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Zocken unter der SchulbankHamburger Elterninitiative will Handys aus Schulen verbannen

Viele Schüler können der Versuchung nicht widerstehen, im Unterricht zu zocken. In Hamburg fordern Eltern die Kultusminister auf, private Handys im Unterricht zu verbieten.

Spätestens bei den Abi-Prüfungen ist Schluss mit Smartphones Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Hamburg taz | Es wäre doch so praktisch, fand Hamburgs Senat. Die meisten Schüler hätten eh ein Smartphone. Darum bekamen die Schulen zwar WLAN und Whiteboards und ein paar tausend Geräte für Bedürftige, aber „grundsätzlich“ setzte der Senat darauf, dass die Schüler „ihre eigenen Smartphones im Unterricht einsetzen“. „Bring your own device“, kurz „BYOD“, heißt dieses Prinzip.

Wem also am Bildungserfolg seines Kindes gelegen war, der kaufte so ein Ding und packte es mit Tuschkasten und Heften in den Ranzen. Eine Gruppe von Eltern einer Grundschule fand das zu früh, zumal für sie auch damals schon Gefahren absehbar waren. „Wir haben uns entschieden, dass wir lieber warten und uns nicht dem Gruppendruck beugen möchten“, sagt Vater Tobias Windbrake. Sie gründeten „Smarter Start ab 14“. Die Initiative vernetzt Eltern, die ihren Kindern nicht vor 14 ein Smartphone geben wollen.

Die Idee: Sind es 20 oder 30 Prozent einer Klasse, die nicht mitmachen, ist der Gruppendruck nicht so groß und die Kinder sind keine Außenseiter. Allein in Hamburg, sagt Windbrake, seien derzeit Eltern von 150 Schulen bei der Initiative dabei, bundesweit Eltern von über 500 Schulen.

Inzwischen gibt es immer mehr Studien, beispielsweise Pisa 2022, die Nachteile der Handynutzung aufzeigen. Etwa, dass sie Schüler ablenken und Mobbing verstärken. Für Windbrake, von Beruf Wirtschaftsinformatiker, ist klar, dass sogenannte weiche Handy-Regeln und -Verbote nicht wirken: etwa den Schülern zu erlauben, ihr Gerät in der Tasche dabeizuhaben und es nur hervorzuholen, wenn sie es im Unterricht brauchen.

Digitaler Zucker

„Die Kinder nutzen es unter dem Tisch“, sagt er. „Wir sprechen vom ‚digitalen Zucker‘. Social Media, Online­games und Video-Streaming-Plattformen sind so designt, dass sie süchtig machen können.“ Es sei von Kindern zu viel verlangt, die Selbstdisziplin aufzubringen, diese Angebote nicht zu nutzen. Denn das notwendige Maß an Selbstkontrolle sei noch nicht vorhanden, der dafür zuständige präfrontale Kortex im Gehirn erst im jungen Erwachsenenalter ausgereift.

In Hamburg hat die Debatte Fahrt aufgenommen, seit das Gymnasium Christianeum diesen Herbst ein Handy­verbot in der Schulzeit erließ und eine positive Bilanz zog. Die oppositionelle CDU forderte vom rot-grünen Senat prompt eine einheitliche Richtlinie. Doch SPD, Grüne und auch die Linke setzen auf das Prinzip der selbstverantworteten Schule. Sprich: Jede Schule sucht sich ihre Lösung.

Rein rechnerisch kommt in den Hamburger Schulen ein Gerät auf drei Schüler, ohne das Mitbringen eigener Geräte geht es also nicht. Das beiße sich nicht mit dem Handyverbot, sagt die Schulbehörde. Die Schüler könnten ja Tablets und Laptops mitbringen.

Technischer Schutz

„Wir halten ‚Bring your own device‘ für einen Irrweg“, sagt Windbrake. Auf den mitgebrachten Tablets der Schüler, ja selbst auf Schulgeräten habe man häufig „exakt dieselben Probleme“, weil es keinen ausreichenden technischen Schutz gebe. Ideal sei, wenn Schul­geräte zentral und professionell gemanagt würden, mithilfe eines „Mobile-Device-Managements“, das den Zugriff auf den „digitalen Zucker“ verhindere.

In anderen Ländern wie Frankreich, Schweden und England sind längst Handy­verbote an Schulen erlassen worden. Der Elternverein fordert darum über eine Onlinepetition die Kultusminister der Bundesländer auf, „smartphonefreie Schulen“ zu schaffen.

„Das Prinzip der selbstverantworteten Schule ist gut, aber hierfür nicht geeignet“, sagt Windbrake. Bis jede der 40.000 Schulen in Deutschland ein Verbot beschlossen habe, dauere es einfach zu lange.

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3 Kommentare

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  • "Bis jede der 40.000 Schulen in Deutschland ein Verbot beschlossen habe, dauere es einfach zu lange."



    Das klingt ja, als müssten die das alle nacheinander in Angriff nehmen. Müssen die sich alle eine einzige Schreibmaschine fürs Protokollieren teilen?

  • Ich hätte es besser gefunden, wenn der Artikel erstmal erklären würde um was es konkret geht. Die Schüler sollen Geräte die von der Schule gestellt und administriert sind nutzen, nicht ihre eigenen. Eigene Geräte sind im Unterricht irgendwie wegzuschließen. Es geht nicht darum grundsätzlich nur analog zu unterrichten. Richtig?

    Da wir in Deutschland sind, wird natürlich sofort ein autoritärer Ansatz gefordert. Selbstverantworliche Entscheidungen durch die jeweilige Schule und Eltern, gehen gar nicht.

  • "Es sei von Kindern zu viel verlangt, die Selbstdisziplin aufzubringen, diese Angebote nicht zu nutzen."



    Alte Weisheit: was Hänschen nicht lernt lernt Hans nicht mehr...



    Und wieso Selbstdisziplin? Es braucht keine Selbstdisziplin dafür - es steht ja eine Lehrkraft in der Klasse die klar vorgibt wann das Smartphone zu nutzen ist und wann nicht.



    Die Problematik, dass "das notwendige Maß an Selbstkontrolle (...) noch nicht vorhanden" ist, stellt sich da gar nicht.



    Ich bringe meinem Enkel ja auch mit zwei Jahren schon bei an der Kreuzung erst links-rechts-links zu schauen bevor wir losgehen oder das Feuer kein Spielzeug ist...



    Der "dafür zuständige präfrontale Kortex im Gehirn" ist bei ihm definitiv auch noch nicht ausgereift - deshalb überwache ich ihn dabei und würde ihn nicht alleine die Straße überqueren lassen, aber deshalb kann ich es ihm doch trotzdem von Beginn an einschärfen...🤷‍♂️



    Wir wollen mündige Menschen heranziehen - wie soll das gehen ohne fördern und fordern?



    Kinder brauchen Wurzeln und Flügel - keinen gepolsterten Käfig.



    Frage: sollen diese Maßnahmen wirklich die Kinder schützen oder doch eher uns, weil wir mittlerweile jegliche Konflikte in der Erziehung scheuen?