beim Schildern ganz bewusst kein Blatt vor den Mund genommen hat.



    "nie vergessen" - unmöglich

  • Gut, dass in allen Altersstufen der Holocaust nahe gebracht wird. Vielleicht werden dann die antisemitischen Hetzereien in allen politischen Spektren, vor allem links- und rechtsextrem weniger.

  • Wichtig und richtig, dass das Thema Holocaust auch für Kinder verständlich erklärt wird. Und dem Sendung mit der Maus-Team traue ich auch zu, dies in angemessener, kindgerechter Art und Weise zu tun.

    Genauso wie ich meinem comicbegeisterten Sohn Spiegelmans "Maus" und Nakazawas "Barfuß durch Hiroshima" zum Lesen empfehlen werde. Für einen 10-jährigen noch etwas zu heftig, deshalb momentan mit der Bemerkung, lieber noch ein paar Jahre damit zu warten.

    • @Der dreckich Katz:

      Sehr zu empfehlen, auch für zehnjährige ist „Spirou oder die Hoffnung“ von Emilio Bravo.



      Spirou und Fantasio während der deutschen Besatzung in Brüssel!



      Und Spirou freundet sich mit Felix und Felka Nussbaum an!

    • @Der dreckich Katz:

      Eine Empfehlung die ein zehnjähriger schon lesen kann wäre „Spirou oder die Hoffnung“. Dort leben Spirou und Fantasio in Brüssel unter der deutschen Besatzung.



      Und Spirou freundet sich mit Felix und Felka Nussbaum an!



      Unbedingt lesenswert.