Festnahmen von Neonazis in Sachsen: „Sächsische Separatisten“ mit Verbindungen zur AfD
Seit 2020 sollen sich Rechtsextreme in Sachsen auf einen Umsturz vorbereitet haben. Die Bundesanwaltschaft hat sie wegen Rechtsterrorismus festnehmen lassen.
Neben den Festgenommen hat die Bundesanwaltschaft auch sieben weitere Beschuldigte im Visier. Verbindungen der Gruppe gibt es dabei auch nach Österreich, konkret nach Wien und in den Bezirk Krems, wo ebenfalls Durchsuchungen stattfanden.
Die Bundesanwaltschaft wirft der Gruppe vor, bereits 2020 ihre rechtsterroristische Vereinigung namens „Sächsische Separatisten“ gegründet zu haben. Angeführt wurde sie von Jörg S., der in Zgorzelec festgenommen wurde. Vier der Festgenommenen – Karl K., Jörn S., Kevin M. und Norman T. – waren in der Anfangszeit noch Heranwachsende. Insgesamt soll die Gruppe bis zu 20 Personen umfasst haben.
Diese war laut Bundesanwaltschaft „militant“ ausgerichtet, ihre Ideologie sei von „rassistischen, antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen“ geprägt. Die Gruppe verbinde eine „tiefe Ablehnung“ der demokratischen Grundordnung in Deutschland.
Beschuldigte mit Verbindungen zu AfD
Rädelsführer der Gruppe soll Jörg S. gewesen sein. Sein Großvater war Politiker der FPÖ in Österreich. Sein Vater, Hans Jörg S. jun., ist ein mehrfach verurteilter Rechtsextremist aus Österreich, der in den 80er Jahren dort in der militanten Neonazi-Szene aktiv war. Jörg S. soll in Polen festgenommen worden sein. Auch einer seiner Brüder, Jörn S., ist unter den Festgenommenen. Bei zwei weiteren Brüdern fanden Durchsuchungen statt, aber keine Festnahmen.
Zu den Beschuldigten gehören nach taz-Informationen auch Hans-Georg P. und Kurt Hättasch. P saß bis Ende 2022 für die AfD in einem Stadtbezirkbeirat in Leipzig. Hättasch sitzt im AfD-Vorstand im Landkreis Leipzig und wurde 2024 in den Stadtrat von Grimma gewählt. Ende Juni war Hättasch einer der Teilnehmer einer Sonnenwendfeier in Strahwalde, über die die taz berichtet hatte. Bei der Zusammenkunft hatten sich AfD-Politiker und Mitglieder der Jungen Alternative mit Neonazis, Hooligans und Völkischen getroffen und den Nationalsozialismus verherrlicht: Es wurden Lieder der Hitlerjugend gesungen und ein SS-Standartenführer geehrt.
Paramilitärische Trainings und Nachtmärsche
Laut den Haftbefehlen vom Dienstag sollen die Rechtsextremen überzeugt gewesen sein, dass Deutschland vor dem „Kollaps“ stehe. An dem entsprechenden „Tag X“ soll die Gruppe geplant haben, mit Waffengewalt Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls weiteren ostdeutschen Bundesländern zu erobern, um dort ein nationalsozialistisches Regime zu errichten. Unerwünschte Personengruppen sollten „durch ethnische Säuberungen entfernt“ werden.
Die Gruppe soll dafür auch wiederholt paramilitärische Trainings mit Kampfausrüstung durchgeführt haben. Geübt wurde dabei Häuserkampf, der Umgang mit Schusswaffen sowie Nacht- und Gewaltmärsche. Außerdem soll sich die Gruppe Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten besorgt haben.
An den Ermittlungen waren das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt Sachsen beteiligt. Mehr als 450 Polizist*innen waren bei den Festnahmen und Durchsuchungen im Einsatz, darunter auch Spezialkräfte. Österreichische und polnische Geheimdienste waren ebenfalls involviert.
Haldenwang zieht Verbindung zur rechten „Siege“-Szene
Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamt für Verfassungsschutz, erklärte auf Anfrage der taz: „Die heutigen Exekutivmaßnahmen verdeutlichen die anhaltend hohe Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands, die vom Rechtsextremismus ausgeht.“ Protagonisten der Gruppierung seien teils sehr junge Rechtsextremisten, die Bezüge zu einer insbesondere im virtuellen Raum aktiven Szene aufweisen. „Die Anhänger dieser sogenannten „Siege-Szene“ beziehungsweise des militanten Akzelerationismus glorifizieren Taten bekannter Rechtsterrorismus wie Anders Breivik und Brenton Tarrant. Sie verfolgen das Ziel an einem erwarteten gewaltsamen Umsturz – Tag X – des politischen Systems mitzuwirken.
„Siege“ ist ursprünglich ein Newsletter, den der US-Rechtsextremist James Mason in den 1980ern für die „National Socialist Liberation Front“ geschrieben hat und dessen Inhalte später in Buchform erschienen. Laut dem Rechtsextremismus-Experten Spencer Sunshine hat Mason in vergangenen Jahren seine Anhänger auf Imageboards und in Telegramgruppen gefunden – und Neonazi-Netzwerke wie die rechtsterroristische „Atomwaffen Division“ inspiriert.
Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag und Vorsitzender des Parlamentarischen ontrollgremiums, sagte der taz: „Erneut wird deutlich, dass die Gefahren, die von einer stetig wachsenden, rechtsextremen Szene ausgehen, sehr real sind. Der hohe Organisationsgrad der Szene ist und bleibt in höchstem Maße besorgniserregend.“ Auch die transnationale Vernetzung schreite weiter voran und es würden eitreichende Finanzstrukturen aufgebaut. Verbindungen der „Sächsischen Separatisten“ in andere Länder, nicht nur nach Polen, müssten konsequent aufgeklärt werden. „Dort, wo sich Extremisten international vernetzten, muss dies auch für die Sicherheitsbehörden gelten. Gemeinsam müssen sie entschlossen gegen grenzüberschreitende Bedrohungen vorgehen“, sagte von Notz
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem „sehr wichtigen Ermittlungserfolg“. Die Sicherheitsbehörden hätten „frühzeitig militante Umsturzpläne von Rechtsterroristen vereitelt, die einen Tag X herbeisehnten, um mit Waffengewalt Menschen und unseren Staat anzugreifen“. Dass die Gruppe mit Waffen trainiert und sich bereits Ausrüstung beschafft habe, zeige, wie gefährlich sie gewesen sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!