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WestjordanlandAl Jazeera von Palästinensischer Autonomiebehörde verboten

Die Palästinensische Autonomiebehörde hat den katarischen Sender Al Jazeera in der Westbank untersagt. Vielen in Israel gilt er als Hamas-Sprachrohr.

Ein Mann fotografiert das Büro des Senders Al Jazeera in Ramallah Foto: Jaafar Ashtiyeh/afp

Al Jazeera erlitt am Mittwoch einen weiteren Rückschlag im Nahen Osten: Die Palästinensische Autonomiebehörde verkündete, dass der katarische Sender mit Sitz in Doha in ihren Gebieten in der Westbank verboten werde, zumindest vorübergehend. Der Sender filmte, wie palästinensische Sicherheitsbehörden einem ihrer Journalisten den Verbotsbescheid persönlich überreichten. Die Begründung: „Aufwiegelung“, „hetzerisches Material“ und die „Einmischung in interne palästinensische Angelegenheiten“.

Bereits im Mai verabschiedete Israel ein neues Gesetz, das ausländische Medien betrifft, die die Sicherheit Israels gefährden würden. Gemeint war Al Jazeera, das von vielen in Israel als „Sprachrohr der Hamas“ kritisiert wird und der islamistischen Muslimbruderschaft ideologisch nahesteht. Der Sender musste daraufhin jegliche Berichterstattung im jüdischen Staat einstellen. Seitdem kann er dort nicht mehr empfangen werden, die Webseite ist für Israelis gesperrt. Im September schloss Israel auch vorübergehend das Al-Jazeera-Büro in Ramallah in der Westbank. Journalisten berichteten weiter für den Sender, gaben sich aber als Freelancer aus.

Nun wird auch das nicht mehr möglich sein: Wafa, die Nachrichtenagentur der palästinensischen Regierung in der Westbank, hat die „Arbeit all seiner Journalisten eingefroren“, heißt es. Alle lokalen Büros wurden zudem geschlossen. Die Entscheidung werde in Kraft bleiben, bis der Sender, der gegen­ lokale Gesetze verstoßen haben soll, „seinen rechtlichen Status geklärt hat“. Beispiele für die Verstöße lieferte die Palästinensische Autonomiebehörde nicht. Al Jazeera spricht von einem „Versuch, die Berichterstattung über die eskalierenden Ereignisse in den besetzten Gebieten zu verhindern“.

In den vergangenen Wochen ging die Palästinensische Autonomiebehörde hart gegen die Radikalislamisten der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihads in Dschenin und Nablus vor. Es kam wiederholt zum heftigen Schusswechsel, auch Fahrzeuge der Palästinensischen Autonomiebehörde wurden gestohlen. Elf Menschen, auch Sicherheitskräfte, wurden getötet.

Scharfe Kritik von Al Jazeera

Al Jazeera hatte das Durchgreifen der palästinensischen Sicherheitsbehörden scharf kritisiert, es sei ein „Appell an israelische und westliche Interessen“, hieß es neulich in einer Überschrift. Der Sender wirft der Palästinensischen Autonomiebehörde nun vor, in Dschenin die „Wahrheit unterdrücken“ zu wollen. Schon seit Dezember spricht Al Jazeera von einer „Kampagne“ der Fatah gegen den Sender. Auch Politiker der säkularen Fatah, der Partei des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas, haben Al Jazeera immer wieder als Bollwerk der Hamas-Unterstützung kritisiert.

Schon vor dem 7. Oktober 2023, dem schweren Überfall der Hamas und anderer palästinensischer Terrororganisationen auf Israel, bei dem rund 1.200 Menschen – größtenteils Zivilisten – getötet wurden, wurde Al Jazeera von vielen vorgeworfen, einseitige Narrative über den Nahostkonflikt zu verbreiten. Seit dem Angriff setzt sich dieser Trend verstärkt fort: Die Hamas sei eine „Widerstandsorganisation“ gegen eine „zionistische Besatzung“, der 7. Oktober eine „Militäroperation“, Israel wiederum verübe einen „Genozid“. Kritisiert wird auch, dass Al Jazeera – der reichweitenstärkste Sender im arabischen Raum, der auch auf Englisch berichtet – vom katarischen Staat finanziert wird, einer autoritären Dynastie, die als größter Sponsor der islamistischen Muslimbruderschaft weltweit gilt.

Nach dem Al-Jazeera-Verbot der Palästinensischen Autonomiebehörde in der Westbank meldete sich auch die Hamas zu Wort. Die islamistische Terrororganisation fordert die Regierung in Ramallah dazu auf, es „unverzüglich rückgängig zu machen“. Es sei „von entscheidender Bedeutung, eine Fortsetzung der Berichterstattung sicherzustellen, die die Besatzung aufdeckt und die Standhaftigkeit unseres Volkes unterstützt“.

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4 Kommentare

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  • In einem ZEIT-Artikel von 2011 wird Al Jazeera so dargestellt:

    "Während Al Jazeera im Westen vor allem wegen der Ausstrahlung von Bin-Laden-Videos nach dem 11. September 2001 bekannt wurde und wegen seiner Irak-Berichterstattung als vermeintlich anti-amerikanisch berüchtigt ist, spielt er in den arabischen Ländern vornehmlich die Rolle des Korrektivs einer von den Regimes domestizierten Medienlandschaft. Es gibt fast kein arabisches Land, in dem der Sender nicht schon einmal verboten wurde."

    "In den Jahren vor der Intifada hatte sich Al Jazeera (...) durch seine Reporter in der Westbank und Gaza als ein quasi-lokales Medium etabliert. Andere arabische Korrespondenten vor Ort gab es nicht, und die palästinensischen Medien gehörten im Wesentlichen zur Autonomiebehörde.

    Al Jazeera hatte dagegen regelmäßig Korruptionsfälle in der Behörde aufgedeckt und scheute weder die Auseinandersetzung mit den Autoritäten noch den Konfliktparteien von Hamas und Fatah. Es erwarb somit eine Glaubwürdigkeit, die anderen Medien fehlte."

    www.zeit.de/politi...it/komplettansicht

    Man sollte auch gucken, welche Motive hinter den regelmäßigen Verboten stehen.

    • @Uns Uwe:

      Definitiv sollte man auf die Motive gucken.

      Und darauf, inwieweit einem eine Einschätzung von 2011 weiterhilft.

      Vielleicht gab es in den 14 Jahren ja Entwicklungen...

  • Um über den Nahen Osten informiert zu sein, lese ich unter anderem Haaretz und Al Jazeera, weder die eine noch die andere Zeitung ist ein Sprachrohr des Hamas. Man hätte sich hier auch eine gründlichere Untersuchung gewünscht, nicht nur kurze "Sprachelemente", um diesen Vorwurf zu unterstützen. Oder sollte die Tatsache, das eine Anzahl von Al Jazeera Journalisten, nicht nur Abu Akleh, und ihre Familien getötet worden, als Anzeichen für Nähe zum Hamas (um)gedeutet werden?

    • @Jo Lang:

      Katar als Geldgeber der hamas und offener Unterstützer der muslimbruderschaft hat mit hamas propaganda nichts zu tun? Ist jetzt aber nicht wahr.