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Doris Akrap GeraschelPoesiepunk Habeck auf dem Weg nach oben

Foto: privat

Diese Woche traf es Sizilien und Südspanien, doch in diesem Jahr gehören die Flutkatastrophen zum Alltag in ganz Europa: Städte und Dörfer in Süddeutschland, der Schweiz, in Österreich, Tschechien, Polen, Bosnien, Kroatien, Slowenien, Montenegro, Italien, Frankreich und Spanien ertrinken in reißenden Wassermassen, Hunderte Menschen sterben. Die Schäden der „Jahrhundertniederschläge“ übertreffen das 12-Milliardenloch der deutschen Ampelregierung bereits um ein Vielfaches. Überall ist Land unter, alles geht den Bach runter.

Währenddessen ließ dieser Tage der deutsche Vizekanzler, Chef der größten Ökopartei dieses Kontinents, seinen Verlag ankündigen, er wolle „den Bach rauf“.

Bisher war nur bekannt gewesen, dass er Kanzler werden wollte und im Frühjahr 2025 einen Roman veröffentlichen würde, den der Poesiepunk und Wirtschaftspolitiker mit seiner Ehefrau geschrieben hatte: „Die zweite Heimat der Störche“. Auf dem Cover zu sehen ist ein Haus, das von braunem Wüstensand überflutet ist. Ein Motiv, das an die Schlammteppiche erinnert, in denen derzeit unter anderem das bosnische Neretva-Tal und das ostspanische Valencia versinken. Darauf aber will das Cover des Romans eher nicht anspielen, denn sein Thema ist nicht das Klima, sondern der Kolonialismus beziehungsweise die vergrabene Erinnerung an ihn.

Nun aber machte der KiWi-Verlag eine Woche nach dem Ende der Ampelregierung und einen Tag nach der Verkündigung des Neuwahltermins eine überraschende Ankündigung: Ein weiteres Buch von Robert Habeck erscheine im Frühjahr und das auch schon am 16. Januar und vielleicht sogar schon etwas früher. Es werde den Titel tragen: „Den Bach rauf“. Untertitel: „Eine Kursbestimmung“.

Der Verlag verrät, dass der Autor „Orientierung geben“ wolle und analysiere, dass „wirtschaftliche Prosperität die Voraussetzung von Freiheit“ sei und verrate, „was wir wieder bräuchten, um die Mutlosigkeit zu überwinden“. „Wir können den Bach raufgehen – dieses Buch zeigt den Weg.“

Der Wirtschaftsminister will also mutmaßlich der Diagnose, dass Deutschland den Bach runtergehe, etwas „entgegensetzen“, wie es in Bewegungsdeutsch heißt.

Bewegungsdeutsch ist mittlerweile allerdings auch Managerdeutsch. In diesem Sommer beispielsweise hatte das Manager Magazin drei Monate lang eine Serie veröffentlicht, in der es Dax-CEOs, Unternehmerinnen, Start-up-Gründer, Pionierinnen und Wirtschaftsexperten zu Wort kommen ließ, die dem Schlechtreden des Standorts Deutschland „etwas entgegensetzen“ wollten. Die Serie trug den Titel: „Warum Deutschland den Bach raufgeht“.

Kein Scherz.

Hier ­erscheinen zwei Kolumnen im Wechsel. Nächste Woche: „Grauzone“ von Erica Zingher

Den Anfang dieser Serie machte, ebenfalls kein Scherz, Oliver Blume, CEO bei VW. Am 13. Juni antwortete er dem Magazin: „Im Volkswagen-Konzern und bei Porsche stehen wir fest zum Industriestandort Deutschland, investieren in unsere Unternehmensstandorte und sichern damit Arbeitsplätze. Entscheidend ist es, die eigenen Stärken auszuspielen, mit einer zukunftsgerichteten Strategie global zu agieren, regional zu handeln und in Chancen zu denken.“

Der letzte Satz könnte auch eine Formulierung Habecks sein, der bekanntlich „in Erfahrung gehärtet“ ist. Der erste Satz aber ist heute komplett überholt: Am 28. 10. verkündete VW, drei Werke in Deutschland schließen und 30.000 Mitarbeiter entlassen zu wollen.

Bewegungsdeutsch ist mittlerweile auch Managerdeutsch

Der Chef des krisenden Konzerns war offenbar nur daran interessiert, dass er selbst den Bach raufgeht: Mit geschätzten 10,3 Millionen Euro ist ausgerechnet Blume der mit Abstand bestbezahlte DAX-Manager.

Mal schauen, ob Habeck es schafft, auf dem Weg den Bach rauf mehr Leute mitzunehmen als sich selbst.

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