piwik no script img

AfD-Mann darf wohl weiter hetzen

Dennis Hohloch stellt Frau an digitalen Pranger. Gericht sagt: Das muss sie sich gefallen lassen

Von Hanno Fleckenstein

Für Anne Brügmann steht fest: Was am Mittwoch vor dem Landgericht Potsdam verhandelt wird, sei „ein Fall von digitaler, rechter Gewalt“. Brügmann, Leiterin der Beratungsstelle „Opfer­perspektive Brandenburg“ begleitet am Mittwochmorgen eine Frau, die vor Gericht mit Unterlassungsklagen erreichen möchte, dass der rechtsextreme Brandenburger AfD-Abgeordnete Dennis Hohloch sowie die AfD-Landtagsfraktion nicht weiter in den sozialen Netzwerken gegen sie hetzen und dabei ihren Namen, ihr Foto und weitere Informationen verbreiten dürfen.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits war der Besuch einer Potsdamer Grundschulklasse – darunter das Kind der heutigen Klägerin – im Brandenburger Landtag Anfang Juli. Bei einer Fragestunde mit den 9 bis 12 Jahre alten Schü­le­r*in­nen lenkte AfD-Mann Hohloch das Gespräch unvermittelt auf das Thema Geflüchtete, redete von „Gruppenvergewaltigungen“ und „Messermännern“.

Der Vorfall schlug hohe Wellen: Eltern beschwerten sich, weil sie Hohlochs Aussagen als jugendschutzgefährdend und nicht altersgerecht empfanden. Unter anderem bat die heutige Klägerin in einer internen E-Mail die Schule um die Aufarbeitung des Landtagsbesuchs.

Das Schreiben wurde jedoch Dennis Hohloch zugespielt, der daraufhin in Social-Media-Posts den vollen Namen und ein Foto der Frau veröffentlichte und sie beschuldigte, ihn „canceln“ und ihm verbieten zu wollen, über die „Sicherheitslage“ in Deutschland zu sprechen. Zum Zeitpunkt der Postings folgten Hohloch allein auf Tiktok rund 136.000 Accounts. Die AfD-Fraktion teilte Hohlochs Beiträge.

Doch am Mittwoch zeichnet sich schnell ab, dass das Gericht die Bedenken der Klägerin nicht teilt. Die Vorsitzende Richterin Ilona Junge-Horne erklärt, es gebe „kein absolutes Recht, nicht namentlich genannt zu werden“. Zudem habe die Klägerin selbst ihr Profilfoto bei LinkedIn hochgeladen. „Es ist da, um die Klägerin vorzustellen.

Nichts weiter macht auch der Beklagte“ – also Hohloch – in seinen Posts. Die Aussage Hohlochs, die Klägerin wolle ihn „canceln“, hält das Gericht für eine Meinungsäußerung, „die man sich gefallen lassen muss“. Des Weiteren handele es sich bei vielen weiteren Aussagen um wahre Tatsachenbehauptungen.

Der Anwalt der Klägerin, Thomas Moritz, zeigt sich empört angesichts dieser Interpretationen: „Meine Mandantin ist in die Öffentlichkeit gezerrt worden“. Entscheidend sei der Kontext der Social-Media-Posts, und der sei „polemisch, anprangernd, unverhältnismäßig“, so Moritz.

Die Entscheidung über die Unterlassungsklage gegen Dennis Hohloch will das Gericht Ende November verkünden. Doch die AfD-Fraktion kommt bereits jetzt ungeschoren davon. Grund dafür ist eine Spitzfindigkeit: Die Fraktion von Juli existiert seit den Landtagswahlen im September nicht mehr als juristische Person. Anwalt Moritz muss deshalb seinen Antrag für erledigt erklären.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen