TikTok-Trend „Lavender Marriage“: Die pragmatische Ehe ist zurück
Junge Erwachsene wollen heiraten, aber um Liebe geht es dabei oft nicht. Sie suchen eher Schutz vor Einsamkeit und Armut.
Endloses Swipen und frustrierende Jobsuche, viele junge Erwachsene kennen das. Doch statt auf bessere Zeiten zu warten, haben sie eine andere Idee: Sie wollen auf ein Lebensmodell setzen, das nicht auf romantischen Idealen basiert, sondern auf einer partnerschaftlichen Vereinbarung, um den wirtschaftlichen und emotionalen Druck des Lebens gemeinsam zu tragen.
„Kein Bock mehr auf pleite und einsam sein, nehme Bewerbungen für Lavender Marriage an“, mit Aussagen wie diesen macht die Gen Z die „Lavender Marriage“ („Lavendel-Ehe“) via Social Media wieder populär. Eigentlich stammt der Begriff aus der queeren Community der 1920er Jahre (die Farbe Lila ist heute auf vielen LGBTQI+-Flaggen vertreten).
Der Deckmantel einer heteronormativen Ehe bot Schutz vor gesellschaftlicher Ächtung und rechtlichen oder beruflichen Konsequenzen. Doch diese Komponente ist bei der Wiederentdeckung der Lavendel-Ehe nur zweitrangig.
Gen Z ist müde, von der rastlosen Partnersuche, aber auch von den immer weiter steigenden Lebenshaltungskosten, die sie als Singles trotz Nine-to-five-Jobs kaum stemmen können.
Pragmatisch und strategisch
Statt auf die große Liebe und einen unverhofften Geldsegen zu warten, gehen einige Alleinstehende zwischen 20 und 30 pragmatisch und strategisch vor.
Sie schließen „Lavender Marriages“ – platonische Ehen, bei denen die Verheirateten außerhalb dieser Partnerschaft unterschiedliche romantische und sexuelle Orientierungen ausleben. Allerdings ohne Geheimniskrämerei. Statt Bett teilen sie die Miete, die Steuern und alle anderen Herausforderungen des Lebens, das ist der Deal.
Nicht immer sind solche Aufrufe ernst gemeint. Einige greifen den Trend humorvoll auf: „Wenn wir zusammen eine Lavendel-Ehe eingehen, könntest du mich jeden Tag fragen, ob deine Schuhe zu der Tasche passen“, sagt ein Tiktoker, der sich selbst als homosexuell bezeichnet.
Zukunft macht Angst
Doch wer sich mit jungen Erwachsenen über ihre Lebensumstände unterhält, versteht schnell, warum es einige auch ernst meinen. Die Perspektiven für die Zukunft sind mau. Es gibt kaum bezahlbaren Wohnraum, die Wirtschaft stagniert und viele Menschen sind arbeitslos.
Hinzu kommt: Die Gen Z hat Ausbildung oder Studium während der Coronapandemie absolviert, ohne die Hochschulen oder Ausbildungsbetriebe jemals betreten, geschweige denn nennenswerte soziale Kontakte geknüpft zu haben. Während frühere Generationen in dieser Lebensphase oft die Partner*innen fürs Leben fanden, war ihr Übergang ins Erwachsenenleben geprägt von Unsicherheit und Krisenmanagement.
Das Ergebnis: Die ersehnte Stabilität und Unabhängigkeit bleibt unter diesen Bedingungen oft unerreichbar. Die Lavendel-Ehe ist somit die Rückkehr zu einem altbekannten Konzept – die Ehe als finanzielles und gesellschaftliches Sicherheitsnetz – und eine Reaktion auf eine komplizierte Welt. Vielleicht ist dieser Trend auch eine Abkehr von der Idealisierung der Romantik als alleinige Basis für Beziehungen.
So oder so, junge Menschen wollen die Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnen. Wenn das bedeutet, umzudenken, dann nehmen sie diese Herausforderung an – mit Humor, Pragmatismus und einer ordentlichen Portion Realitätssinn.
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