piwik no script img

Gutgemeinter Rat an Thomas GottschalkAch, Tommy!

Ambros Waibel
Kommentar von Ambros Waibel

Unser Autor ist mit Thomas Gottschalk als Radiomoderator aufgewachsen. Jetzt wünscht er ihm, einen besseren Umgang mit dem Altern zu finden.

Thomas „Tommy“ Gottschalk 1985 vor seiner Karriere als Moderator der Sendung „Wetten, dass..?“ Foto: United Archives/imago

A ch, Tommy, was machst du? Hast wieder ein Buch geschrieben, „Ungefiltert“ heißt es, am 16. Oktober erschienen. Und dazu greinst du jetzt Sachen in der Öffentlichkeit, damit die Leute das Buch kaufen. Sagst, dass dein Selbstwertgefühl bröckelt; dass du nicht mit einer Frau allein in den Aufzug steigst, weil die sonst vielleicht MeToo schreit; und dass du dich in eine Ecke gestellt fühlst.

Dabei hat der Herrgott dir doch nun wirklich alles gegeben, Tommy: Geld und Ruhm, Malibu und Haribo. Immer hast du in der Menge gebadet, alle überragend mit deinen blonden Locken.

Und jetzt? Gehen dir nicht nur die Haare aus, Tommy.

Kennst du die kleine Raupe aus dem Kinderbuch? Die nie satt wird, obwohl sie dauernd frisst? Ein bisschen wie du, oder, Tommy? Wie du dich immer immer weiter durch den Diskursjunkfood bohrst, auf der Jagd nach Bestätigung, und immer noch alle berühren möchtest – nur im übertragenen Sinn natürlich! Und dann wunderst du dich, dass dir schlecht wird wie der kleinen Raupe? Dass du wie ein alter Grantler rüberkommst?

Weißt du, was ich glaube, Tommy? Ich glaube, du drehst dich im Kreis. Du bist mit deinem bald Dreivierteljahrhundert auf dem Buckel in einen Strudel geraten. Und an dessen Grund blickt dir der unangenehmste Teil unserer Existenz entgegen. Der Tod, Tommy. Der auch dir – rein dienstlich, versteht sich – in halt nicht mehr so ferner Zukunft seine kalte Hand auf die breite Schulter legen wird.

Fun! Rock ’n’ Roll!

Ich kenne das, Tommy. Ich bin zwar erst Mitte 50. Aber auch ich spüre auf einmal meine Endlichkeit. Das macht mir Angst. Wie dir. Ich bin mit dir aufgewachsen, weißt du? Damals in den 1970ern, im Bayerischen Rundfunk. Für mich warst du eigentlich zu spät auf Sendung, mit deinem „Pop nach acht“, du warst mehr ein großer Bruder, wie meine echten großen Brüder, die dich ganz anhören durften.

Ah, der frische Wind der 70er, das beste Jahrzehnt, das wir erleben durften, oder? Die alten Deppen in ihren steifen Anzügen, die immer wie umgeschneiderte Wehrmachtsuniformen aussahen, sie waren grau und schwach geworden, hatten den Anschluss verloren (bisschen wie wir heute, was meinst du?) an die bunte neue Popwelt. Und die jungen Deppen mit ihrer pseudopolitischen Quarksprache standen zwar weiter auf der Spaßbremse – aber drauf geschissen, oder, Tommy? Fun! Rock ’n’ Roll!

Und dann, zehn Jahre später, Wetten, dass ..?“ Weißt du, Tommy, dass du uns da als Familie noch mal alle gekriegt hast? Ein letztes Mal saßen wir bei dir zusammen, bis dann jeder seiner eigenen Wege ging. Und alles so schrecklich unübersichtlich wurde, oder, Tommy? Es ist doch jetzt schwierig, sich zurechtzufinden! Wem soll man es recht machen? Du möchtest doch nur, dass alle sich liebhaben. Aber wo sind alle?

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Ich weiß es auch nicht, Tommy. Aber ich weiß: Sie sind nicht mehr da, wo sie früher waren. Und du solltest da auch nicht mehr sein. Du hast mal deine Kinder geschlagen, hast du schon in deinem letzten Buch erzählt. Auch ich war schon mal nahe dran, das zu tun. Aber du brauchst das jetzt nicht mehr verteidigen. Dort, wo du damit punkten kannst, steht nur noch Hubert Aiwanger. Der ist dir jetzt beigesprungen. Glaubst du, dass Hubert Aiwanger dir deine Angst vor dem Tod nehmen kann, Tommy?

Ich seh dich ja mehr wie die Kleine Spinne, im anderen Klassiker von Eric Carle. Vielleicht hast du das mal deinen Buben vorgelesen? Ach, wahrscheinlich hattest du immer zu viel zu tun. Die kleine Spinne ist jedenfalls sehr fleißig. Und am Ende wird sie für ihren Fleiß gelobt. Weißt du, was die kleine Spinne macht mit dem Lob? Sie schweigt, Tommy. Sie schläft. Was meinst du, Tommy: Wäre das nicht auch was für dich?

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • Wetten dass jeder Appell zur Reflektion an ihm abprallt?

  • Bernhard Hoecker war als Thomas Gottschalk eh viel besser.

  • Tja, Gottschalk, was will man da noch sagen? Ich habe Wetten Dass...? gerne geschaut, so etwa bis Mitte der 90er Jahre. Danach wurde die Sendung immer langweiliger, eine ständige Wiederholung zotiger Sprüche. Was unterhalb der 30 als freche, erfrischende Respektlosigkeit durchging wurde danach mit jedem Jahr nerviger, peinlicher und dreister. Gottschalk ist immer noch da, die Sprüche immer noch die gleichen wie damals. Was damals cool war ist heute sexistisch, natürlich darf man noch alles sagen, kann aber heute sein dass man Gegenwind bekommt und nicht nur zustimmendes Feixen wie damals. Damit müssen die Dinosaurier eben leben, wenn sie sich nicht ändern oder auch nur in Frage stellen wollen.

  • Vielleicht hätte der Autor seine bayerische Vergangenheit auch einfach schamhaft verschweigen können? Und Ferndiagnosen weglassen?



    Das Buch einfach beschweigen? Einen Artikel mit politischer Substanz stattdessen schreiben?

  • Gottschalk ist - und war immer - der Fips Asmussen des deutschen Showbiz. Gepaart mit seiner notorischen Übergriffigkeit balancierte er immer auf der Rasierklinge in Richtung Peinlichkeit. Und das nicht immer erfolgreich.



    Dass er nun dem Trend zum Rechtspopulismus hinterherhechelt, konnte man erwarten.



    Achja: Als Gottschalk jung war, sagte man (beispielsweise) nicht, dass "Unter Adolf auch nicht alles schlecht war". Nur regte sich damals niemand darüber auf, dass das "unsagbar" war. Und genau DA liegt der Unterschied zu heute.

  • Hat am Ende Trump und Merz das gleiche Problem?

  • Das ist schon recht würdelos mit dem Tommy. Harald Schmidt macht es da besser: Der frönt nach wie vor seiner Obsession, vermutlich für low budget wenn überhaupt, tingelt nach Lust und Laune von Auftritt zu Auftritt und begeistert ganz ungeniert die Alten Weißen Männer. Als wenn das alles nicht schon Affront genug wäre, macht er zwischendurch noch Fotos mit Maaßen und Matussek, und fängt sich ehrbaren Hass anstelle mitleidig-höhnischer Blicke wie der Tommy ein.



    „Du möchtest doch nur, dass alle sich liebhaben“ spricht Herr Waibel seinem ehemaligen Idol gut zu. Da würde ich doch widersprechen: Gottschalk selbst wollte vor allem Geliebt-Habt-Werden und nicht jedes Dahergerede gegen sich verwendet sehen.



    Damit ist Schluss, Check Es! Hauchte der Zeitgeist dem Tommy so kalt entgegen, dass Herrn Waibel wie von selbst der Sensenmann in den Sinn kommt, der dem Tommy in „nicht mehr so ferner Zukunft seine kalte Hand auf die breite Schulter“ legt.



    Wäre es denn kritisch gemeint, könnte man denken, Herr Waibel habe dem Zeitgeist hinter dem Gottschalk-Bashing ein viel allgemeineres Kommando abgelauscht: Verpisst Euch, am besten in die Kiste, Alte Säcke!

  • Sehr schön geschrieben, werter Ambros Waibel.



    In Würde altern.. Zu große Schuhe für Gottschalk:



    www.youtube.com/watch?v=E6AsPYErJoc

    • @starsheep:

      anschließe mich

      ps wußte gar nicht - daß es auch katolsche Gummibärchen gibt - wa.



      Die echt keinen müden Hering vom Teller gezogen haben. Da bleibt ja dann auch echt nicht viel. Newahr



      Nö. Normal nich.

  • "Dort, wo du damit punkten kannst, steht nur noch Hubert Aiwanger."

    -->In der medialen Öffentlichkeit mit Sicherheit. Allerdings sollte man sich nicht der Illusion hingeben, die Welt würde um den eigenen Bauchnabel kreisen. Je nachdem, wie sich die Verkäufe des Buches entwickeln, wird sich zeigen, ob wirklich nur der Hubsi dort steht oder nicht vielleicht doch ein erklecklicher Teil der Bevölkerung.

    Letzteres legen die letzten Wahlergebnisse konservativer, links-konservativer und rechter Parteien nahe.

    • @Kriebs:

      „Allerdings sollte man sich nicht der Illusion hingeben, die Welt würde um den eigenen Bauchnabel kreisen."



      Genau. Es geht nicht um den Bauchnabel. Es geht um den Buchnabel. Es ist Buchmesse. It's Zielgruppen-Marketing.

  • Thomas Gottschalk? Ganz ehrlich - der ist doch so wichtig wie der berühmtes Sack Reis, der in Shanghai gerade von einer Laderampe rutscht.

    • @Stefan L.:

      An der Anzahl der republikweiten medialen Einlassungen in Bild, Ton und Print gemessen, auch dieser Artikel widmet sich schließlich dem Thema, würde ich das Gegenteil behaupten.

    • @Stefan L.:

      Ich muss gestehen, ich fand ihn auch schon vor Jahrzehnten peinlich.



      Deshalb habe ich nie "Wetten daß" geguckt.

  • Vielen Dank für für diese Worte. Ich wünschte, Herr G. wäre fähig sie sich zu Herzen zu nehmen.