: Bundestag debattiert über Legalisierung
Ein parteiübergreifender Gesetzentwurf will legale Schwangerschaftsabbrüche in den ersten drei Monaten. Am Donnerstag ist der Entwurf im Plenum. Findet er eine Mehrheit?
Von Patricia Hecht und Anna Lehmann
Rund 30 Jahre ist es her, seit das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen grundsätzlich geprüft wurde. Nun gibt es Bestrebungen, dieses Verbot zu kippen. Eine Gruppe von Abgeordneten mehrerer Fraktionen hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Legalisierung von Abbrüchen in den ersten drei Monaten zum Ziel hat. Der Entwurf soll am späten Donnerstagnachmittag erstmals im Bundestag beraten werden.
Schwangerschaftsabbrüche sind derzeit in Deutschland rechtswidrig. In den ersten zwölf Wochen bleiben sie unter bestimmten Voraussetzungen straffrei: die Schwangere muss sich zuvor beraten lassen, zudem muss sie eine Wartefrist von mindestens drei Tagen verstreichen lassen. Laut Gesetzentwurf sollen Abbrüche in den ersten drei Monaten grundsätzlich rechtmäßig sein. Die Beratungspflicht bliebe bestehen, die Wartezeit jedoch nicht. Zudem sollen Regelungen für Abbrüche nach den ersten drei Monaten im Schwangerschaftskonfliktgesetz, aber nicht mehr im Strafgesetzbuch stehen. Der Paragraf 218 selbst soll neu gefasst werden und nur noch den Schutz Schwangerer vor nicht selbstbestimmten Abbrüchen enthalten.
Unterzeichnet hatten den Gruppenantrag nach Angaben der Grünen-Abgeordneten Ulle Schauws, die neben Parlamentarierinnen von SPD und Linken den Antrag initiiert hat, zuletzt 327 Abgeordnete, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne). Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte, sie gehöre „zu einer ganz großen Gruppe von Abgeordneten, die mehr Sicherheit und mehr Selbstbestimmung für Frauen“ ermöglichen wolle. Ihr Eindruck sei, dass es eine Mehrheit dafür geben könne, das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu beschließen.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, er sei froh, dass es gelungen sei, sich über den Antrag zu verständigen. Zwar handle es sich um „hochemotionale Fragen“. Die Gesetzesvorlage halte er aber für „zustimmungsfähig“. Katja Mast, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, sagte, das Thema müsse und könne „noch vor dem 23. Februar entschieden werden“, also dem Termin für die Neuwahl des Bundestags.
Nach der ersten Lesung am Donnerstag geht der Gesetzentwurf zurück in die Ausschüsse, federführend ist der Rechtsausschuss. An den dortigen Mehrheiten liegt es, ob und wann er zur Schlussberatung und Abstimmung wieder ins Plenum verwiesen wird. Mast sagte, dazu sei eine Mehrheit im Rechtsausschuss unabdingbar, „die über die derzeitigen Unterzeichnenden hinausgeht“. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, sagte: Er halte es für unsicher, ob der Antrag „jemals wieder aus dem Ausschuss rauskommt“. Sollte dies der Fall sein, wäre danach eine Mehrheit von 367 Abgeordneten im Plenum nötig. Selbst wenn SPD, Grüne und Linke geschlossen für den Entwurf stimmen würden, wären die Abgeordneten auf Stimmen etwa von FDP, Union oder BSW angewiesen.
In der FDP hatte es zwar bereits Beschlüsse von Jungen Liberalen und Liberalen Frauen gegeben, die teilweise sogar über den derzeitigen Vorschlag hinausgehen. Eine Chance auf eine Mehrheit innerhalb der Partei hatten diese aber nie. Kürzlich jedoch hatten einige Parteimitglieder per offenem Brief eine Debatte über den Gesetzentwurf angestoßen. FDP-Parteichef Christian Lindner sagte daraufhin, er werde den Antrag „nicht unterstützen“. Dennoch machten sowohl Lindner als auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr deutlich, Abgeordneten der Fraktion bei einer Abstimmung freie Hand zu lassen.
CDU-Chef Friedrich Merz hatte zunächst empört auf den Gesetzesvorstoß reagiert. Zuletzt warnte er vor einer übereilten Entscheidung: „Bitte nicht auf den letzten Metern vor der Wahl.“ Stattdessen sei eine breite, parlamentarisch und gesellschaftlich geführte Debatte erforderlich, die dem Thema gerecht werde.
Vergangene Woche forderten zudem 73 Verbände die Bundestagsabgeordneten auf, den nun vorliegenden Gesetzentwurf zu unterstützen. „Die Fakten liegen auf dem Tisch. Die Argumente sind ausgetauscht“, schreiben unter anderem AWO, Paritätischer Gesamtverband und DGB. „Es liegt an Ihnen. Unterstützen Sie ungewollt Schwangere und ihre Ärztinnen. Schreiben Sie Geschichte!“
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