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Factchecking bei Facebook und InstagramNoch mehr Fake News und Hassrede

Der Facebook-Mutterkonzern Meta knickt vor Donald Trump ein. Ob Faktenprüfung auf den Plattformen nur in den USA wegfallen sollen, ist unklar.

Dieser Mann ermöglicht ein dunkles Zeitalter: Mark Zuckerberg Foto: Manuel Orbegozo/reuters

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kauft sich für 88 Millionen Euro ein Luxushotel im französischen Nobel-Skiort Courchevel. Ein Lkw für eine Weihnachts-Werbeaktion von Coca-Cola im US-Bundesstaat Iowa wurde benutzt, um entführte Kinder abzutransportieren. Der Iran hat von Russland einsatzfähige Atomwaffen bekommen.

Das sind nur drei von Dutzenden Meldungen auf Facebook, die allein in den vergangen zwei Wochen von der Factchecking-NGO Faktograf als Fakes identifiziert wurden. Nut­ze­r:in­nen hatten sie zuvor gemeldet. Gelöscht wurden die Posts nicht, aber mit einem Warnhinweis versehen.

Zensur ist das keine, sondern Moderation, für die der Facebook-Mutterkonzern Meta externe Fak­ten­prü­fe­r:in­nen wie Faktograf bezahlt. 2016 startete das sogenannte „Third Party Fact Checking“-Programm. In Deutschland beispielsweise prüfen die Nachrichtenagenturen DPA und AFP sowie die Recherche-NGO Correctiv im Auftrag von Meta. Noch jedenfalls.

Denn am Dienstag kündigte Meta-Boss Mark Zuckerberg an, unter anderem die externe, professionelle Faktenprüfung in den USA abzuschaffen. „Mehr Redefreiheit, weniger Fehler“, überschrieb Meta seine Mitteilung. Man wolle „zu restriktive“ Vorschriften abschaffen, die „übermäßig“ durchgesetzt worden waren. „Regierungen und traditionelle Medien drängen immer mehr auf Zensur. Vieles davon sei „eindeutig politisch“ motiviert, sagte Zuckerberg. „Faktenprüfer waren einfach zu sehr politisch voreingenommen und haben mehr Vertrauen zerstört als geschaffen.“ Beschränkungen zu Themen wie Einwanderung und Ge­schlechts­identität würden auf Facebook aufgehoben. Es sei „nicht richtig, dass Dinge im Fernsehen gesagt werden können, aber nicht auf unseren Plattformen,“ so Meta.

Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass Hassrede es so künftig wieder leichter haben werden.

Wir erwarten eine neue Welle von Belästigungs­kampagnen, Morddrohungen, Gewalt und Beleidigungen

Ana Brakus, Faktograf-Direktorin

16 Prozent der Deutschen lesen Nachrichten auf Facebook. Vielen ist gar nicht klar, dass hier völlig andere Maßstäbe angelegt werden als bei klassischen Medien. Auf ­Facebook kann im Grunde je­de:r schrei­ben, was er oder sie will. Entsprechend voll von – teils in klar manipulativer Absicht lancierten – Falschmeldungen ist die Plattform. Und schon länger hat die Rechte die Faktenprüfer als vermeintliche „woke“ Gesinnungspolizei im Visier. Zuckerbergs Schritt gilt deshalb als klarer Kotau gegenüber Donald Trump und Elon Musk, für die Meinungsfreiheit vor allem bedeutet, ungehemmt Propaganda in ihrem Sinne verbreiten zu können.

„Die Arbeit von Faktenprüfern war zu keinem Zeitpunkt Zensur“, so die Faktograf-Direktorin Ana Brakus. Die Entscheidung, welche Inhalte wie zu regulieren seien, lag stets bei Meta. Ihre Arbeit habe die Fak­ten­prü­fe­r:in­nen oft „Belästigungskampagnen, Morddrohungen, Gewalt und ständigen Beleidigungen“ ausgesetzt. „Angesichts der Art und Weise, wie Mark Zuckerberg seine Entscheidung verkündet hat, erwarten wir nun eine neue Welle solcher Verhaltensweisen,“ so Brakus.

Als „falsch und böswillig“ kritisierte auch das European Fact-Checking Standards Network (EFCSN) Zuckerbergs Äußerungen. „Wir verurteilen nachdrücklich“, dass er „Faktenprüfung mit Zensur in Verbindung bringt“, so der Branchenverband. „Dies scheint eher ein politisch motivierter Schritt im Zusammenhang mit der neuen Regierung von Donald Trump in den USA zu sein als eine faktenbasierte Entscheidung“, sagte die EFCSN-Vorsitzende Clara Jiménez Cruz. Die EU solle sich dem „politischen Druck widersetzen und sich nicht von ihren Bemühungen abbringen zu lassen, die Verbreitung von Falsch- und Desinformationen auf sehr großen Onlineplattformen zu stoppen“. Faktenprüfung sei keine Zensur, sondern liefere „Kontext und Fakten für jeden Bürger, damit er sich eine eigene Meinung bilden kann“, und habe sich „immer wieder als wirksames Mittel gegen Fehlinformationen erwiesen“.

Der Clou beim DSA

Die nun von Meta in den USA ersatzweise vorgesehenen „Community Notes“ seien hierfür ein angemessener Ersatz, so das EFCSN. Nut­ze­r:in­nen selbst sollen ihnen verdächtig erscheinende Meldungen als Fakes­ markieren können. Wenn es genug Zustimmung durch andere Nut­ze­r:in­nen gibt, wird ein Warnhinweis für alle sichtbar. Das Modell wird so auf der Plattform X praktiziert. „Illegale“ Inhalte will Meta indes weiter selbst löschen.

Bisher galt Zuckerbergs Meta – neben Google – unter den Tech-Konzernen als vergleichsweise kooperativ. Im Februar 2024 war in der EU mit dem Digital Services Act (DSA) ein neues Regelwerk in Kraft getreten, das die Tech-Konzerne zu Maßnahmen gegen die Desinformationsflut zwingt. Der Clou daran ist, dass keine konkreten Schritte vorgegeben sind. Stattdessen sind „Risiken“ wie etwa die Manipulation von Wahlen benannt. Die Plattformen dürfen selbst entscheiden, was sie gegen diese Risiken tun, und das gegenüber der EU-Kommission begründen. Die Inhaltemoderation durch externe Fak­ten­prü­fe­r:in­nen ist nur ein möglicher Weg, die Risiken zu mininmieren, die Community Notes, die Zuckerberg nun will, ein anderer. Reichen der Kommission die Maßnahmen allerdings nicht, kann sie Nachbesserung fordern und mit hohen Bußgeldern drohen.

Es gebe bisher keine Pläne, das Fact­checking auch in der EU zu stoppen, heißt es bei Meta. Doch es ist nicht gesagt, dass das so bleibt. Der DSA sieht vor, dass externe Meldestellen auf eigenen Antrag als sogenannte „Trusted Flagger“ zertifiziert werden. Sie können auf eigene Initiative zweifelhafte Inhalte an die Plattformen melden, diese müssen die Meldungen mit Priorität bearbeiten und dürfen sie nicht ignorieren. Anders als die externen Faktenprüfer werden die „Trusted Flagger“ allerdings nicht von den Plattformen bezahlt. „Die Trusted Flagger sind ähnliche Organisationen wie die externen Faktenprüfer“, sagt Kai Un­zicker, Social-Media-Experte bei der Bertelsmann-Stiftung. „Facebook hat schon signalisiert, dass sie das kritisch sehen. Da ist der Konflikt vorprogrammiert.“

Faktograf und die taz arbeiten seit 2022 im Projekt „Decoding the Disinformation Playbook bei Recherchen zum Thema Desinformation zusammen

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7 Kommentare

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  • Die Community Notes bei X funktionieren gut. Musk selbst wurde bereits mehrfach Opfer dieser Funktion, von daher bin ich hier nicht kategorisch skeptisch.



    Ein Vorteil ist das man bei der Community ist das jeder mitmachen kann und man dadurch ein deutlich vielfältigeres Meinungsspektrum abdecken wird als bei der Verwendung institutioneller Factchecker.

    Beispiele wie Correctiv machen es nicht schwer zu glauben, dass eine Voreingenommenheit vorliegt, man hält sich ja mit der eigenen Meinung nicht zurück.

    Ein Kalauer am Rande: Facebook hat vor einigen Jahren in einem Prozess zu Protokoll gegeben das man Factchecks ledglich als reine Meinungsäußerung betrachtet und das Nutzer deshalb nicht erwarten können, dass die getroffenen Aussagen belastbar sind.

    • @Julius Anderson:

      Das sehe ich ähnlich wie Sie. Die Community Notes haben sich bewährt und sog. Faktenchecker durch diese zu ersetzen bedeutet eben nicht den Untergang des Abendlandes und der Demokratie. Es ist bei weitem nicht so, dass es zu jedem Thema nur die eine unumstößliche Wahrheit gäbe, dszu muss man sich ja nur den Nahost Konflikt ansehen. Es gibt häufig eine Vielzahl von Fakten, die es zu beachten gilt und auf welcher Seite des Meinungsspektrums zb Faktenchecker von Correctiv stehen, sollte klar sein. Da sind mir Communit Notes doch wesentlich lieber und das hat nichts damit zu tun, Fan von Trump zu sein oder vor diesem einzuknicken

    • @Julius Anderson:

      Meiner Meinung nach sind die Community-Notes der eigentlichen Grund dafür, warum die Herrschenden Musk und sein X so abgrundtief hassen. Er hat dem Plebs die basisdemokratische Möglichkeit in die Hand gegeben, die Tweets der Mächtigen, bis hin zu höchsten Regierungsstellen(!), mit Warnhinweisen und Korrekturen zu versehen, wenn diese nachweislich Lügen verbreiten. Vorher und mit dem Faktenchecker-System geht die Kontrolle nur von oben nach unten und so soll es nach deren Willen auch wieder werden.

  • Das Problem ist leider: Wer kontrolliert die Kontrolleure? Wir hatte. die Diskussion in Deutschlamd um die unseligen "Trusted flagger", die sehr offenkundig nicht neutral und auch nicht kompetent sind..also wollen wir wirklich staatliche Informationskontrolle ala China oder Russland Dann habe ich lieber Anarchie im Netz.

    • @Peter Wenzel:

      Du verstehst das Wort Anarchie nicht. Es gibt im Netz keine Anarchie. Das Netz ist ein einziges Geschäft

  • Wenn ich diese Frisur von Zuckerberg sehen muss, fände ich sogar Zensur ganz gut.

  • Too little, way too late! Diesen Techkonzernen hätte man schon Jahre früher einen Riegel vorschieben müssen. Nimmt man noch den KI-Wahnsinn dazu, ist die Bedrohung für Demokratie und Menschenrechte durch Meta und Co. kaum einzuschätzen.