Nutri-Score und Tierwohl-Label: Verloren im Label-Dschungel
Ist der Käse nun von glücklichen Kühen, oder nicht? Labels, die im Supermarkt für Orientierung sorgen sollen, haben mitunter den gegenteiligen Effekt.
V erwirrt starre ich vor dem Kühlregal auf das Stück Käse, das ich kaufen will. Hatte der nicht beim letzten Einkauf eine deutlich bessere Bewertung beim Nutri-Score? Also bei dieser Skala, die auf der Verpackung deutlich machen soll, was man seinem Körper antun wird, nimmt man den Verpackungsinhalt zu sich.
Nicht, dass ich an Hand des Scores entscheiden würde – aber verwirren tut es mich trotzdem. Ein paar Sekunden später der Aha-Effekt: Ich schaue nicht auf den Nutri-Score, sondern auf das Tierwohl-Label. Und während beim Nutri-Score die beste Kategorie fett und grün links steht, ist es beim Tierwohl-Label umgekehrt: Hier ist am besten, was fett und grün rechts steht. Außerdem geht der Nutri-Score von A bis E, während das Tierwohl-Label von 1 bis 4 reicht. Gab es nicht mal Regeln, die solch verwirrendes Design verbieten? Ach nein, das war bei Cookie-Bannern im Internet.
Vielleicht waren Lebensmittelindustrie und Politik irgendwann die ewige Debatte über die Irrlogik von Mehrwertsteuersätzen leid geworden. Wieso will es der Bevölkerung einfach nicht einleuchten, dass auf Trüffel 7 Prozent anfallen, auf Windeln aber 19 Prozent? Warum für Babynahrung mehr fällig ist als für Tiernahrung und für die Brille mehr als fürs Hörgerät? Schon klar – das mal grundsätzlich zu reformieren, würde in eine Lobbyschlacht ungesehenen Ausmaßes ausarten. Daher musste eine andere Lösung her. Und die war? Etwas Neues, ähnlich Unlogisches, an dem Menschen mit Hang zum Detail sich abarbeiten können.
Dürfen wir also vorstellen: der Nutri-Score. Soll einen Weg durch den Lebensmittel-Dschungel schlagen, schlingt aber leider nur ein paar neue Lianen um die Bäume. Zum Beispiel: Im Regal stehen Weißmehlbrötchen mit einem grünen A. Etwas weiter kommt das Olivenöl nur auf ein gelbes C. Und das Schoko-Müsli trägt ein B. Wahrscheinlich, weil sich seine 3 Zuckerarten nur auf 14 Gramm pro 100 Gramm Müsli verteilen und nicht auf 22 Gramm wie bei seinem Nachbarn.
Nussmischung oder Tiefkühlpizza?
Die etwas erratische Einstufung hat viel damit zu tun, dass die Berechnung zwar diverse Nährwerte, aber nicht den Verarbeitungsgrad von Produkten berücksichtigt. Und dass positiv bewertete Nährwerte nachteilige teilweise wettmachen können. Also: Etwas mehr Proteine und Ballaststoffe würde im Öl zwar keinen Sinn ergeben – aber einen besseren Nutri-Score. Dieses Prinzip kann schon mal dazu führen, dass die Tiefkühlpizza besser abschneidet als die Nussmischung. Ob das der gewünschte Effekt ist? Denn dass die Skala eigentlich nur einen Vergleich innerhalb einer Produktgruppe erleichtern soll, also Pizza mit Pizza – Hand hoch, wer hat’s gewusst?
Aber keine Angst: Falls es irgendwann doch mal alle verstanden haben und sämtliche Produkte den Nutri-Score tragen, gibt es bestimmt schöne neue Ideen. Vielleicht eine Länge-des-Transportwegs-Skala in senkrecht und mit Schulnoten von 1 bis 6? Oder eine CO2-Bilanz in Form eines Fußabdrucks? Nein, das wäre wahrscheinlich schon wieder zu sinnvoll.
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