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Unterbringung und VersorgungGeflüchtetenaufnahme belastet Kommunen weiterhin deutlich

Obwohl weniger neue Asyl­be­wer­be­r*in­nen nach Deutschland kommen ist rund ein Drittel der Kommunen „im Krisenmodus“. Oft fehlt es an Geld und Wohnraum.

Widerstand gegen die Geflüchtetenunterkunft in Markt Schwaben, im März 2024 Foto: Stephan Goerlich/imago

Berlin taz | Trotz rückläufiger Ankunftszahlen sind viele Gemeinden in Deutschland sind weiterhin überfordert damit, Geflüchtete angemessen unterzubringen und zu integrieren. Das geht aus einer Befragung hervor, die das Institut für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration (DESI) zusammen mit dem Mediendienst Integration unter knapp 600 Kommunen im Sommer geführt hat. Rund ein Drittel der Kommunen sehen sich demnach im „Krisenmodus“, etwa 5 Prozent gar im „Notfallmodus“. Gut die Hälfte sieht die Situation als „herausfordernd, aber machbar“.

Größtes Problem ist demnach fast überall die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt. Den Verwaltungsbehörden falle es zunehmend schwer, Unterbringungsmöglichkeiten für die Geflüchteten zu finden, wofür fast alle Kommunen auf die Anmietung von Privatwohnungen setzen. Auch kommunale Wohnungen und extra dafür gebaute Heime sind weit verbreitet. Auf Notfalloptionen wie Turnhallen oder gar Zelte müssen derzeit nur rund drei Prozent der Gemeinden zurückgreifen.

Vertreter einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen berichten: „Es sind derart viele Bereiche aufeinander vor Ort abzustimmen, dass eine ordnungsgemäße Integration nahezu unmöglich ist. Die städtischen Unterbringungskapazitäten sind erschöpft.“

Das gesellschaftliche Klima sorgt indes für weitere Probleme bei der Unterbringung. So berichtet ein Vertreter einer Gemeinde aus Bayern, dass der Widerstand gegen die Einrichtung neuer Geflüchtetenunterkünfte steige. „Wir werden überschwemmt mit Beschwerdeschreiben, deren Beantwortung zusätzliche Personalressourcen bindet – Quintessenz der Beschwerden ist zunehmend völlig unverblümt die Drohung, zukünftig AfD zu wählen, wenn die Unterkunft kommt!“

Ehrenamtliche als wichtiger Stützpfeiler

Als schwierig bewerten die Kommunen es auch, ausreichende Integrationskurse für die Geflüchteten zu organisieren. Diese Kurse vermitteln neben Grundwissen über die deutsche Gesellschaft vor allem Deutschkenntnisse. So fehle hier zum einen oft Geld, andererseits sei es teils schwierig, genügend qualifizierte Lehrkräfte zu finden. Und hier drohen noch größere Probleme. Die Finanzierung der Kurse für das Jahr 2025 wackelt derzeit, viele Träger der Kurse fürchten, Lehrpersonal entlassen zu müssen, wenn es so kommen sollte.

Dort, wo die Aufnahme und Integration gut läuft, hat das oft damit zu tun, dass auf Strukturen und Know-how aus der Bewältigung der Fluchtbewegung 2015 zurückgegriffen wird. Auch ehrenamtliches Engagement trägt vielerorts dazu bei, etwa bei Sprachkursen für die Geflüchteten. Nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, etwa lokalen Vereinen, sehen viele Kommunen als Stütze. So berichtet etwa ein Vertreter einer kreisfreien Stadt in Nordrhien-Westfalen: „Ohne die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtspflege vor Ort wäre die Verwaltung nicht ansatzweise in der Lage gewesen, die Herausforderungen zu meistern.“

Kernforderungen der Kommunen an Bund und Länder ist die nach mehr Geld sowie nach mehr sozialem Wohnungsbau. Außerdem brauche es bessere Koordination der höheren politischen Ebenen mit den lokalen Stellen.

Die Zahl der in Deutschland neu angekommen Asyl­be­wer­be­r*in­nen war zuletzt spürbar gesunken. Bis Ende Oktober wurden rund 200.000 Asylanträge gestellt. Bleibt es bei dieser Tendenz dürfte die Zahl Ende des Jahres deutlich niedriger liegen als 2023, als insgesamt über 350.000 Antröge gestellt wurden.

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20 Kommentare

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  • Danke für diesen Artikel!



    Es ist gut, dass einfach mal Realitäten wiedergegeben werden.



    Bei uns liegt der Schwerpunkt der Unterstützung in Deutschkursen etc. auf den Schultern ehrenamtlicher HelferInnen.



    Das hat sich seit 2015 nicht geändert.



    In der Folge beendeten die HelferInnen Eine nach dem Anderen ihre Tätigkeit.



    Auf Dauer ist eine solche Zusatzbeschäftigung neben der Erwerbsarbeit nicht zu leisten.



    RentnerInnen haben zudem ein Recht darauf, nicht mehr arbeiten zu müssen und scheiden irgendwann aus.



    Leider wird Denen, die sich somit für eine offene Gesellschaft einsetzen, wenig Dank zuteil. Im Gegenteil verhallten Rufe der Überlastung. Lange wurden Diejenigen, die Hilfe leisteten und die Grenzen des Systems aufzeigten, in die rechte Ecke gestellt, was eine Frechheit ist.



    Gerne ließen sich Andere darüber aus, "was der Staat tun solle". Der Staat, dass ist in kleineren Zusammenhängen letztlich der Bürger.



    Oft ist es die Bürgerin, die hier Einsatz für eine bessere Gesellschaft zeigt.



    Private Wohnungsanmietung ist bei der angespannten Lage schwierig. Manchmal mietet die öffentliche Hand Wohnraum an, der SO auf dem freien Markt nicht vermittelbar wäre, "Preis spielt keine Rolle".

  • Auf wie viel m² lebt eine Durchschnittsdeutsche noch mal?



    Die Verteilungsfrage ist auch hier ein hilfreicher Ansatz.

    Versuchen wir's mal pfiffiger: Die Ankommenden bekommen einen Crashkurs 'Unterstützung Gebrechlicher' und werden so als Untermieters richtig attraktiv. Nur halb spaßhaft gemeint, wenn man auf Freiwilligkeit setzen will. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde einquartiert.

    • @Janix:

      Es musste zwangsweise einquartiert werden, weil es sonst selbst für die eigenen vertriebenen und ausgebombten Landsleute nicht genug freiwillige Solidarität gegeben hätte. Und da wusste jede(r), dass es ihn genau so hätte treffen können, als Folge des gesamtgesellschaftlich zu verantwortenden Krieges.



      Insofern ist die Entwicklung zum aktuellen Asylrecht schon bemerkenswert und man sollte die Solidaritätserwartung an die einzelnen Bürger nicht überstrapazieren. Auch wenn wir, weltweit betrachtet, ganz sicher auf einem sehr hohen Niveau jammern.

  • Das „Notlagenengagement“ von 2015 wird nicht als dauerhafter Normalmodus funktionieren. Macht endlich ein ordentliches Zuwanderungsmanagement mit klaren fachlichen Voraussetzungen und ein klares, konsequentes Reglement für alle anderen rechtlich klar definierten Asylfälle. Das Problem liegt letztlich in der Vermischung der Bedürfnislage von Kommenden und Gebenden.

  • Da die Politik der EU in Brüssel - zum Teil nicht ganz unbeteiligt an den Flüchtlingsstömen ist, sollten auch aus Brüssel finanzielle Mittel für die Flüchtlinge bereitgestellt werden.

    • @Alex_der_Wunderer:

      Fangen Sie Ihren Beitrag statt "Da die Politik der EU in Brüssel - ..." so an: Da die Politik der EU in den unterentwickelten Staaten - ...



      dann passt schon eher.

    • @Alex_der_Wunderer:

      Und das Geld in Brüssel kommt wo her? Wir würden es also über Umwege trotzdem selbst finanzieren

  • in dieser Form kann man gut über die Schwierigkeiten berichten und vermeidet das Ausnutzen der Situation für politische Zwecke.

  • Ein Armutszeugnis, man hat offenbar nach 2015 allen Ernstes geglaubt, das Thema Flucht abhaken zu können. Es ist und bleibt eine Daueraufgabe für die Gesellschaft, die aber bewältigbar ist, zumal die Zahlen derzeit ja sinken.



    Dass unsere "netten" Mitbürger Drohbriefe an die Behörden schicken und mit dem Wählen der AfD drohen sollte in Extremfällen ein Fall für den Staatsanwalt sein, ist es doch eine (versuchte) Nötigung, § 240 StGB.



    Einmal mehr versucht man das Versagen auf einem Gebiet (Wohnungsbau!!!!) den Flüchtlingen in die Schuhe zu schieben. Eine absolute Schande für unser Land.

    • @Bambus05:

      Also ist das Wählen einer zugelassenen Partei strafbar?



      Was soll immer dieses "die Zahlen sinken doch" gerede, das ändert doch nichts an den bereits vorhandenen Millionen Flüchtlingen im Land. In einem Jahr kann man diese Massen nicht integrieren.

      • @Abraham Abrahamovic:

        [...] , bitte nochmal lesen. Das Wählen der AfD ist (leider) nicht strafbar, habe ich aber auch nicht geschrieben.



        Sinkende Zahlen ändern natürlich etwas, im Übrigen ist die Welt nach 2015 nicht untergegangen, im Gegenteil, Deutschland ging es damals sehr gut, trotz einer Million Flüchtlinge.

        [...] Beitrag gekürzt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation

        • @Bambus05:

          Lies lieber mal den Text noch einmal durch, mit was wird dem gedroht? Genau, eine Partei zu wählen. Demokratie lässt grüßen und das kann man den Politikern auch ganz klar so sagen.

    • @Bambus05:

      1. Man gibt den Flüchtlingen doch nicht die Schuld am Versagen im Wohnungsbau? Man kann halt nur keine Wohnungen verteilen die nicht da sind, wegen dem Versagen.



      Wenn halt keine da sind, dann ist auch kein Platz mehr um neue aufzunehmen.



      Genauso mit Geld und Personal, wenn das fehlt.



      Es gibt nunmal eine Grenze der Kapazität, ob man das nun Blöd findet oder nicht.

      2. Wie soll das drohen der Wahl der AfD ein Fall für den Staatsanwalt werden? Die AfD ist eine Wählbare Partei und das Souverän hat das Grundrecht zu wählen wer wo Kommune, Länder, Staat leitet.



      Da ist nichts mit Nötigung. Das darf man der Politik und Verwaltung auch so deutlich sagen.

      Die Politik kann halt nicht gegen das Volk regieren, das geht einfach nicht.

      Die AfD ist halt keine Lösung und echt Schädlich, aber das was die etablierten Parteien machen ist echt schlecht.

    • @Bambus05:

      Sie haben Humor.

      Die Wahl einer zugelassenen Partei soll ein empfindliches Übel sein, sodass ein Straftatbestand erfüllt wird?

      Was ist denn für Sie der Extremfall? Wenn der Kandidat der AfD besonders populistisch auftritt?

      Dem Artikel ist nicht zu entnehmen, dass irgendjemandem etwas in die Schuhe geschoben wird.

      Abstrakt bewältigbar ist die Situation aus.

      In der Realität ist es aber oft nicht, wie Sie es im Artikel lesen konnten.

      Es nützt der Diskussion um Asylbewerber nichts, sich im Utopischen zu bewegen.

      Die Position, keine neuen Asylbewerber aufnehmen zu wollen, wenn es für die vorhandenen Einwohner bereits keine Wohnungen gibt, ist durchaus rational und nicht zwingend ressentimentgeladen.

      Zudem hatten wir bisher viele fette Jahre.

      Die neigen sich laut Prognosen dem Ende zu.

      Der Konkurrenzkampf wird größer.

      Mehr Geld für Lehrer und Wohnungsbau ist dann wohl nicht mehr da.

      • @rero:

        Das mit der zugelassenen Partei ändert sich ja in naher Zukunft hoffentlich. Unstrittig will ich als AfD-Wahl-Droher die Verwaltung einschüchtern, das Heim X bitte nicht in meiner Stadt zu eröffnen. Aber gut, in vielen Fällen wird die StA dann das Verfahren einstellen, wenn der Schorch aus dem Kleingartenverein örtlicher AfD-Kandidat ist.



        Natürlich kann man die Situation schlecht reden, Deutschland bewegt sich dann plötzlich vom Wohlstand im Bereich von Eritrea, dann geht natürlich nichts mehr. Kann man machen, wenn man das Gehirn auf Standby setzt.

        Wir reden immer noch von der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt, nur zur Erinnerung.

        • @Bambus05:

          Die StA interessiert sich nicht für Schorsch im Kleingartenverein und welche Parteizugehörigkeit er hat.

          Das Verfahren wird eingestellt, weil der Tatbestand einer Nötigung nicht mal im Ansatz erfüllt ist.

          In einer Demokratie kann die Drohung, eine andere Partei zu wählen, kein Straftatbestand sein.

          Dass in kapitalistischen Marktwirtschaften die Wirtschaft sich in Wellen bewegt, gilt als normal.

          Rezessionen gehören zum System.

          Auch für die größten Volkswirtschaften.

          Wir hatten überdurchschnittlich lange sehr gute Jahre.

          Was Sie mit Eritrea ausdrücken wollten, habe ich nicht verstanden.

          • @rero:

            Selbst eine Bundesrepublik in der Krise gehört noch nach wie vor zu den reichsten Ländern der Welt, die sicher Probleme hat, jedoch nicht die Flüchtlinge als Problem Nr. 1.

    • @Bambus05:

      > Dass unsere "netten" Mitbürger Drohbriefe an die Behörden schicken und mit dem Wählen der AfD drohen sollte in Extremfällen ein Fall für den Staatsanwalt sein, ist es doch eine (versuchte) Nötigung, § 240 StGB.

      Seine Unzufriedenheit mit der Regierung auszudrücken, bei der nächsten Wahl eine andere Partei anzukreuzen und dies vorab zu äußern, sind alles wesentliche Rechte in einer Demokratie.

      • @Trollator:

        Unstrittig ja, aber wenn ich die mögliche Wahl als Druckmittel einsetze, um einen bestimmten Zweck zu erreichen (die Gemeinde baut kein Asybewerberheim) kann man schon dran denken. Man könnte die AfD ja auch einfach wählen ohne das dem Stadtrat zu verklickern, das ist natürlich erlaubt, zumindest bis zum hoffentlich zeitnahen Verbot des Sauhaufens.

        • @Bambus05:

          Das ist das Wesen der Demokratie und auch das Mittel des Souveräns die Gemeinde und Verwaltung zu einer Handlung zu zwingen. Deshalb haben wir die Demokratie, damit eben nicht am Willen des Wählers vorbei regiert wird.

          Mit der AFD oder der Wahl einer anderen Partei zu drohen um einen bestimmten Zweck zu erreichen ist der Sinn der Demokratie und ausdrücklich gewünscht.



          Es obliegt dann der Gemeinde eine Mehrheit zu beschaffen, damit der Gemeinde die Wahlandrohung die AFD zu wählen "egal sein kann".



          Es ausdrücklich gewünscht, das Bürger sich so verhalten, weshalb wir auch Wöchentlich Umfragen geliefert bekommen und eben nicht nur alle 4 Jahre.