Cateringfirma geflüchteter Frauen: Ein Ort der sozialen Teilhabe
Als Kochprojekt in einer Geflüchtetenunterkunft gestartet, will die Cateringfirma Chickpeace im neuen Jahr ein Restaurant in Hamburg-Altona eröffnen.
Mit knapp 100.000 Euro fördert die Stadt Hamburg nun das daran angelehnte, 2025 startende Projekt Chickpeace Cantina, ein Restaurant im Erdgeschoss des Neuen Amtes Altona, eines ehemaligen Bürogebäudes, das nun als Co-Working-Space, Atelierhaus und „Haus des Engagements“ genutzt wird. Hier soll ab diesem Jahr auch ein genossenschaftlich organisierter Kreativstandort und Nachbarschaftstreffpunkt entstehen. Hinter der Förderung steckt das Programm #UpdateHamburg als Teil der Social-Entrepreneurship Strategie des Senats.
Manuela Maurer ist Alleingründerin der Cateringfirma. Gestartet ist das Unternehmen 2016 als ehrenamtliches Kochprojekt in einer Geflüchtetenunterkunft in Harburg, erzählt die Sozialpädagogin. Fünf Frauen aus der Unterkunft und fünf Personen aus der Nachbarschaft kauften gemeinsam auf dem Wochenmarkt ein, um anschließend zusammen zu kochen.
Irgendwann kam die erste Anfrage, ob die Gruppe bereit wäre, das Catering für ein Sommerfest mit 70 Personen zu übernehmen. Das Fest war ein voller Erfolg: „Wir waren alle total verzaubert von dem Nachmittag“ erinnert sich Maurer. In einer Catering-Küche in Harburg durfte die Gruppe dann erstmals regelmäßig kochen. „2017 war unser erstes unternehmerisches Geschäftsjahr mit Umsatz“, erzählt die Gründerin.
Schritt für Schritt in die Unabhängigkeit
Ein Ziel von Chickpeace ist es, dass die Beschäftigten Schritt für Schritt den Weg in die finanzielle Unabhängigkeit gehen können. Denn der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für geflüchtete Menschen, je nach Aufenthaltsstatus, durch Verbote und rechtliche Hürden versperrt oder wird durch komplizierte Verfahren etwa bei der Anerkennung von Berufsqualifikationen erschwert. Besonders Frauen sind bei der Integration in den Arbeitsmarkt dem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zufolge stark unterrepräsentiert. Grund dafür sind strukturelle Hürden wie zusätzlich geleistete Care-Arbeit.
So sind die Angebote für Kinderbetreuung meist unzureichend, weshalb Chickpeace sie für alle Beschäftigten sicherstellt. „Geflüchtete Frauen erleben Benachteiligungen als Frauen, als Menschen mit Migrationshintergrund und als Geflüchtete“, sagt Anne-Katrin Lother vom Beratungsnetzwerk „Alle an Bord! – Perspektive Arbeitsmarkt für Geflüchtete“.
„Der Anfang war alles andere als einfach“, erzählt auch Unternehmensgründerin Manuela Maurer: „Die Aufträge waren unregelmäßig, wodurch der Zuverdienst nicht planbar oder monatlich gleichbleibend war.“ Das Jobcenter habe seine Leistungen für den betreffenden Monat trotzdem gekürzt, als hätten die Frauen das maximale Minijob-Gehalt verdient. „Einige der Frauen mussten deshalb aufhören, ein paar konnten weitermachen und sind teilweise bis heute dabei“, sagt Maurer.
Der Wunsch: ein Restaurant
Doch die Aufträge wurden regelmäßiger. Bis 2019 verachtfachte sich der Umsatz. Dann kam die Pandemie. „Da mussten wir erst mal durchhalten“, erzählt Maurer. Der Mietvertrag in der in Altona bezogenen Küche endete. Erst 2023 habe sich Chickpeace von der Pandemie erholt.
Mittlerweile besteht das Team aus drei Vollzeit- und vier Teilzeitbeschäftigten, drei Minijoberinnen sowie einer Praktikantin. Die Kosten für Löhne und Miete werden laut Website zu 100 Prozent über den Umsatz erwirtschaftet.
Die Arbeit bei Chickpeace wird auf alle Schultern verteilt– ob es um Produktion, Buchhaltung, Auslieferung des Caterings oder Organisation geht. Auch Maisaa Saloum ist von Anfang an dabei und arbeitet in der Produktion und Organisation. „Die Rezepte kommen aus unserer Heimat, in meinem Fall Syrien, und werden dann neu kombiniert und gemeinsam weiterentwickelt“, erzählt sie. Das Team sei wie eine Familie, sagt sie, und das Projekt sei „ein großes Glück“. Schon vor drei Jahren äußerte Saloum den Wunsch, dass neben dem Catering ein Restaurant eröffnet würde. Nun geht er in Erfüllung.
Gründerin Manuela Maurer
Die Chickpeace Cantina soll ein Ort der Begegnung und sozialen Teilhabe werden. „Ein Ort von der Gemeinschaft für die Gemeinschaft“, sagt Maurer. Neben der Kantine sind ein Co-Working-Space und Workshops geplant, die sich unter anderem mit Nachhaltigkeit beschäftigen. Außerdem soll ein Ort der Weiterbildung entstehen, in dem berufsbegleitend Qualifikationen erworben werden können. „Unser Ziel ist es, unabhängig von formellen Berufsabschlüssen Potenziale zu erschließen und weiterzuentwickeln“, sagt Maurer.
Die Erkenntnisse aus dem Projekt bringt das Team momentan in eine Facharbeitsgruppe zur nachhaltigen Arbeitsmarktintegration von Frauen mit Fluchterfahrung vom „Minor-Projektkontor für Bildung und Forschung“ ein.
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